Staeck: "Brauchen keine Zensur"
21. September 2012"Vom Wert des Verbietens" - so der provokante Titel eines Essays von Martin Mosebach. Sein Text erschien im Juni in einer deutschen Zeitung - und ist nun, auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreites, aktueller denn je. Denn der deutsche Schriftsteller fordert, dass Gotteslästerung härter bestraft werden muss.
"Wenn wir etwas nicht brauchen, dann das", sagt der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, im DW-Interview. Dass die jüngsten Mohammed-Karikaturen problematisch seien, das hätten die gewalttätigen Reaktionen gezeigt. Doch die Demokratie sei gefestigt genug, um bestimmte Dinge auszuhalten. "Das schlimmste, was einer Demokratie passieren kann, ist, wenn sie an Langeweile stirbt", meint Staeck, selbst politischer Karikaturist und schon vielfach angefeindet und angegriffen.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) betont, Satire sei ein wichtiges Stilmittel, um Themen an die Öffentlichkeit zu bringen, wenn andere journalistische Genres wie Nachrichten oder Kommentare dazu nicht in der Lage seien. Allerdings habe das umstrittene Schmähvideo die Diskussion bereits entfacht, so der Bundesvorsitzende Michael Konken im DW-Gespräch. Die weitere Behandlung in französischen und deutschen Satiremagazinen sehe er deshalb kritisch. "Man hat dabei das komische Gefühl, dass es eher um die Steigerung der Auflagen geht, als um die Satire als Stilmittel", sagt Konken.
Verantwortung ja, Strafverschärfung nein
Nach den gewalttätigen Reaktionen auf das Schmähvideo und die Mohammed-Karikaturen ist die Diskussion um den satirischen Umgang mit Religion in vollem Gange. Neben Kulturschaffenden melden sich vor allem Politiker und Vertreter der Kirchen zu Wort. Angesichts der Pläne des Frankfurter Satire-Magazins "Titanic", in seiner Oktoberausgabe das Mohammed-Video aufzugreifen, appelliert Außenminister Guido Westerwelle an das Verantwortungsbewusstsein der Karikaturisten. Nicht derjenige sei der größere Freigeist, der jetzt aus ganz anderen Gründen Öl ins Feuer gieße, so Westerwelle.
Einer Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen 166, über die Teile der christlich-sozialen CSU laut nachgedacht hatten, erteilt die Regierung jedoch eine Absage. Sowohl Deutschlands Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel halten die geltenden Bestimmungen im Strafgesetzbuch für ausreichend.
Öl im Feuer. Oder Schere im Kopf?
Auch die Religionsvertreter in Deutschland halten eine gesetzliche Verschärfung für nicht notwendig. Lediglich aus katholischen Kreisen melden sich vereinzelt Fürsprecher einer Gesetzesänderung zu Wort. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland fordert aber ein Aufführungsverbot für das Schmähvideo aus den USA. "Eine solche Filmvorführung könnte Extremisten beider Seiten ein Forum geben, um sich auszutoben", warnte der Vorsitzende, Aiman Mazyek, in den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Die rechtspopulistische Organisation "Pro Deutschland" hatte angekündigt, das Video öffentlich aufführen zu wollen.
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, appelliert, verantwortungsbewusst mit dem Video umzugehen. "Man kann den Film nicht verbieten, aber die öffentliche Aufführung verweigern", sagte er dem evangelischen Pressedienst. Auf die "Titanic" angesprochen, sagte Jung: "Es ist medienethisch unverantwortlich, Öl ins Feuer zu gießen."
Dennoch stellt Konken vom DJV klar, dass diese Ausschreitungen nicht dazu führen dürften, dass Religion überhaupt nicht mehr satirisch aufgegriffen wird. Auch Klaus Staeck ist der Meinung, dass Angst die Arbeit von Künstlern und Journalisten nicht beeinträchtigen darf. "Ich hoffe", sagt er, "dass die Schere im Kopf der Karikaturisten in Zukunft nicht zu laut klappert."