Datenschutz weicht auf
18. März 2005Deutschland hat seit 1977 ein Datenschutzgesetz - ausdrücklich, um "das Vertrauen der Bürger in den Staat im Zeitalter des Computers zu erhalten". Aber die Begehrlichkeiten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft nach mehr und möglichst langfristig zu speichernden Daten nehmen zu. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz, ist hier als oberste Aufsichtsbehörde gefragt, aktuell zum Thema Telefondaten.
Einige EU-Länder wollen mehr Telefon-Daten
"Es handelt sich um eine Initiative von vier Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die einen Rahmenbeschluss haben wollen, der europaweit bestimmte Mindest-Speicherungsfristen von zwölf oder sogar 36 Monaten vorschreibt", erklärt Schaar. Aus gutem Grund hegt der Bundesdatenschutzbeauftragte Bedenken: Er muss über die Einhaltung des geltenden deutschen Datenschutzgesetzes wachen.
Kurzgefasst heißt das: Das Speichern personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten. Es sei denn, es ist ausdrücklich erlaubt. Und erlaubt ist, was erforderlich ist und was die Persönlichkeitsrechte nicht verletzt. Beim Telefonieren zum Beispiel ist das bisher nur das, was dem Kunden nutzen soll: eine Speicherung der Verbindungsdaten für maximal sechs Monate. Damit der Kunde selbst seine Telefon-Rechnung kontrollieren kann.
Mehr Sicherheit, aber weniger Datenschutz
Der Wunsch nach mehr Daten kommt vor allem aus den Institutionen und Behörden, die sich mit Terrorbekämpfung beschäftigten. Ob die Befugnisse, die schon in den vergangen Jahren per Gesetz für Polizeibehörden, Sicherheitsdienste oder die Finanzbehörden erteilt wurden, wirklich erforderlich waren, soll jetzt durch eine Evaluation geprüft werden.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat allerdings Zweifel. "Alle Datenschützer, die ich kenne, sind der Auffassung, dass durch diese sogenannten Sicherheitspakete eingegriffen wurde in Persönlichkeitsrechte und auch in den Datenschutz", sagt er. "Die Grenze zwischen Freiheit und Sicherheit wurde stärker zu Gunsten der Sicherheit verschoben."
Widerstand gegen Datenerfassung
Die Angst vor der Horrorvision eines Überwachungsstaates, wie ihn George Orwell in seinem Buch "1984" beschrieben hat, trieb viele Deutsche um, als in den 1980er Jahren mit einer Volkszählung nicht nur persönliche Daten für eine Statistik erhoben, sondern zugleich auch das polizeiliche Melderegister in den Städten und Gemeinden abgeglichen werden sollten.
Die Menschen in der Bundesrepublik wehrten sich - trotz Strafandrohung - gegen die Befragung der Behörden. Und schließlich bestätigte ihnen das Bundesverfassungsgericht 1983, dass sie damit ein Grundrecht wahrgenommen hätten: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes blieb wegweisend für den heutigen Datenschutz - die Aufregung der Bürger eher nicht. Denn die hat - so der Bundesbeauftragte Schaar - "weit weniger tief in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen, als manche Maßnahme, über die heute diskutiert wird". Die Angst vor dem "Gläsernen Menschen" sei inzwischen einer oftmals eher "exhibitionistischen Haltung" gewichen, nach dem Motto: Seht her, ich habe nichts zu verbergen. Dabei kommt es bei der Umsetzung des Datenschutzes gerade auf den mündigen Bürger an.
Unerkannte Sammler
Jeder hat das Recht, die Berichtigung oder Löschung seiner Daten zu verlangen, wenn sie falsch sind - oder wenn die Erforderlichkeit nicht nachgewiesen ist. Vielen Bürgern in Deutschland ist allerdings nicht bewusst, dass die informationelle Selbstbestimmung heutzutage so bedroht ist wie nie. Neben Sicherheitsgesetzen lautet hier ein weiteres Stichwort: "Scoring". Bestellt man per Internet Ware, läuft vielfach bereits während des Erhebungsvorgangs der Adressaten ein so genanntes Scoring ab - ein Verfahren, mit dem die Kreditwürdigkeit des Bestellers überprüft wird. Der weiß nichts davon, auch nicht davon, dass etwa der Wohnort oder auch sein möglicherweise im Internet recherchierbares Zeitungsabonnement für dieses Profil ausschlaggebend sein können.
Datenschutz ermöglicht Meinungsfreiheit
Datenschutz ist eine weltweite Aufgabe. "Allerdings wird diese Aufgabe in unterschiedlicher Weise wahrgenommen", sagt Peter Schaar. Während man in Deutschland - wie überall in Europa - auf staatliche Kontrollinstanzen setzt, steht zum Beispiel in den USA die Selbstregulierung, insbesondere der Wirtschaft, im Vordergrund. Datenschützer sind überzeugt: Für die Demokratie ist das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung wesentlich. "Wenn jede Teilnahme an einer öffentlichen Kundgebung, an einer Demonstration, jedes kritische Wort, das ich am Telefon sage, Dritten zur Kenntnis gelangt, dann wird man das unterlassen - egal ob die Überwachung tatsächlich stattfindet oder nicht", sagt Schaar. "Diese Beklommenheit wäre sehr freiheitsbeschränkend."