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"Chlor als bester Freund"

Katharina Kühn7. Oktober 2014

Es fehlt nicht das Geld, es fehlen geschulte Helfer: Für den Kampf gegen Ebola trainiert die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" in Brüssel Freiwillige aus der ganzen Welt. Fabienne de Leval koordiniert die Einsätze.

Fabienne de Leval
Bild: Ärzte ohne Grenzen

DW: Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hat gewarnt, dass der Kampf gegen Ebola verloren wird, wenn es keine stärkere Reaktion auf den Virus gibt. Wie schwierig ist es, Helfer für die Ebola-Gebiete zu finden?

Fabienne de Leval: Innerhalb von "Ärzte ohne Grenzen" ist es kein Problem. Wir haben genügend Freiwillige. Das Problem ist nur, dass wir nicht genügend geschulte Freiwillige haben. Damit meine ich Ärzte und Pfleger, Fachleute für Trink- und Abwasser, die sich mit der Arbeit in einem Ebola-Gebiet auskennen. Normalerweise sind die Ebola-Epidemien nur kurz, deswegen waren wir bislang immer in der Lage, mit erfahrenen Mitarbeitern von "Ärzte ohne Grenzen" zu arbeiten. Aber diese Epidemie ist so groß, dass wir nicht genügend Mitarbeiter haben. Jetzt schulen wir ungefähr 40 Freiwillige pro Woche, damit sie in einem Ebola-Gebiet arbeiten können.

Wie sieht diese Schulung aus?

De Leval: Chlor ist dein bester Freund

02:08

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In erster Linie geht es darum, wie Ebola-Patienten auf einer Krankenstation gepflegt werden. Wir behandeln in zwei Tagen alle Aspekte einer Ebola-Epidemie, also die psychologische Unterstützung, Gesundheitsvorsorge, Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung, Sicherheitsmaßnahmen. Aber natürlich können wir all diese Aspekte nur anreissen.

Was ist der wichtigste Hinweis, den Sie den Teilnehmern mitgeben?

Das erste, was wir unseren Teilnehmern sagen, ist: Achtet auf eure Sicherheit! Das ist bei anderen Erkrankungen anders. Aber hier müssen die Helfer zunächst an ihre eigene Gesundheit denken. Deswegen gehen wir im Training ganz klar auf die Ansteckungsgefahr ein. Wenn sie müde sind, wenn sie sich schwach fühlen, müssen die Helfer sich trauen zu sagen, dass sie an diesem Tag nicht arbeiten.

Was müssen die Helfer während des Einsatzes beachten?

Ein anderer wichtiger Hinweis, den wir geben, ist: Chlor ist dein bester Freund. Es gibt keinen Schutz in einem Ebola-Gebiet. Das einzige, was du hast, ist Chlor. Immer, wenn du etwas oder jemanden berührst, musst du dir sofort die Hände oder die Körperstelle mit einer Chlorlösung reinigen.

Wie wirkt sich die Arbeit in einem Ebola-Gebiet auf die Helfer psychisch aus?

In den Gebieten ist der Tod allgegenwärtig. Das ist sehr belastend. Normalerweise versuchen wir Menschenleben zu retten. In ein Ebola-Gebiet gehen wir und wissen, dass viele Menschen trotz unserer Hilfe sterben werden. Vielleicht retten wir einige, aber hauptsächlich versuchen wir zu verhindern, dass sich die Epidemie ausbreitet und kümmern uns darum, dass die Menschen in Würde sterben können. Allein das ist schon schwer zu verarbeiten. Hinzu kommt der Schutzanzug, der alle normalen Reflexe verhindert. Wenn jemand weint, können die Ärzte ihn nicht in den Arm nehmen, ein kleines Kind, das krank ist, können die Helfer nicht streicheln und so trösten, wie sie es normalerweise tun. All ihre Bewegungen müssen sie neu überdenken.

Wie sieht es nach dem Tageseinsatz aus?

Wir haben die Regel in den Ebola-Behandlungszentren, dass sich die Helfer auch untereinander nicht berühren. Wenn sie von der Arbeit kommen, können sie also auch nicht einfach abschalten oder sich in den Arm nehmen. Das ist eine sehr belastende Zeit für die Helfer. Aber es ist die einzige Möglichkeit, die Ansteckungsgefahr so klein wie möglich zu halten.

Wer nimmt an ihrem Training teil?

Die Teilnehmer kommen aus der ganzen Welt. Wir haben in den Behandlungszentren allein von Ärzte ohne Grenzen Helfer aus etwa 90 Ländern. Außerdem schulen wir mittlerweile auch andere Organisationen, zum Beispiel die britische Hilfsorganisation "International Medical Corps", das Rote Kreuz, "Save the Children", aber auch UN-Mitarbeiter.

Warum muss ein solches Training von einer privaten Organisation angeboten werden?

Es stimmt, dass dieses Training eigentlich nicht zu unseren Aufgaben gehört. Wir sind normalerweise direkt im Einsatz. Aber nur wir haben das Fachwissen, Ebola zu behandeln und wir wissen auch, dass wir allein es nicht schaffen werden, die Epidemie einzudämmen. Also ist es doch unsere Pflicht, unser Wissen weiterzugeben, an Organisationen, die auch in diese Gebiete fahren.

Fühlen Sie sich von den Regierungen genügend unterstützt?

Es gibt zwar eine hohe finanzielle Unterstützung, die USA haben zum Beispiel all diese Behandlungszentren in Libera gebaut. Aber ohne geschultes Personal hilft das wenig. Ich habe vor kurzem wieder gehört, dass es nicht das Geld ist, das fehlt. Es fehlen die Menschen, die wissen, wie sie die Krankheit behandeln und wie sie mit den betroffenen Menschen umgehen.

Wie soll es weitergehen?

Wir sind völlig überlaufen mit Anfragen. Auf all die Anfragen können wir gar nicht reagieren, selbst für Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen haben wir nicht genügend Plätze. Die Anfragen kommen ja aus der ganzen Welt, von den Organisationen, aber auch von Ministerien, Armeen, alle fragen nach diesen Trainings und wir haben einfach die Kapazitäten dafür nicht. Wir versuchen schon, noch mehr Menschen auszubilden. Außerdem wollen wir andere Organisationen schulen, damit diese dann selbst Trainings anbieten können. Aber da müssen wir sehr vorsichtig sein. Wenn es um Ebola geht, kann eine falsch verstandene Aussage gleich den Tod eines Menschen bedeuten.

Welche anderen Initiativen gibt es jetzt schon?

Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC, die "Centers for Disease Control and Prevention Control" haben in Atlanta gerade ein Pilot-Training gestartet. Vorher waren sie bei uns und wir haben ihnen unsere Schulungsmethoden gezeigt. Jetzt sind noch Trainer von Ärzte ohne Grenzen in Atlanta, eventuell werden sie auch die nächsten Schulungen unterstützen. Die Idee ist aber, dass in Atlanta ein eigenständiges Simulationszentrum aufgebaut wird, so wie hier.

Die Psychologin Fabienne de Leval arbeit bei "Ärzte ohne Grenzen" in Brüssel und hat das Training für Helfer in Ebola-Gebieten mit ausgearbeitet. Jetzt koordiniert sie die Anfragen künftiger Teilnehmer.

Das Gespräch führte Katharina Kühn.