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Kunst

DDR-Kunst geht weit über "Staatskunst" hinaus

5. September 2019

Der Düsseldorfer Kunstpalast zeigt die Vielfalt der DDR-Malerei. 30 Jahre nach dem Mauerfall erinnert die Schau daran, dass neben der regimetreuen "Staatskunst" auch experimentelle, abstrakte Kunst in der DDR entstand.

Eine Bäuerin zähmt einen roten Stier
Bild: Nachlass Elisabeth Voigt/bpk/Museum der bildenden Künste Leipzig

Mit aller Kraft versucht eine junge Bäuerin, einen wutschnaubenden Bullen zu zähmen. Die Leipzigerin Elisabeth Voigt (1893-1977) hat ihr Bild "Der Rote Stier" genannt und in ausdrucksstarken Farben gemalt. Das im Westen nie zuvor gezeigte Gemälde markiert den Auftakt zur Ausstellung "Utopie und Untergang - Kunst in der DDR". Vier Monate lang, bis zum 5. Januar, will der Düsseldorfer Kunstpalast einen Überblick über das Kunstschaffen im SED-Staat geben, von den Nachkriegsjahren bis zum Mauerfall. Dabei fokussiert die Schau auf Malerei und damit das wichtigste Medium bildender Künstler in der DDR.

An den Wänden hängen rund 130 Gemälde und Papierarbeiten von 13 Malern. Sie gehören unterschiedlichen Malergenerationen an, die unterschiedlichste Malstile pflegten und jeweils sehr eigene künstlerische Positionen entwarfen. Längst nicht alle waren über die DDR-Grenzen hinaus bekannt: der Dresdner Hermann Glöckner (1889-1987) etwa, dessen mal bunte, mal reduziert farbigen, jedoch immer abstrakten Tableaus den Informellen des Westens in nichts nachstanden. Oder Carlfriedrich Claus (1930-1998), der einer Buch- und Kunsthändlerfamilie entstammte, seit den 1950er Jahren mit Sprache und Schrift experimentierte und dessen "Sprachblätter" souverän komplexe Schrift- und Zeichenwelten durchmessen.

Vielfältigkeit der DDR-Kunst

Mit frühen, an Höhlenmalereien erinnernden Arbeiten ist auch A.R. Penck (1939-2017) vertreten, der nach seiner Ausbürgerung aus der DDR Grafikprofessor an der Düsseldorfer Kunstakademie wurde. Da sind die Fotografie-Übermalungen von Cornelia Schleime (geb. 1953) ebenso zu sehen wie die Gemälde punkig-expressiver Frauenfiguren von Angela Hampel (geb. 1956). Es gibt viel zu entdecken in dieser Ausstellung. Und das ist gewollt, wie Kurator Steffen Krautzig sagt: "Wir wollen den Blick auf die Kunstwerke richten, auf ihre Vielfältigkeit, die es eben auch in der DDR gab."

Mit seiner Künstlerauswahl will Krautzig vor allem "verdeutlichen, dass die bis heute übliche Gegenüberstellung von freiheitlicher Abstraktion im Westen und ideologisch belastetem Realismus im Osten hinterfragt werden muss." So kommt es, dass Künstler wie Voigt, der Abstrakte Glöckner, Gerhard Altenbourg (1926-1989), Michael Morgner (geb. 1942) mit seiner existentialistischen Malerei oder Claus in der Düsseldorfer Ausstellung auf die sogenannten "Staatskünstler" der DDR treffen, Künstler wie Bernhard Heisig (1925-2011), Wolfgang Mattheuer (1927-2004), Werner Tübke (1929-2004) und Willi Sitte (1921-2013). Die Mitglieder der Leipziger Schule galten seit ihrer Teilnahme an der Kasseler documenta 6 von 1977 als Repräsentanten der DDR. 

Kurator: Alter Bilderstreit soll ruhen

Wüsste er von dieser Kombination, wäre A.R. Penck, der mit der DDR-Kulturbürokratie im Dauerclinch lag, der nicht Kunst studieren durfte und dessen Bilder mehrfach beschlagnahmt wurden, vielleicht nicht begeistert. Schließlich war die DDR ein Unrechtsstaat, in dem die offizielle Kunst dem Stil des Sozialistischen Realismus zu folgen hatte. Sie sollte volkstümlich und parteilich im Dienst der Arbeiterklasse stehen und dabei helfen, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen und zu festigen.

Kurator Steffen Krautzig und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stehen bei der Ausstellungseröffnung vor dem Werk "Schlange, 1986" von Angela HampelBild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Der Kunstbetrieb teilte sich auf in Privilegierte und Drangsalierte. Leute wie Willi Sitte, der dem DDR-Künstlerverband vorstand, bekannten sich öffentlich zum System. "Aber viele Künstler unterliefen diese Vorstellung und suchten Alternativen zum staatlichen Kulturbetrieb", unterstreicht Kurator Krautzig. Den alten Bilderstreit über die "DDR-Staatskunst" möchte er in seiner Ausstellung nicht führen. Ob das gelingt, wird sich zeigen.

Aufklärung über die DDR notwendiger denn je

"Es wurde höchste Zeit, dass ein großes Kunsthaus in Westdeutschland endlich einmal die oft ausgeblendete Szene in Ostdeutschland zeigt und darüber aufklärt", sagt der Generaldirektor des Kunstpalastes, Felix Krämer. Das Interesse an den Kunstwerken aus der DDR-Zeit sei im Westen bislang doch "ziemlich gering" gewesen. Auch wüssten junge Menschen heute verschwindend wenig über die Geschichte der DDR. Umso erfreulicher sei es, so Krämer, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft über die Kunstschau übernommen habe. Das Staatsoberhaupt reiste eigens zur Eröffnung an.

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