1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Davos 2019: Die neue Sicht auf China

Andreas Becker z. Z. in Davos
24. Januar 2019

In Davos sprach sich Chinas Vizepräsident für Freihandel und Zusammenarbeit aus. Einige glauben jedoch, dass es noch Jahrzehnte dauern kann, bis die Handelskonflikte mit China wirklich gelöst sind.

Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos | Wang Qishan, Vizepräsident China
Chinas Vizepräsident Wang QishanBild: Reuters/A. Wiegmann

Seit einem Jahr hält der eskalierende Handelsstreit zwischen den USA und China die Welt in Atem. Derzeit verhandeln die beiden größten Volkswirtschaften über eine Lösung, und die Hoffnung war groß, dass ein hochrangiges Treffen in Davos zur Entspannung beitragen könnte.

Daraus wurde nichts, denn US-Präsident Donald Trump und seine Minister sagten ihre Teilnahme wegen der Haushaltssperre in Washington kurzfristig ab.

China dagegen ist in diesem Jahr mit der größten Delegation vertreten, seitdem das Land vor 40 Jahren erstmals Vertreter nach Davos schickte, angeführt von Vizepräsident Wang Qishan.

Gemeinsam Kuchen backen

Wang nutzte seinen Auftritt für ein deutliches Bekenntnis zu globalem Handel, offenen Märkten und internationaler Zusammenarbeit.

"Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, den Kuchen größer zu machen und gerechter zu verteilen", sagte Wang mit Bezug auf den Welthandel. "Was wir dagegen nicht tun sollten, ist, mit dem Kuchenbacken aufzuhören."

Wang führte damit fort, was Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Auftritt in Davos vor zwei Jahren begonnen hatte. Der hatte sich ebenfalls deutlich für freien Handel und Multilateralismus ausgesprochen und dafür viel Zuspruch erhalten.

Seit dem Ausbruch des Handelskonflikts mit den USA vor einem Jahr ist allerdings viel passiert. Der Streit hemmt das Wachstum. Vor allem aber hat sich der Blick des Westens auf die Wirtschaftsmacht China verändert. Inzwischen wird mehr darüber gesprochen, dass China noch immer Teile seiner eigenen Wirtschaft vor internationalem Wettbewerb schützt, etwa im Finanzsektor.

Von der Werkbank zum Wettbewerber

Dank Chinas kaufkräftiger Mittelschicht ist das Land auch für westliche Firmen zunehmend interessant. Der Autobauer Volkswagen etwa verkauft dort jedes zweite Auto. Auch US-Firmen wollen in China nicht mehr nur günstig für den Weltmarkt produzieren, sondern einen Platz auf dem riesigen chinesischen Markt erobern.

"Jetzt klagen diese Firmen über Zugangsbeschränkungen in China", sagt der Ökonom Rhaguram Rajan, Vizechef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. "Ein Teil der geopolitischen Spannungen resultiert also aus den Spannungen zwischen den Unternehmen."

Denn viele chinesische Firmen sind inzwischen starke Wettbewerber. Der Telekom-Ausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei ist ein Beispiel, aber auch die Firma, die Ning Gaoning leitet. Er steht an der Spitze der staatlichen Chemiefirma Sinochem, die bald - ebenfalls unter seiner Führung - mit Chemchina zu einem 120-Milliarden-Dollar-Giganten fusioniert.

Als der Roboterbauer Kuka von Chinesen gekauft wurde, wuchs in Deutschland die SkepsisBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Ziemlich verwirrt"

Vor einigen Jahren noch konnte Ning auch in den USA große Zukäufe machen. Das wäre jetzt nicht mehr möglich. "Wir sehen ja alle, wie die Lage heute ist", sagte Ning in Davos. "Chinesische Firmen werden sicher weniger im Ausland investieren."

"Die Chinesen sind gerade ziemlich verwirrt", so Ning. Ihre eigene Wirtschaft habe sich auch dank der Investitionen aus dem Ausland so gut entwickelt. "Die Chinesen dachten daher, dass auch sie willkommen sind, wenn sie jetzt im Ausland investieren. Doch jetzt müssen sie feststellen, dass das nicht mehr stimmt."

Auch die deutsche Regierung kann seit einer Gesetzesänderung Firmenkäufe nun leichter unterbinden - eine Reaktion auf die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch die chinesische Midea-Gruppe 2016.

China als Tech-Macht

In Europa kommt noch die Angst hinzu, bei neuen Technologien den Anschluss zu verlieren. "Keine der zehn größte Tech-Firmen kommt aus Europa, der Markt wird von großen Plattformen in den USA und China beherrscht", sagte Martina Larkin vom WEF bei der Vorstellung eines neuen Berichts zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit.

Vor allem in Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz (KI) hängen die Europäer hinterher. "Sie müssen hier wirklich zulegen", so Larkin.

Viel Zeit bleibt ihnen nicht, denn China legt bei der Künstlichen Intelligenz ein gewaltiges Tempo vor. "Das Business dort explodiert geradezu", sagte Stephan Schwarzman, Chef der einflussreichen US-Investmentfirma Blackstone. "Es gibt endlos viele Ideen für neue KI-Unternehmen. China hat zudem die gewaltigen Datenmengen, die dazu benötigt werden. Das ist der Start einer Revolution."

Künstliche Intelligenz? Ende 2018 präsentierte ein chinesischer Sender seinen virtuellen NachrichtensprecherBild: Getty Images/AFP/N. Asfouri

Ein langer Prozess

Technologie, Marktmacht, Arbeitsplätze und Wohlstand - das sind die Themen, die den politischen Konflikt mit China speisen. Die Europäer setzen noch auf Zusammenarbeit, die USA versuchen es mit Konfrontation.

"Es wird beim Handel Anpassungen geben müssen", glaubt Schwarzmann. Wie lange dieser Anpassungsprozess dauern wird, sei schwer zu sagen. "Das braucht Zeit, vielleicht sogar Jahrzehnte."

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen