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Decoding China: E-Auto als Datenschatz auf Rädern

Dang Yuan
3. Mai 2024

Die Automesse Peking zeigt die Zukunft der Mobilität. Autobauer weltweit kämpfen um den Markt in China und wollen neben sicheren Batterien vor allem eins: die Daten.

Volkswagen-Chef Oliver Blume steht zwischen zwei Autos bei der Automesse in Peking
VW-Chef Oliver Blume auf der Automesse PekingBild: Ng Han Guan/AP Photo/picture alliance

"Wollen Sie nicht mal in den Macan EV einsteigen und Probe sitzen?", lud Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und der Porsche AG, einen potentiellen Käufer persönlich ein und führte ihn zu dem Sportwagen. Der grau-violette Schlitten auf der Automesse in Peking, die am Samstag (4.5.2024) endete, ist vollelektrisch. Der Hersteller definiert die Farbe als "Provence" - in Anlehnung an die Lavendelfarbe, die typisch für die Provence ist. Die südfranzösische Region ist in China ein sehr beliebtes Touristenziel. "Das Design ist außerordentlich hochwertig!" Blume war nicht sparsam mit Lob für seine Firma.

"Schick!", bejahte der Eingeladene. "Aber ist es nicht vielleicht zu teuer für die Kunden? Ich weiß es nicht." Umgerechnet 125.000 Euro beträgt der Grundpreis dieses Stromers, zu dem die Firma des Hoffierten selbst beigetragen hat . "Für dieses Modell haben wir die beste Batterie der Welt geliefert, die sicherste", sagte der umworbene Kunde, der Zeng Yuqun oder Robin Zeng heißt.

Zulieferer, Kunde und Partner

Zeng ist der Chef des chinesischen Batterieherstellers CATL, einer der größten Zulieferer für die deutschen Autobauer mit einem Riesenwerk im thüringischen Arnstadt. Mit einem Privatvermögen von geschätzten 44 Milliarden US-Dollar ist er einer der reichsten Männer Chinas.

"Wollen Sie nicht für Ihre Firma eine Macan-Flotte bestellen?", bemühte sich der VW-Chef persönlich um den ersten Großauftrag, seit der Macan auf der Automesse vorgestellt worden ist, "I will do that!" (Das werde ich tun), antwortete Zeng auf Englisch.

Blume strahlte, klopfte Zeng auf die Schulter. Seine Mimik zeigte, wie glücklich und zufrieden er war. Die erste Großbestellung läuft. Diese Szene ist sinnbildlich für die Abhängigkeit zwischen der Autoindustrie, dem Stolz Deutschlands, und ihren Zulieferern und Kunden im Fernost.

Wenn es um den chinesischen Automarkt geht, ist Oliver Blume ein Insider. 2001 promovierte er am Institut für Fahrzeugtechnik an der Shanghaier Tongji Universität. Sein Doktorvater war Wan Gang, der spätere Forschungsminister Chinas. Wan, der wiederum an der deutschen Universität Clausthal promovierte, hatte zehn Jahr lang bei der VW-Tochter Audi in der Forschung gearbeitet. Er gilt als Vater der chinesischen E-Mobilität.

CATL-Werk in Thüringen mit einer Investition von bis zu 1,8 Milliarden EuroBild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Preisverhandlungen als Chefsache

In China seien trotz gesamtwirtschaftlicher Herausforderungen immer mehr Autos verkauft worden, so der Verband der Automobilindustrien (VDA) in seiner jüngsten Studie vom Ende April. "Auf dem chinesischen Pkw-Markt wurden im ersten Quartal 4,8 Millionen Neufahrzeuge verkauft, 13 Prozent mehr als im Vorjahr."

"Unsere Zusammenarbeit ist sehr positiv", sagte Blume. "Wir beziehen die Batterien vom CATL-Werk in Deutschland. Die hochwertige Batterie wird von uns beiden zusammen entwickelt, speziell für dieses Modell, das wir nun den chinesischen Kunden anbieten."

"Mit Porsche arbeite ich sehr gut zusammen, auch persönlich mit Oliver", sagte Zeng. Er und Blume sind beide Jahrgang 1968. "Das Gute daran ist: Ich kann ihn direkt um einen großen Preisnachlass für die Großbestellung bitten!" Zeng lachte und reichte Blume die Hand. Blume streckte auch seine Hand aus und erwiderte: "Und ich erhoffe mir einen großen Rabatt für Ihre Batterien!" So wird in China ein Gentlemen-Agreement geschlossen.

Die Angst vor dem Ende der E-Mobilität

16:00

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Mobilität der Zukunft

Die Automesse Peking ist inzwischen die wichtigste Schau für die Autobranche weltweit. Die Messe ist zugleich eine Begegnungsstätte für Chefs von Autoherstellern, Lobbygruppen und Spitzenpolitikern, die den Rahmen für die Industrie- und Handelspolitik sowie für technische Innovationen setzen, wie zum Beispiel für die Digitalisierung eines Autos.

Was früher nur aus Schrauben, Zahnrädern und Dichtungen bestand, ist heute bei Weitem nicht nur ein Elektromotor mit Steckdose. Ein modernes E-Auto besteht heute aus Steuergeräten und Apps. Es kommuniziert mit dem Smartphone des Fahrers. Seine Hersteller treiben die neuesten Innovationen wie autonomes und vernetztes Fahren voran. Somit wurde auch schon die komplette Wertschöpfungskette neu geformt. Und China steht dabei im Zentrum dieses Wandels.

Der Volkswagen war der erste ausländische Autobauer in China mit einem Gemeinschaftsunternehmen in Shanghai in den 1980er Jahren. Später dominierte der Wolfsburger mit den Modellen Santana und Jetta das Straßenbild in chinesischen Städten. Inzwischen sind aber mehrere konkurrenzstarke inländische Autohersteller auf dem Markt, die nicht nur preiswerte Stromer an die wachsende Mittelschicht verkaufen. In den Metropolen wie Peking und Shanghai erhalten die E-Autos sofort eine Zulassung, weil sie umweltfreundlich sind. Chinesische Firmen exportieren die günstigen und umweltfreundlichen Fahrzeuge auch in die ganze Welt, inklusive Europa.

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EU-Untersuchung zu möglichen Subventionen

Zu günstig, geradezu wettbewerbsverzerrend günstig, glaubt die EU. Im März hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Verfahren zu Importen von Elektrofahrzeugen aus China angekündigt. Es soll zunächst festgestellt werden, ob chinesische E-Autos von staatlichen Subventionen profitieren und somit den europäischen Autobauern Schaden zufügen. "Wo immer wir Hinweise darauf finden, dass die EU-Firmen durch Marktverzerrungen und unlauteren Wettbewerb behindert werden, werden wir entschlossen handeln", sagte von der Leyen.

Jedoch hat kein europäischer Autobauer eine solche Untersuchung von Brüssel gefordert. "Wir sehen die Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission kritisch", sagt Hildegard Müller, VDA-Präsidentin im DW-Interview. "China spielt eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung. Ein Handelskonflikt würde also auch diese Transformation gefährden. Antisubventionsmaßnahmen wie zusätzliche Zölle würden die Herausforderungen für die europäische und deutsche Automobilindustrie nicht lösen. Im Gegenteil: Der von der EU-Kommission beabsichtigte Zweck von Ausgleichszöllen könnte sich bei einem Handelskonflikt entsprechend schnell negativ auswirken."

Eröffnung der Automesse IAA im September 2023 in München mit Bundeskanzler Olaf ScholzBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Auch Chinas Handelsminister Wang Wentao positionierte sich im Gespräch mit Müller gegen mögliche protektionistische Maßnahmen durch die EU. Er bekannte sich zu freien und fairen Marktbedingungen und warf der EU-Kommission "Doppelmoral" im Kampf gegen den Klimawandel vor: "Die EU hält in der einen Hand das Transparent für grüne Transformation, in der anderen die Keule des Protektionismus gegen chinesische E-Autos."

Tesla geht seinen eigenen Weg

Der US-Hersteller Tesla war auf der Automesse Peking 2024 nicht präsent. Der Konzernchef Elon Musk war aber zeitgleich in China zu Besuch. Im Gästehaus Diaoyutai, wo vor zwei Wochen Bundeskanzler Olaf Scholz mit Staatspräsident Xi Jinping spazierte, traf sich Musk mit Premier Li Qiang zusammen. "Wir nehmen auch nicht an den Messen in den USA teil", begründet Musk die Abwesenheit seines Unternehmens. 

Und pünktlich am Tag seiner Ankunft am 28. April verkündete der Chinesische Verband der Autobauer (CAAM), dass zwei Modelle, die Tesla in Shanghai baut, die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in China erfüllt haben. Es geht um die Anonymisierung der Gesichtsdaten des Fahrers, aktive Vorabzustimmung vor Datensammlungen, aktive Vorabzustimmung bei Datentransfer vom Auto zu anderen Endgeräten und die Mitteilungspflicht über die gesammelten und verarbeiteten Daten an den Halter.

Tesla-Werk ShanghaiBild: Xiaolu Chu/Getty Images

Damit ist Tesla zusammen mit anderen chinesischen Konkurrenten der erste ausländische Autohersteller, der für ein vernetztes Fahren im chinesischen Straßenverkehr zugelassen ist. Und der Aktienkurs von Tesla stieg am ersten Börsentag nach Bekanntgabe dieser Zulassung direkt um elf Prozent.

Brancheninsider berichten, dass Elon Musk in Peking auch über die Zulassung der autonomen Fahrassistenz FSD (Full Self Driving, vollautomatisiertes Fahren) verhandelt hat. Sein Konzern benötigt die Daten aus dem Echtzeit-Straßenverkehr, um die Algorithmen der FSD-Software zu trainieren und zu kalibrieren.

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Weiteres Potenzial für Zusammenarbeit

Wo bleibt die chinesisch-deutsche Antwort? Laut Handelsminister Wang ist die Autoindustrie ein "Leuchtturm" der Industriekooperation zwischen China und Deutschland/Europa überhaupt. "Die deutsche Autoindustrie nimmt den Wettbewerb an - in allen Märkten", unterstrich VDA-Chefin Müller. "Klar ist, dass das Marktwachstum in China extrem dynamisch ist und wir daran teilhaben wollen." Die Unternehmen würden fortlaufend prüfen, wo Kooperation und Zusammenarbeit sinnvoll seien. "Ich bin überzeugt, dass es noch mehr Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen der chinesischen und der deutschen Automobilindustrie gibt."

Als Beispiel nennt Müller die umweltschädlichen Emissionen bei der Batterieproduktion. Der Produkt CO2-Fußabdruck (PCF) sei als die etablierte Methode zur Ermittlung der Klimawirkung ein wichtiges Instrument. Während des gesamten Lebenszyklus eines E-Autos entsteht Treibhausgas von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. "Der PCF bedarf nun einer internationalen Harmonisierung. Auch hier sollte der Austausch mit China weiter intensiviert werde." 

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"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

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