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Politik

Daumenschrauben gegen Regime in Belarus

Barbara Wesel
21. Juni 2021

Die EU-Außenminister verständigen sich auf neue Sanktionen gegen Belarus: Neben der Listung von weiteren Unterstützern des Regimes werden Maßnahmen gegen sieben Wirtschaftsbereiche verhängt.

Treffen der EU-Außenminister Jean Asselborn und Heiko Maas
Treffen der EU-Außenminister Jean Asselborn und Heiko Maas: Einiges Handeln Bild: Johanna Geron/dpa/picture alliance

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wird in der EU besonders wegen seiner Offenheit geschätzt. Er sagt so knackige Sätze wie: "Stalinismus und Staatsterror haben keinen Platz mehr im 21. Jahrhundert." Und zu den jetzt verhängten Wirtschaftssanktionen gegen das Regime in Belarus betont er, dass sie "wehtun" sollten.

Die EU zeige mit ihrem Beschluss vom Montag, das sie könne, wenn sie wolle - ein Hinweis auf den Vorwurf zahnloser Zögerlichkeit, der europäischer Außenpolitik häufig gemacht wird. Diesmal aber kann der Luxemburger mit der Einigkeit und Bereitschaft zum Handeln bei seinen Kollegen zufrieden sein. 

Maßnahmen gegen zentrale Wirtschaftsbereiche

Exportverbote und Blockaden richten sich jetzt gegen sieben Wirtschaftsbereiche, die von Staatsunternehmen beherrscht werden und die nach Einschätzung der EU zum Erhalt des Lukaschenko-Regimes beitragen. So sollen Exporte der Kali- und Düngemittelindustrie gestoppt werden, die zu den wichtigsten Ausfuhren des Landes gehören. Belarus ist der weltweit zweitgrößte Exporteur von Pottasche.

Betroffen sind weiter der petrochemische Sektor, Tabakexporte, Finanzdienstleistungen und Dual-use Güter, die vom bestehenden Waffenembargo noch nicht umfasst wurden, wie etwa Überwachungstechnologie. Mit Einreise- und Vermögenssperren sollen zudem Vertreter der belarussischen Führung bestraft werden, die für die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs verantwortlich sein sollen. Insgesamt soll dies rund 160 Personen betreffen. 

EU-Sanktionen gegen Belarus

02:38

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Bundesaußenminister Heiko Maas zeigte sich nach dem Treffen sehr zufrieden: "Die EU hat geliefert." Die neuen sektoralen Sanktionen würden die Wirtschaft in Belarus empfindlich treffen, weil sie gegen Staatsunternehmen gerichtet seien, die das Regime finanzieren. "Sie sollen ausgetrocknet werden", fügte Maas hinzu.

Der litauische liberale Politiker und Mitglied im Europaparlament, Petras Auštrevičius, glaubte, dass mit der Verabschiedung der Maßnahmen eine "sehr starke und sogar rechtzeitige Botschaft an Lukaschenkos Regime" ausgehe. Zugleich erwarte er, dass "die EU mehr Wege finden wird, die belarussische Zivilgesellschaft zu unterstützen, die unsere Unterstützung so sehr braucht", sagte er der DW. 

Alle sind im Boot, auch Österreich

In der vergangenen Woche schien es bei den Verhandlungen der EU-Botschafter in Brüssel bei der Vorbereitung der Sanktions-Beschlüsse noch einige Widerstände zu geben. Besonders Österreich soll sich als Blockierer gezeigt haben. Nach entsprechenden Berichten aber dementierte jetzt Außenminister Alexander Schallenberg, dass es jemals Absicht seiner Regierung gewesen sei, sich gegen die Wirtschaftssanktionen zu stellen. Im Gegenteil, Österreich zeige "klare Kante" etwa bei den Sanktionen in der Luftfahrt. "Nach diesem rücksichtslosen Akt staatlicher Luftpiraterie müssen wir (dem Regime in Minsk) jetzt die Daumenschrauben anziehen."

Natürlich wolle man nicht die Zivilgesellschaft in Belarus mit den neuen Wirtschaftssanktionen treffen und keine kleinen Privatfirmen sondern nur staatsnahe Unternehmen. Die Berichte, wonach sein Land gegen die Maßnahmen stimmen wolle, seien aber einfach "nicht zutreffend", so Schallenberg. Er gab auch zu bedenken, dass die Sanktionen gerichtsfest sein müssten, weil der EuGH schon öfter zur Überprüfung angerufen wurde.

Hintergrund ist hier, dass Österreich besonders stark in Belarus engagiert ist und etwa 80 heimische Unternehmen von den Sanktionen betroffen seien. Die Alpenrepublik ist nach Russland der größte Auslandsinvestor, 80 Prozent der ausländischen Kredite in Belarus stammen von österreichischen Banken, insbesondere einer Raiffeisen-Tochter und die Telekom in Belarus wird von der A1 Austria betrieben. Von allen EU-Ländern dürfte also Österreich am meisten von den Kosten der Sanktionen betroffen sein.

EU spricht endlich "die Sprache der Macht"

Statt symbolischer Nadelstiche gebe es jetzt endlich "ernsthafte Sanktionen", erklärte der außenpolitische Sprecher der Grünen im EP, Reinhard Bütikofer. Nach der beispiellosen Provokation durch die Entführung einer Verkehrsmaschine von Athen nach Vilnius sei es höchste Zeit, dass die EU deutlich werden müsse, um keine Nachahmer einzuladen.

Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, gilt als letzter Diktator Europas Bild: Sergei Shelega/POOL BelTA/AP/dpa/picture-alliance

Natürlich gebe es Sanktionen auch für EU-Mitgliedsländer nicht zum Nulltarif: "Man kann kein Omelette zubereiten, ohne Eier zu zerschlagen." Außerdem seien die jetzt verhängten Maßnahmen noch nicht das Ende der Fahnenstange. Der Europapolitiker nennt den Ausschluss von Belarus vom Swift-Zahlungsverkehr als weiteren möglichen Schritt gegen das Regime in Minsk. Insgesamt aber zeigte sich Bütikofer zufrieden, dass die Europäer endlich "die Sprache der Macht" sprechen, die bisher nur zitiert worden sei.

Bei einem Treffen mit den EU-Außenministerin am Morgen warnte Exil-Oppositionsführerin Svetlana Tichanovskaja davor, dass die Regierung in Belarus versuchen könnte, durch den Austausch einzelner politischer Gefangener mit den Europäern Geschäfte zu machen. Und um auf die Gefahren für die Demokratiebewegung hinzuweisen, zeigte sie ihnen ein Geschoss, das aus der Lunge eines jungen Aktivisten entfernt wurde, der bei den Demonstrationen von Lukaschenkos Polizisten verletzt worden war.

Tichanovskaja hatte seit langem stärkere Sanktionen gegen das Regime in Minsk gefordert und zeigte sich nach dem Beschluss vom Montag zufrieden. Auch London und Washington sowie die kanadische Regierung würden sich den neuen Maßnahmen der EU anschließen, so wurde am Nachmittag mitgeteilt. Damit erreichen die Sanktionen in jedem Fall noch größere Durchschlagskraft.

Die EVP im Europaparlament fordert unterdessen ein internationales Tribunal gegen Alexander Lukaschenko wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Fraktionsführer Manfred Weber erinnert an einen weiteren Erpressungsversuch durch das Regime in Minsk, das illegale Zuwanderer über die Grenze nach Litauen schicke um Vilnius unter Druck zu setzen. Er "unterstütze die Mobilisierung von Frontex Personal" in diesem Fall, so Weber auf Twitter, Lukaschenko könne nicht entscheiden wer nach Europa dürfe.

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