Bisher ist David Adjaye ein weltweit gefeierter Architekt. Nun sieht sich der Brite Vorwürfen sexueller Übergriffe ausgesetzt.
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Die Architekturwelt ist alarmiert, seit die britische Zeitung "Financial Times"am Dienstag (04.07.2023) über Vorwürfe dreier Frauen berichtete, die früher für den international renommierten Architekten arbeiteten. Sie reichen von jahrelangen sexuellen Übergriffen bis hin zu Belästigungen. In offenbar wochenlanger, kleinteiliger Recherche hat die "Financial Times" die Vorwürfe der drei ungenannt bleibenden Frauen überprüft. Reporter des Blatts sprachen mit Freunden, Verwandten, Kolleginnen und Kollegen der drei Frauen.
Die Frauen beschuldigen Adjaye und seine Firma verschiedener Formen der Ausbeutung. Neben sexuellen Übergriffen und sexueller Belästigung in den späten 2010er-Jahren soll es in den Büros eine "toxische Arbeitskultur” gegeben haben. "Alle Frauen haben gemeinsame Merkmale", schreibt das Blatt. "Sie waren alle schwarze Frauen in ihren Vierzigern, als der angebliche Missbrauch stattfand, und sind alleinerziehende Mütter, die beruflich gut vernetzt sind und aus einflussreichen Familien stammen." Alle drei kannten Adjaye bereits vor ihrer Anstellung und hatten gemeinsame Freunde und Bekannte mit ihm. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe im Wesentlichen zurück.
"Anschuldigungen unwahr"
Die Frauen klagen heute über psychische Probleme, verpasste Karrierechancen und finanzielle Schwierigkeiten. Auf Nachfrage der Deutschen Welle bestritt Adjaye die Vorwürfe erneut. "Ich weise alle Behauptungen über sexuelles Fehlverhalten, Missbrauch oder kriminelles Fehlverhaltens zurück”, teilte sein Büro in London mit. "Diese Anschuldigungen sind unwahr, für mich und meine Familie erschütternd und stehen im Widerspruch zu allem, wofür ich stehe." Er schäme sich zu sagen, dass er sich auf Beziehungen eingelassen habe, die zwar völlig einvernehmlich gewesen seien, "aber die Grenzen zwischen meinem beruflichen und Privatleben verwischt haben. Das tut mir zutiefst leid."
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Nach den Berichten über sexuelles Fehlverhalten lässt der Stararchitekt seinen Posten als Berater des Londoner Bürgermeisters und seine Arbeit an einem geplanten Holocaust-Mahnmal in der britischen Hauptstadt ruhen. Adjaye trat auch von seinem Amt im Vorstand der renommierten Serpentine Galleries für zeitgenössische Kunst in London zurück.
Steile Karriere
Sir David Adjaye gehört zu den Großen seiner Zunft. Er ist Träger der Goldmedaille des Royal Institute of British Architects. Queen Elizabeth II hob den Sohn ghanaischer Eltern, der in Großbritannien aufwuchs, 2017 in den Adelsstand. Mit dem National Museum of African American History and Culture in Washington festigte Adjaye seinen Ruf als einer der einflussreichsten Architekten unserer Zeit. Sein Büro "Adjaye Associates” mit Sitz in London, New York und Accra wurde mit dem Entwurf des neuen Holocaust-Mahnmals im Vereinigten Königreich beauftragt. Adjaye soll die Nationalkathedrale Ghanas in Accra und ein Museum für westafrikanische Kunst in Benin City in Nigeria bauen. Er gilt als Hoffnungsträger für die Architektur in Afrika.
Entwürfe für Kunstbauten
Erst 2015 hatte das Münchener Haus der Kunst dem Architekten eine große Überblicksschau gewidmet. Auf der Kunstbiennale in Venedig baute Adjaye 2015 im Hauptpavillon eine Theaterarena, in der aus Karl Marx' "Kapital" vorgelesen wurde. Adjaye kuratierte 2019 auch den ersten ghanaischen Pavillon der Kunstbiennale.
Innovative Architektur aus Afrika
Schwimmende Schule statt Betonklotz: Eine neue Generation afrikanischer Architekten baut mit Lehm und Holz statt mit Stahl und Zement. Traditonelle Bauweisen mit modernster Technik prägen die "Afritecture".
Bild: Architekturmuseum TUM
Boot statt Schulbus
Kinder im nigerianischen Makoko müssen seefest sein, wenn sie zur Schule wollen. Denn die schwimmt seit März 2013 mitten in der Lagune der Hauptstadt Lagos. Die "schwimmende Schule" ist ein Beispiel für "Afritecture". Dabei verzichten Architekten auf westliche Baukonzepte und greifen auf traditionelle Techniken und Rohstoffe wie Holz zurück.
Bild: Iwan Baan
Schwimmen gegen den Klimawandel
Ein Modell von Makokos schwimmender Schule ist in einer Ausstellung des Münchner Architekturmuseums zu sehen. In Makoko stehen die Häuser auf Pfählen im Wasser, doch wegen des Klimawandels werden sie immer häufiger überschwemmt. Die Lösung des nigerianischen Architekten Kunlé Adeyemi: Die Häuser lernen schwimmen - als erstes ist die Schule dran.
Bild: Architekturmuseum TUM
Sinn für die Gemeinschaft
Die Gemeinschaft der Menschen spielt eine wichtige Rolle bei allen Afritecture-Projekten. Ob Schule oder Krankenhaus, die Gebäude sollen von vielen Menschen genutzt werden. Ein Fokus: Bildung. Mitten im Township Red Location bei Port Elizabeth wurde zum Beispiel ein Kulturzentrum errichtet. Von 1998 bis 2012 entstanden neben den Hütten der Bewohner ein Museum, eine Galerie und eine Bibliothek.
Bild: Iwan Baan
Gemeinsam ans Werk
Oft beteiligen sich die Menschen vor Ort auch schon beim Bau: Diese Handwerkerschule im kenianischen Malaa errichteten die Einwohner gemeinsam mit deutschen Studenten. Die Schule wurde in Deutschland konzipiert. Bei den meisten Projekten, die die Ausstellung zeigt, stammen die Entwürfe hingegen von einheimischen Architekten.
Bild: Fachgebiet Holzbau der TU München
Lehmziegel statt Klimaanlage
Zum Beispiel von Francis Keré aus Burkina Faso. Mit dem verstorbenen Regisseur Christoph Schlingensief konzipierte er in seinem Heimatland ein Operndorf. 2013 fertig gestellt: die Krankenstation. Keré nutzt vor allem den traditionellen Baustoff Lehm. Der Vorteil: Lehmziegel sind billig, leicht zu produzieren und machen Klimaanlagen überflüssig. Tagsüber speichern sie Wärme und geben sie nachts ab.
Bild: CC BY-ND 3.0
Den Wind fangen
Eine Kinderklinik in Port Sudan nutzt eine Technik aus dem Iran, um die Räume kühl zu halten: Bādgire, das heißt auf Deutsch "Windfänger". Das Gebäude fängt den Wind ein und leitet ihn erst in die kühlen Keller, bevor er schließlich die Zimmer belüftet. Außerdem soll die Sonne draußen bleiben: Öffnungen in den Mauern gibt es fast nur auf der Schattenseite.
Bild: Courtesy Massimo Grimaldi and Emergency ngo
Häuser wie Hügel
Afritecture-Bauten orientieren sich häufig an ihrer direkten Umwelt: Für dieses Ausstellungszentrum im südafrikanischen Mapungubwe-Nationalpark entwarf der Johannesburger Architekt Peter Rich mehrere gewölbte Pavillons. Wie Hügel fügen sie sich in die Landschaft ein, perfekt getarnt durch Steine aus der Umgebung, die auf den Dächern verteilt wurden.
Bild: Robert und Peter Rich
Gegen die Betonburgen
28 Projekte aus Ländern wie Kenia, Nigeria oder Burkina Faso sind in München zu sehen. Sie versuchen, der rasanten Verstädterung Herr zu werden, ohne wie viele afrikanische Großprojekte nur Hochhäuser zu bauen. Die Afritecture-Projekte orientieren sich an den Bautraditionen und den Bedürfnissen der Menschen vor Ort. Damit bieten sie der afrikanischen Architektur eine eigene kulturelle Perspektive.
Bild: Architekturmuseum TUM
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Einen großen Namen machte sich Adjaye mit seinen Entwürfen für mehrere Kunstbauten, darunter das Museum of Contemporary Art Denver und das Ausstellungshaus der Aishti Foundation im Libanon. Zur Einweihung des National Museum of African American History and Culture in Washington, dem Höhepunkt seiner Karriere, kam sogar der damalige US-Präsident Barack Obama.