DAX-Konzerne forcieren US-Lobbyarbeit
28. Mai 2018Blendende Zeiten für Wirtschaftsunternehmen in den USA. Die Deregulierungspolitik der Trump-Regierung und des republikanisch geführte Kongresses bietet Konzernen nun die Möglichkeit, sich früheren staatlichen Reglementierungen zu entziehen. Die staatliche Aufsicht und Regulierung vergangener Jahre hat deutlich abgenommen.
Das beste Beispiel dafür, wie die Industrie Einfluss auf die Trump-Regierung nimmt, ist wohl das der eigentlich unabhängigen Umweltschutzbehörde (Environmental, Protection Agency, EPA). Diese wird inzwischen von Scott Pruitt geleitet. Pruitt ist ein Leugner des Klimawandels und war jahrelang Anwalt und Lobbyist großer US-Ölmultis. Pruitt wird immer wieder Korruption vorgeworfen. So hat er unter anderem sehr günstig in Washington eine Wohnung von einem Mann gemietet, dem er 2017 eine Genehmigung für eine umstrittene Ölpipeline erteilt hatte. Derzeit laufen 14 weitere offizielle Untersuchungen gegen den EPA-Boss.
Angesichts einer solch unternehmerfreundlichen Stimmung in den USA ist es nicht verwunderlich, dass Industrielobbyisten und Unternehmen ihre Anstrengungen verstärken, um ihre Interessen in den jeweiligen staatlichen Stellen und im Kongress voranzubringen - so lange diese Möglichkeit noch besteht.
"Guter Zeitpunkt, um sich den Vorschriften zu entziehen"
„Wenn Sie ein Unternehmer sind und mit Vorschriften zu tun haben, die für sie nicht vorteilhaft sind, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt, auf eine Änderung der Regularien zu drängen", sagt Daniel Schuman, politischer Direktor von Demand Progress, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Washington.
Aber nicht nur die amerikanischen Unternehmen haben die Botschaft verstanden, die die Trump-Regierung mit ihrem laxen Umgang mit Regulierungen aussendet: Auch einige von Deutschlands größten börsennotierten Unternehmen haben das erste Trump-Jahr genutzt und ihre Lobbyarbeit bei der US-Regierung intensiviert.
Zusammen gaben sie im Jahr 2017 offiziellen Angaben zufolge rund 42 Millionen Dollar (ca. 35 Millionen Euro) aus. Das sind 7,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der beteiligten Lobbyisten stieg von 297 im Vorjahr auf 356 im Jahr 2017. Nur sieben der im DAX vertretenen Unternehmen meldeten kein US-Lobbying, darunter der Energieversorger RWE, der Konsumgüterhersteller Beiersdorf und die Deutsche Börse.
Bayer-Monsanto-Lobbyismus
Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Bayer. Seit 2003 platziert das Leverkusener Unternehmen konsequent seine Lobbyisten im Umkreis der US-Regierung. Allein im vergangenen Jahr gab der deutsche Arzneimittelhersteller dafür 10,5 Millionen Dollar aus.
Damit ist Bayer mit großem Abstand Spitzenreiter unter den deutschen Konzernen. Bayer, das sich im vergangenen Jahr mit einem langwierigen Übernahmeverfahren für das US-amerikanische Chemie- und Saatgutunternehmen Monsanto befand, investierte 2017 14 Prozent mehr in Lobbyarbeit als noch ein Jahr zuvor. Die Zahl der für Bayer tätigen Lobbyisten erhöhte sich zeitgleich von 46 auf 54. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, steht der Konzern nun unmittelbar davor, die US-Freigabe für die Milliardenübernahme von Monsanto zu erhalten.
Bayers Stimme wird gehört
Ganz oben auf der Agenda der Bayer-Lobbyisten steht auch die gesetzliche Zulassung von Neonikotinoiden. Dies sind Insektizide, die erst kürzlich in der EU verboten wurden, da sie wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge für das vermehrte Bienensterben verantwortlich sein sollen. In den USA befasst sich nun die Behörde von Klimawandelleugner Scott Pruitt mit dem Fall der Neonikotinoide. Auch im Umfeld der EPA hat Bayer Lobbyisten installiert.
Auch in Fragen der Deregulierung von Biotechnologie und der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel sind Bayer-Lobbyisten aktiv. Konkreten Fragen zum verstärkten Lobbying weicht Bayer jedoch aus. Stattdessen informierte das Unternehmen auf Anfrage der Deutschen Welle mit diesem Einzeiler: "Bayer ist stolz darauf, sich aktiv am politischen Prozess in den USA zu beteiligen, damit auch unsere Stimme gehört wird."
Telekom: Lobbyarbeit im Weißen Haus
Aber nicht nur der oftmals umstrittene Pharma- und Chemiesektor setzt seine Spin-Doktoren in Washington ein. Die Deutsche Telekom, der unter den DAX-Unternehmen zweitgrößte Geldgeber für Lobbyarbeit in den USA, hat im vergangenen Jahr ihre Lobbying-Investitionen in den USA um drei Prozent auf 8,3 Millionen Dollar erhöht. Das Unternehmen, zu dem auch die Tochtergesellschaft T-Mobile USA gehört, visiert eine Fusion mit dem US-Handykonkurrenten Sprint an.
Unklar ist aber, ob die Kartellbehörden der Fusion, die 2014 schon einmal an wettbewerbsrechtlichen Bedenken scheiterte, diesmal genehmigen. Neben dem US-Justizministerium müssen dem Düsseldorfer Handelsblatt zufolge auch die Rundfunk-Regulierungsbehörde FCC, alle Bundesstaaten, die Sicherheitsbehörden und nicht zuletzt das Weiße Haus zustimmen, schreibt das Handelsblatt.
Da verwundert es kaum, dass die Deutsche Telekom ihre Lobbying-Mitarbeiter von 67 im vergangenen Jahr auf 76 aufgestockt hat. Aber auch die Telekom will keine Stellungnahme zu ihren Lobbyingpraktiken in den USA abgeben. Wie das Manager-Magazin berichtet, berät nun der frühere Wahlkampfchef von US-Präsident Donald Trump, Corey Lewandowski, den Mobilfunkanbieter T-Mobile US bei der geplanten Milliarden-Fusion mit dem Rivalen Sprint. Das bestätigte ein Sprecher der Telekom-Tochtergesellschaft dem "Wall Street Journal".
Unter den Top-Lobbyisten der deutschen börsennotierten Unternehmen findet sich auch Siemens wieder. Der Hauptkonkurrent des US-Konzerns General Electric steigerte seine Lobbying-Ausgaben im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf 4,1 Millionen Dollar. In einer Erklärung gegenüber der DW ging auch Siemens nicht auf konkrete Fragen zu seinen verstärkten Lobbying-Bemühungen in den USA und seinem Lobbying gegenüber dem Weißen Haus ein. Das Unternehmen teilte lediglich mit, sowohl firmeninterne Lobbyisten als auch vier Beratungsfirmen einzusetzen. Zudem würde Lobbyarbeit nicht erst seit der Ära Trump betrieben.
Tarife, Handelskrieg und Unvorhersehbarkeit
Klar ist für die Unternehmen neben jeder Lockerung der gesetzlichen Einschränkungen aber auch, dass es eine Kehrseite der Medaille gibt. Global ausgerichtete Unternehmen müssen sich mit einem Präsidenten auseinandersetzen, der auf Protektionismus setzt und als unberechenbar gilt. Ein möglicher Handelskrieg schwelt über allem. "Die Regierung Trump und der Kongress handeln nicht vorhersehbar. Einige Leute würden auch sagen, nicht rational", sagt Daniel Schuman von Demand Progress. "Sie handeln impulsiv und denken nicht über die Folgen ihres Verhaltens nach. Dadurch wird es umso wichtiger, dass man als Branchenvertreter dabei sein muss, wenn die Entscheidungen getroffen werden. Wenn sie ein großes Unternehmen führen, können Sie es sich fast nicht leisten, keinen Lobbyismus zu betreiben", so Schuman. "Das Risiko wäre einfach zu groß."