Rudi Meisel war einer der wenigen Menschen, die den Alltag der Deutschen in der DDR und BRD durch die Kamera beobachten durfte. Zehn Jahre lang machte er Fotos. Das Berliner Amerikahaus widmet ihm eine Ausstellung.
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Deutschlandbilder aus Ost und West
DDR und BRD sehen in den Momentaufnahmen von Rudi Meisel gar nicht so unterschiedlich aus. Die Ergebnisse seiner Streifzüge durch Ost- und Westdeutschland halten vergessene Zeiten fest.
Bild: Rudi Meisel
Deutsche Träume fliegen wieder
Ein kleiner Junge lässt seinen Drachen steigen, während die Schlote des Duisburger Stahlwerks aus allen Rohren qualmen und die fertige Ruhrgebietsautobahn A 42 auf ihre Freigabe wartet. Fortschrittsglaube im prosperierenden Nachkriegsdeutschland - Rudi Meisels Momomentaufnahme trifft die Stimmung von 1979.
Bild: Rudi Meisel
Ein Balken vor dem D
Warten, Teilung, Liebe - in diesem Bild steckt alles, was die deutsche Seele jener Tage umtreibt: Menschen sitzen auf einer Bank an der S-Bahn-Haltestelle Alexanderplatz in Ost-Berlin. Als Pressefotograf reiste Rudi Meisel durch beide Teile Deutschlands und bannte magische Momente auf die Platte. Dieses entstand 1980.
Bild: Rudi Meisel
Schlamm in Wohnmaschine Ost
Moderner Wohnungsbau im ostdeutschen Halle-Neustadt 1983. Unverstellt der Blick des Fotografen, dessen Bild wie ein ironischer Kommentar wirkt: Höhe und Größe des Wohnkomplexes scheitern schlicht am Regen, der die unbefestigte Strasse in eine Schlammbahn verwandelt hat.
Bild: Rudi Meisel
Spielende Jungen auf freiem Feld
Auf seinen Bildern sind Ost und West kaum zu unterscheiden. Genau das war der Reiz für Rudi Meisel: Als einer von wenigen Fotografen durfte er schon vor dem Mauerfall 1989 in beiden Teilen Deutschlands arbeiten. Das Bild der spielenden Jungen entstand 1980 auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs im West-Berliner Stadtteil Kreuzberg.
Bild: Rudi Meisel
Welten prallen aufeinander
Eine elegant gekleidetete Frau berührt einen Militärpanzer: In der Aufnahme von Rudi Meisel trefffen zwei gegesätzliche Welten aufeinander. Das Foto entstand 1980 in West-Berlin am Tag der Streitkräfte. Meisels Bilddokumente überdauerten die deutsch-deutsche Teilung.
Bild: Rudi Meisel
Zeugnisse der Tristesse
Graue Straßen, Regen, Tristesse: Rudi Meisel machte dieses Foto an der Ecke Schönhauser Allee/Dimitroffstrasse in Ostberlin. Das pulsierende Leben des heutigen Szeneviertels Prenzlauerberg war damals nicht mal zu erahnen. Die Ausstellung "Landsleute 1977 - 1987" mit den einmaligen Zeitzeugnissen von Rudi Meisel sind vom 22. August bis 1. November in der c/o Galerie im Amerikahaus Berlin zu sehen.
Bild: Rudi Meisel
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Wie lebten die Menschen hüben wie drüben, diesseits und jenseits der Mauer? Rudi Meisel war als Fotoreporter von 1977 bis 1987 ein professioneller Grenzgänger. Er berichtete für international namhafte Magazine wie Spiegel, TIME, Newsweek oder GEO. Bei seinen zahlreichen Reisen in die DDR standen ihm Aufpasser zur Seite. Meisel ließ sich davon aber nicht einschränken.
Mal sitzen Wartende auf einer Bank in dem Ostberliner U-Bahnhof Alexanderplatz, auf der sich ein junges Pärchen leidenschaftlich küsst, mal ist da die bestürzende Tristesse eines Neubaukomplexes in Halle-Neustadt, dessen Modernität zur unbefestigten, und deshalb matschigen, Straße kontrastiert. Auf einem anderen Bild stehen Schürzen tragende Hausfrauen beim fröhlichen Schwatz vor ihrer Haustür in Wernigerode im Harz. Halbwüchsige lassen auf einer Abraumhalde in Essen einen Drachen steigen. Eine Frau inspiziert die Kette eines Panzers am West-Berliner Tag der Streitkräfte. Kein Zweifel: Rudi Meisels Aufnahmen sind wertvolle Zeitdokumente.
Meisels Bilder überdauern die deutsche Teilung
Seine Kamera fokussiert den Moment und hält ihn für die Ewigkeit fest. So überdauern Lachen, Kuss oder skeptischer Blick sogar die deutsche Teilung. "Biedere Behaglichkeit, unwirtliche Wohnsiedlungen, nachbarlicher Schwatz, jugendliche Rebellion kurzweilige Volksfeste und baufällige Strassenzüge" schreibt Ausstellungskurator Felix Hoffmann in einem Text zu der Werkschau in der c/o Galerie im Amerikahaus in Berlin, "irritieren und erstaunen ob der Ähnlichkeit ihrer Sujets". Für Rudi Meisel war der Unterschied zwischen den beiden Deutschlands gar nicht so groß: "Es gab den gleichen Mief im Westen wie im Osten. Nur dass der West-Mief ein paar Chromstreifen hatte", sagte er einmal.
Rudi Meisel, Jahrgang 1949 stammt aus Wilhelmshaven und wuchs in Osnabrück auf. Nach dem Studium der Fotografie an der Folkwangschule Essen arbeitete er von 1971 an als freier Reportagefotograf ,später als Architekturfotograf unter anderem von Norman Foster. Für seine Werke wurde Rudi Meisel vielfach ausgezeichnet. Heute lebt und arbeitet er in Berlin.