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Politik

Dauerkonflikt in Thailands Süden

Julian Küng
6. November 2018

Im Osten des Südzipfels Thailands liegen seit bald zwei Jahrzehnten Militär und muslimische Rebellen im Dauerkonflikt. Trotz einer Abnahme der Gewalt über die Jahre bleibt die Lage angespannt, wie die DW-Reportage zeigt.

Thailand Songkhla/Pattani
Bild: DW/Julian Küng

Der vergessene Krieg in Südthailand

01:26

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Nach drei geknipsten Fotos am Grenzübergang zum Kriegsgebiet eilt hastig ein Polizist aus seinem Holzhäuschen herbei. "Was machen sie hier?” fragt er den DW-Reporter. Nachdem ihm klar wird, dass eine journalistische Reportage über die Unruhen geplant ist, zupft er rasch seine braune Uniform zurecht und lässt seinem Frust freien Lauf: "Ich finde keine Worte für diese permanenten Gräueltaten der Rebellen”, sagt er und zeigt auf Fahndungsbilder gesuchter Separatisten, welche an jedem Straßen-Checkpoint hängen.

"Nach dem Ableben des Königs (im Oktober 2016 – Red.) ist es für kurze Zeit ruhiger geworden. Jetzt geht die ganze Tragödie wieder von vorne los", klagt der Grenzpolizist weiter. Fast täglich gibt es seit einigen Monaten wieder Explosionen und Schießereien. Vor allem Soldaten und Sicherheitspersonal stehen auf der Todesliste der separatistischen Rebellen. Die Nichtregierungsorganisation "Deep South Watch", welche die Unruhen im Süden Thailands beobachtet, hat in den vergangenen Monaten einen Anstieg der Todesopfer verzeichnet.

Der vergessene Krieg in Südthailand

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Dauerkonflikt zwischen Militär und Rebellen

Dabei hat die Gewalt in den vergangenen Jahren stetig abgenommen und war 2017 mit 235 Todesopfern auf dem bisher niedrigsten Stand seit 2007 mit über 800 Toten. Dennoch ist eine grundlegende Lösung des Konflikts nicht in Sicht. 

Don Pathan ist Berater für internationale Organisationen in Thailand auf den Gebieten Sicherheit und Entwicklung, er beobachtet den Konflikt in Thailands Süden schon seit langem. Er sieht im jüngsten Aufflammen der Unruhen eine blutige Gegenreaktion der Rebellen: "Das thailändische Militär hat den Rückgang an Anschlägen während des Trauerjahrs um König Bhumipol vor kurzem als seinen Erfolg reklamiert." Diese Provokation hätten die muslimischen Rebellen mit einer Serie von Anschlägen quittiert, so Don Pathan.

Warten auf den nächsten Anschlag: Thailändische Sicherheitskräfte im Check-pointBild: DW/Julian Küng

Vor 14 Jahren war der historisch weit zurückreichende ethnisch-religiöse Konflikt im muslimischen Süden Thailands, d.h. in den Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat an der Grenze zu Malaysia, erneut aufgeflammt. Fast 7000 Todesopfer und doppelt so viele Verletzte sind seitdem zu beklagen. Auf der einen Seite stehen muslimische Aufständische, welche um größere Autonomie und Abgrenzung gegenüber dem Königreich Thailand kämpfen. Auf der anderen Seite das thailändische Militär, welches mit harter Hand versucht, die Terrorzellen auszumerzen.

Patrouille des thailändischen Militärs im Rebellengebiet im Süden Bild: Reuters

"Wir leben in ständiger Angst"

Wir fahren weiter in den "tiefen Süden", wie das Kriegsgebiet von den Einheimischen benannt wird. Die Tiefebene ist übersät von Militärstützpunkten. Am Straßenrand schleichen schwer bewaffnete Militärfahrzeuge, bemannt mit vermummten Soldaten der Royal Thai Army.  Kaum ein Fahrkilometer kann ohne Checkpoint-Kontrolle zurückgelegt werden, muslimische Zivilisten stehen unter ständiger Observation des thailändischen Militärs. Unweit von der Provinzhauptstadt Pattani zeigt uns ein Militäroffizier seinen Stützpunkt. Über einer schützenden Sandsack-Barrikade hängen reich verzierte Bambuskäfige mit zwitschernden Vögeln. Die Soldaten hausen in kargen Militär-Barracken.

"Wir leben hier in ständiger Angst" klagt der Offizier. "Am schlimmsten ist die Ungewissheit, wann und wo die Rebellen als nächstes angreifen. "Im Gegensatz zu uns tragen die Aufständischen keinerlei Erkennungsmerkmale. Es ist daher sehr schwierig, die Rebellen aus Zivilbevölkerung herauszufiltern."

2013 vereinbarten Vertreter der thailändischen Regierung und der muslimischen Rebellen in Kuala Lumpur Friedensgespräche. Kritiker glauben, dass die Militärs eine Hinhaltetaktik betreiben, um keine Zugeständnisse machen zu müssen. Bild: Reuters

Militär demonstriert Stärke

Die thailändische Armee setzt im Konflikt seit Jahren auf "Deeskalation durch Stärke." Allen voran der im Süden machthabende und nun abtretende General Piyawat Nakwanich, welcher die Unruhen mit massiver Militärpräsenz unterdrücken wollte. Kurz vor seinem Abgang entsandte Piyawit im August noch 1000 Soldaten in zwei Problembezirke in den Bezirk Nong Chik in der Provinz Pattabni. Zwei Soldaten starben dabei im Kugelhagel, vier kamen mit Verletzungen davon. Kritikern zufolge hat die militärische Machtdemonstration Piyawits den Graben zwischen dem Staat und den Muslimen im Süden vertieft.

"Mit seiner Hau-drauf-Strategie hat der abtretende General einen Scherbenhaufen hinterlassen, welcher sein Nachfolger nun zusammenkehren muss", meint der Experte Don Pathan.

Markt in der muslimisch geprägten süd-thailändischen Provinz NarathiwatBild: Madaree Tohlala/AFP/Getty Images

Versöhnliche Töne der neuen Militärführung im Süden

Dieser Nachfolger ist seit Oktober General Pornsak Poonsawas, der sogleich mit einer Charmeoffensive startete. Als erste Amtshandlung besuchte er den höchsten muslimischen Glaubensführer Aziz Phitakkumpon und überreichte ihm einen Obstkorb, als Symbol für den Aufbau einer frischen und gesunden Beziehung. Er offerierte auch eine neue Analyse des Konflikts: Der Süden Thailands leide nicht primär unter religiös motivierten Spannungen. Drogen seien das Hauptproblem: "Überall auf den Straßen werden Drogen verkauft, unter Beteiligung von Regierungsbeamten", behauptet General Pornsak vor den versammelten Reportern, ohne Beweise vorzulegen.

Für Südkonfliktexperte Don Pathan ist die "neue Strategie" des Militärs Augenwischerei: "Das kaufe ich ihm nicht ab. Drogen sind ein nationales Problem Thailands - keineswegs nur im Süden des Landes. Trotzdem ist es ein geschickter Schachzug. Pornsak versucht, mit der Benennung von Problemen, die alle betreffen, die muslimische Bevölkerung für sich zu gewinnen."

Normalität auf den Straßen im Süden: Gepanzerte Militärfahrzeuge Bild: DW/Julian Küng

Keine Ansätze für eine wirkliche Lösung

Im Gegensatz zu den versöhnlichen Tönen des Militärchefs steht allerdings eine weitere Personalentscheidung, welche die thailändischen Führung für den unruhigen Süden getroffen hat: Zum neuen Chefunterhändler für die bislang ergebnislosen Friedensgespräche zwischen Regierung und muslimischen Rebellen - bei denen Malaysia eine Vermittlerrolle spielt - wurde der frühere Armeekommandeur Udomchai Thammasarorat bestimmt. Mitte Oktober ernannte Militärmachthaber Prayut Chan-ocha ihn zum "Leiter der Friedensverhandlungen im tiefen Süden" und zum Berater der Militärführung im Süden.

Udomchai gilt als skrupelloser Rebellenjäger. Er war Regionalchef einer Militärbasis, welche mit tödlichen Foltermethoden Schlagzeilen machte. Trotz belastenden Beweisen von lokalen Aktivisten dementiert er die Anschuldigungen bis heute. Der Experte Don Pathan sieht pessimistisch in die Zuklunft: "Die neue Führungsriege im tiefen Süden dient leider nicht der Friedensförderung, sondern vielmehr der Machtsicherung der regierenden Junta in Bangkok."

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