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KonflikteUkraine

Davos: Ukraine-Krieg länger mit weniger Hilfe, so Selenskyj

16. Januar 2024

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte beim Weltwirtschaftsforum entschiedene westliche Unterstützung für sein Land im Krieg gegen Russland. Dazu kündigt er eine Friedenskonferenz an.

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, spricht in Davos beim Weltwirtschaftsforum
Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, warb beim Weltwirtschaftsforum in Davos um Unterschützung für sein LandBild: Denis Balibouse/REUTERS

Wolodymyr Selenskyj hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos um westliche Unterstützung geworben, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden zu können. "Wir müssen die Lufthoheit für die Ukraine erringen", sagte der ukrainische Präsident in einem Konferenzsaal in dem Schweizer Skiort.

"Das können wir schaffen, genau wie wir die Vorherrschaft im Schwarzen Meer gewonnen haben. Die Partner wissen, was und wie viel wir brauchen", sagte Selenskyj.

"Alle, die glauben, hierbei gehe es nur um die Ukraine, liegen fundamental falsch", trug Selenskyj auf Englisch vor: "Mögliche Ziele und sogar Zeitleisten einer neuen russischen Aggression jenseits der Ukraine werden immer klarer."

"Putin ist ein Raubtier, das sich nicht mit Tiefkühlkost zufrieden gibt"

Zugleich warf er dem Westen vor, in der Vergangenheit zu lange gezögert zu haben. Stets habe gegolten, die Auseinandersetzung mit Russland unter Präsident Wladimir Putin nicht eskalieren zu lassen.

Selenskyj erinnerte an Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014, dessen Beteiligung am Bürgerkrieg in Syrien sowie an russische Aktivitäten in afrikanischen Ländern.

"Nach 2014 gab es Versuche, den Krieg im Donbass einzufrieren", sagte Selenskyj. "Aber Putin ist ein Raubtier, das sich nicht mit Tiefkühlkost zufrieden gibt."

Der Grundsatz, nicht zu eskalieren, habe sogar noch nach dem Beginn der russischen Invasion 2022 gegolten. Denn die EU habe sich gegen Sanktionen auf Güter entschieden, die über die russische Exklave Kaliningrad durchgeleitet würden.

Nichts habe der Koalition der Unterstützer mehr geschadet als dieser Grundsatz, sagte Selenskyj. Wegen dieses Nicht-Eskalierens seien ukrainische Soldaten getötet und Möglichkeiten verspielt worden.

"Putin verkörpert Krieg", sagte Selenskyj. "Er wird sich nicht ändern ... wir müssen uns ändern - um sicherzustellen, dass der Wahn in seinem Kopf oder im Kopf eines jeden anderen Aggressors nicht obsiegt."

Das Medieninteresse an Selenskyj war groß - hier mit Konferenzleiter Klaus SchwabBild: Manuela Kasper-Claridge/DW

Selenskyj dankte für die bisherigen Lieferungen an seine Armee und drängte auf weitergehende Unterstützung. "Jede Reduzierung verlängert den Krieg, während jede Investition in den Verteidiger ihn verkürzt. Der Krieg wird mit einem gerechten und stabilen Frieden enden." Er wünsche sich die Anwesenden als Teil dieses jetzt beginnenden Weges zum Frieden, sagte der Präsident.

Selenskyj beklagt lückenhafte Sanktionen gegen Russland

Mit Blick auf westliche Sanktionen gegen Russland zeigte sich Selenskyj zwar dankbar. Er forderte jedoch, dass diese zu 100 Prozent wirksam sein müssten.

"In jeder russischen Rakete sind nach wie vor kritische Bauteile aus westlichen Ländern." Auch sei es ein Fehler des Westens, dass die russische Nuklearindustrie weiter im Geschäft sei - und das, obwohl Russland das einzige Land der Welt sei, das ein Atomkraftwerk als Geisel genommen habe. Gemeint ist das größte AKW Europas in Saporischschja, das kurz nach Kriegsbeginn von russischen Truppen eingenommen wurde und inzwischen sogar vermint worden sein soll.

Das Atomkraftwerk Saporischschja ist von Russland besetzt - hier ein Bild aus dem Mai 2022Bild: Andrey Borodulin/AFP

Selenskyj beschwor die Stärke der Ukraine und erinnerte daran, dass die Wirtschaft 2023 trotz des Kriegs gewachsen sei. Außerdem habe sein Land erste Schritte in Richtung eines EU-Beitritts unternommen.

"Nur unsere Menschen und Ihre Investitionen können die Wirtschaft weiter stärken", sagte er in Richtung der in Davos anwesenden Vertreter westlicher Unternehmen. "Wir brauchen normale Investitionen von berechenbaren, transparenten Firmen. Stärken Sie unsere Wirtschaft, dann stärken wir Ihre Sicherheit."

Am Montag war Selenskyj in der Schweizer Hauptstadt Bern mit Präsidentin Viola Amherd zusammengetroffen. Beide vereinbarten die Organisation eines "Friedensgipfels". In Davos sagte Selenskyj, jeder Anführer, der das internationale Recht respektiere, solle sich anschließen. "Frieden muss die Antwort sein."

Bröckelnde Unterstützung in Europa

Das ukrainische Militär ist im Kampf gegen die russische Invasion in den vergangenen Monaten immer weiter in die Defensive geraten. Als Hauptproblem gilt ein Mangel an Munition und Abwehrraketen, aber auch verschlissenes Gerät.

Der Nachschub aus dem Westens gilt als zunehmend gefährdet: Weniger als ein Jahr vor der Wahl in den USA gerät Präsident Joe Biden in Auseinandersetzung mit dem republikanisch dominierten Repräsentantenhaus, das keine weiteren Militärhilfen bewilligen will. Außenminister Antony Blinken sagte Selenskyj in Davos eine Fortsetzung zu und versprach enge Zusammenarbeit mit dem US-Kongress.

Dieses Hotel in Charkiw wurde in der vergangenen Woche von einer russischen Rakete getroffenBild: State Emergency Service of Ukraine/REUTERS

Auch in Europa bröckelt die Unterstützung spätestens seit der Wahl des Russland-freundlichen Populisten Robert Fico zum Ministerpräsidenten der Slowakei im Oktober. Sein ebenfalls Russland-freundlicher ungarischer Amtskollege Viktor Orban hatte im Dezember Milliardenhilfen der EU verhindert.

Im Gegensatz dazu hatte Deutschland als wichtigster europäischer Geldgeber seine Zusagen für 2024 auf acht Milliarden Euro verdoppelt. Allerdings steht Bundeskanzler Olaf Scholz bei Teilen von Koalition und Opposition in der Kritik, weil er seit Monaten die vielfach erbetene Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern blockiert. Die größte Oppositionspartei, die konservative Union, will nun per Entschließungsantrag im Bundestag den Druck erhöhen.

Zuletzt hatte Großbritannien ein milliardenschweres Hilfspaket angekündigt. Bei einem Besuch in Kiew hatte Premierminister Rishi Sunak auch Sicherheitsgarantien bis zu einer Aufnahme der Ukraine in die NATO in Aussicht gestellt, wie sie bereits die G7 ausgesprochen hatten.

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