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Deal mit US-Justiz: Julian Assange kommt frei

25. Juni 2024

Der Whistleblower und Gründer von WikiLeaks darf nach 14 Jahren wohl in seine Heimat Australien zurückkehren. Die Hintergründe.

Plakat mit einem Foto von Julian Assange und der Aufschrift "Free Assange", aufgenommen in London
Das Drama um Wikileaks-Gründer Julian Assange beschäftigt die Weltöffentlichkeit seit JahrenBild: Kin Cheung/AP Photo/picture alliance

Der Fall Assange zieht sich seit 14 Jahren hin. Er hat inzwischen eine politische und eine rechtliche Dimension, die weit über die von Wikileaks einst veröffentlichten Dokumente hinaus geht. Die DW dokumentiert die Entwicklungen in chronologischer Reihenfolge:  

1. Biografisches

Julian Assange wird am 3. Juli 1971 in Townsville, Queensland, Australien geboren. Er interessiert sich schon als junger Mann für Computertechnik und lernt zu programmieren. In der australischen Hackergemeinde macht er sich in den Neunziger Jahren einen Namen und landet 1996 wegen Hackerangriffen vor einem australischen Gericht. Der Richter verurteilt ihn zwar, attestiert ihm aber "intellektuelle Neugier".

2. Gründung von WikiLeaks

2006 gründet Julian Assange WikiLeaks. Die Plattform versteht sich als "ein unzensierbares Wiki für die massenhafte und nicht auf den Absender zurückzuführende Veröffentlichung und Analyse von geheimen Dokumenten", wie es auf der Webseite von Wikileaks heißt.

"Unser primäres Interesse liegt auf den durch Unterdrückung geprägten Regimen wie China, Russland, dem zentralen Eurasien, dem Nahen Osten und dem Afrika südlich der Sahara. Aber wir sind auch Ansprechpartner für diejenigen, die unethisches Verhalten in ihren eigenen Regierungen und Unternehmen enthüllen wollen."

Julian Assange im Oktober 2010 in LondonBild: Carmen Valino/El Pais/Newscom/IMAGO

WikiLeaks veröffentlicht zahlreiche geheime Dokumente, die illegale Aktivitäten von Regierungen und Unternehmen aufdecken. 2009 bekommt Assange für seine Arbeit den Amnesty International Media Award verliehen. Danach folgen noch weitere Auszeichnungen.

3. Enthüllungen über das US-Militär

Im April 2010 wird auf WikiLeaks ein Video mit dem Titel "Collateral Murder" veröffentlicht. Es ist eine Aufzeichnung aus einem Kampfhubschrauber der US-Armee, der 2007 im Irakkrieg in Bagdad im Einsatz ist. Man sieht, wie Zivilisten umkreist und schließlich aus dem Hubschrauber heraus erschossen werden. Unter den Opfern sind zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters. Einer trägt eine Kamera bei sich, welche die US-Soldaten angeblich mit einer Waffe verwechseln und das Feuer eröffnen.

Neben dem Video publiziert WikiLeaks noch im selben Jahr hunderttausende weitere geheime, den Irak- und Afghanistankrieg betreffende US-Militärdokumente, die "klare Kriegsverbrechen" beweisen, wie Assange damals bei einer Pressekonferenz in London sagt.

4. Die Quelle

Die Dokumente stammen von Chelsea Manning, die damals - noch vor ihrer Geschlechtsangleichung - als Bradley Manning bei der US-Armee Daten analysiert. Wegen Spionage und Verrats wird Manning später zu 35 Jahren Haft verurteilt, 2017 aber vom damals scheidenden US-Präsident Barack Obama begnadigt.

Chelsea Manning 2022 im Gespräch mit Journalisten der ZEIT in DeutschlandBild: Jonas Walzberg/dpa/picture alliance

5. Reaktion der USA - Erster Teil

Die WikiLeaks-Veröffentlichungen sind sehr unangenehm für die US-Regierung. Der Welt wird eine andere, ungeschminkte, blutige Seite vom Vorgehen des US-Militärs gezeigt. Eine Seite, in der Kriegsverbrechen verübt - und vertuscht - wurden, in der die Zahl ziviler Opfer deutlich höher war als in den geschönten Angaben des Pentagon.

Die US-Regierung kritisiert Assange scharf. Als Kopf der Enthüllungsplattform habe er mit der Verbreitung von Staatsgeheimnissen Leben gefährdet. Tatsächlich waren Namen in den Dokumenten zunächst nicht anonymisiert worden. Joe Biden, damals US-Vize-Präsident nennt Assange einen "High-Tech-Terroristen".

Julian Assange 2011 in London vor einer GerichtsverhandlungBild: Kirsty Wigglesworth/AP Photo/picture alliance

Über diese Kritik hinaus passiert aber zunächst nichts. Assange ist australischer Staatsbürger, lebt in London und hat inzwischen den Status eines Investigativjournalisten. Die Obama-Administration ist offensichtlich der Meinung, dass eine Strafverfolgung als Zeichen gedeutet werden könnte, dass auch Journalisten anderer Medien für die Veröffentlichung sensibler Informationen strafrechtlich verfolgt werden könnten.

6. Missbrauchsvorwürfe aus Schweden

Parallel zu den Ereignissen um Wikileaks wird publik, dass zwei Schwedinnen Assange vorwarfen, sie sexuell belästigt zu haben. Später ist zeitweilig die Rede von Vergewaltigung. Die Staatsanwaltschaft Stockholm erlässt einen Haftbefehl und stellt ein Auslieferungsgesuch an Großbritannien. Assange wird Ende 2010 in London festgenommen. Er streitet die Vorwürfe ab und wird gegen Kaution freigelassen.

Anschließend beginnt ein juristisches Tauziehen. Als der High Court in London dem schwedischen Auslieferungsgesuch 2012 stattgibt, flüchtet sich Julian Assange in London in die Botschaft von Ecuador, wo ihm politisches Asyl gewährt wird.

Assange spricht auf Botschafts-Balkon

01:46

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7. Reaktion der USA - zweiter Teil 

Im Juni 2016, während des US-Präsidentschaftswahlkampfes zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, erscheinen auf WikiLeaks die "Clinton-Mails". Sie gelten heute als ein Grund dafür, dass Clinton gegen Trump bei den Präsidentschaftswahlen unterlag.

Donald Trump lobt Wikileaks für die Enthüllungen. Unter seiner Präsidentschaft erhebt die US-Justiz trotzdem Anklage gegen Julian Assange - wegen der Enthüllungen von 2010. Der Vorwurf: Verschwörung mit Chelsea Manning für einen Hackerangriff auf Pentagon-Computer. Dazu kommen 17 weitere Punkte wegen Spionage und Geheimnisverrats. Rechnet man alles zusammen, drohen Assange theoretisch bis zu175 Jahre Haft. Die USA stellen ein Auslieferungsgesuch an Großbritannien. Parallel wird versucht, Assange den Status eines Journalisten abzuerkennen. Er habe Datenmengen ohne Kontext veröffentlicht, heißt es; Assange sei ein Hacker.

8. Fürsprecher

Menschenrechts-, Bürgerrechts-, und Journalismus-Organisationen von Rang, angefangen von Amnesty International über das Committee to Protect Journalists, CPJ, bis hin zu Reporter ohne Grenzen, setzen sich für Assange ein. Veröffentlichungen wie die von WikiLeaks müsse eine lebendige Demokratie aushalten.

Die Unterstützung für Assange hat viele Jahre lang angehaltenBild: Peter Nicholls/Getty Images

Die beiden Dachorganisationen International Federation of Journalists, IFJ, und European Federation of Journalists, EFJ, warnen in einer gemeinsamen Erklärung, dass "die Verfolgung von Julian Assange die Medienfreiheit überall auf der Welt" gefährde. EFJ-Präsidentin Maja Sever: "Journalisten und ihre Gewerkschaften haben von Anfang an erkannt, dass Julian Assange ins Visier genommen wird, weil er Aufgaben erfüllt, die zur täglichen Arbeit vieler Journalisten gehören - einen Whistleblower zu finden und Kriminalität aufzudecken."

9. Gefängnis in London

2019 entzieht die ecuadorianische Regierung Julian Assange das politische Asyl und liefert ihn an die britische Polizei aus. Die Behörden werfen ihm vor, mit seiner Flucht in die Botschaft gegen Kautionsauflagen verstoßen zu haben. Dafür wird er zu 50 Wochen Haft verurteilt und in das Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingewiesen. 2021 verliert Assange die ecuadorianische Staatsbürgerschaft.

Begegnung mit Stella Assange

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Erneut beginnt ein juristisches Tauziehen um die Auslieferung von Assange, diesmal in die USA. Immer wieder legt Assange erfolgreich Rechtsmittel ein. 2024 scheint der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die letzte Chance für Assange.

10. Freilassung

Am 24. Juni, nach fünf Jahren Haft in London, kommt Assange überraschend frei. Er hat einen Deal mit der US-Justiz geschlossen: Der inzwischen 52-Jährige wird sich vor einem Gericht auf den Nördlichen Marianen, einem Außengebiet der USA, teils schuldig bekennen. Anschließend soll er zu fünf Jahren Haft verurteilt werden, die er schon in Großbritannien verbüßt hat. Im Gegenzug bleibt ihm eine weitere Haft erspart.

Julian Assange nach seiner Freilassung am Flughafen in LondonBild: @wikileaks" via X/Handout via REUTERS

Ob die Freilassung Auswirkungen auf WikiLeaks haben wird, muss sich zeigen. Um die Plattform ist es ruhig geworden, was auch daran liegen kann, dass Assange über Jahre keinen Zugang zum Internet hatte. 

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