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Decoding China: Heikle Mission "E-Autos"

Dang Yuan
21. September 2024

Chinas Handelsminister Wang Wentao war diese Woche in Europa auf Werbetour. Er will die drohenden EU-Sonderzölle gegen die E-Autos aus China in letzter Minute abwenden - mit mäßigem Erfolg.

China | Leapmotor E-Auto
Chinesisches E-Auto LeapmotorBild: Caroline Chen/AP Photo/picture alliance

Am Dienstag (17.09.) wurde in China das traditionelle Mondfest gefeiert. Es ist ein Fest, an dem die ganze Familie am runden Tisch beim Vollmond über Harmonie und Zusammenhalt spricht. Dieses Jahr musste Chinas Handelsminister Wang Wentao auf seine Familienfeier verzichten. Stattdessen traf er sich mit seinem deutschen Amtskollegen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, in Berlin. Wang ist in einer heiklen politischen Mission unterwegs.

Unter der Fallnummer AS689 leitete die EU-Kommission im Oktober 2023 eine sogenannte "Handelsschutzuntersuchung" gegen die Volksrepublik China ein. Das Kürzel "AS" in der Fallnummer steht dabei für Antisubvention. Die Kompetenz der Handelspolitik und Zölle liegt bei der EU-Kommission in Brüssel. Der Beschluss ist verbindlich für alle EU-Länder.

Treffen am Mondfest: Wang Wentao und Bundeswirtschaftsminister Habeck (r.)Bild: JOHN MACDOUGALL/AFP

Im Amtsblatt C/2023/90013 hieß es, die Kommission leite "von Amts wegen" ein Antisubventionsverfahren ein, "da die Einfuhren neuer batteriebetriebener Elektrofahrzeuge für die Personenbeförderung mit Ursprung in der Volksrepublik China subventioniert sind und dadurch den Wirtschaftszweig der Union schädigen."

Sonderzölle in der Übergangszeit

Daraufhin verhängte Brüssel "vorläufige Ausgleichszölle" auf die chinesischen Stromer - je nach Hersteller von 17,4 bis 38,1 Prozent. Die Summe hatte die EU auf der Grundlage einer Untersuchung errechnet und entspricht nach eigenen Angaben der Höhe der jeweils festgestellten Subventionierung. Eine Ausnahmeregelung mit ermäßigtem Zollsatz gilt für Tesla. Der US-Konzern hatte 2023 in seiner Shanghaier Mega-Fabrik 947.000 batteriebetriebene Elektroautos produziert. Ein Drittel davon war exportiert worden.

Chinas Autohersteller BYD bereit zur Eroberung Europas

01:56

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China kritisierte den Vorstoß der EU. Das Verfahren unter der Federführung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei geopolitisch motiviert. Als Argument führte Peking an, dass sich zum Beispiel kein Autohersteller bei der EU-Kommission über verzerrten Wettbewerb beschwert habe. Und die Hemmnisse würden nicht dem Geist des Freihandels folgen, sondern seien dagegen Handelsbarrieren gegen die Globalisierung, hieß es aus Peking.

Seit Ende August befindet sich das Verfahren in der dritten und letzten "endgültigen Phase" ("definitive stage"). Noch im September wollen die 27 EU-Länder über die endgültigen Strafzölle abstimmen, die mindestens fünf Jahre gültig sein werden.

China sucht nach Verbündeten in Europa

Die Strafzölle können abgewendet werden, wenn bei der Abstimmung 15 EU-Länder oder eine Anzahl von Ländern, die insgesamt mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, dagegen stimmen. Dies eine hohe Hürde, die in Brüssel selten erreicht wird. China arbeitet nun akribisch an einer "Nein-Allianz". Bei der Probeabstimmung im Juli waren vier EU-Länder dagegen, elf enthielten sich, darunter Deutschland. Zwölf waren für die Strafzölle. Dazu gehören Frankreich, Italien und Spanien.

Spaniens Ministerpräsident Sanchez mit Chinas Präsident Xi Jinping in PekingBild: Borja Puig de la Bellacasa/MONCLOA PALACE/Reuters

Inzwischen hat es sich Spanien anders überlegt. Das hat der spanische Ministerpräsident Pedró Sanchez während seiner China-Reise Anfang September angekündigt. Er forderte die EU-Länder und die EU-Kommission zum Umdenken auf. "Wir brauchen keinen neuen Krieg in Europa", sagte Sanchez in Peking, "in diesem Fall keinen neuen Handelskrieg". Unter 55 laufenden EU-Handelsschutzverfahren richten sich 44 Fälle gegen China.

Die politische Mission führt Minister Wang zuerst nach Italien. Allerdings kassierte Wang in Rom erneut eine Absage. Italiens Außenminister Antonio Tajani bekräftigte, die Regierung in Rom unterstütze Brüssels Strafzölle. "China ist ein Partner, aber auch ein Konkurrent", so Tajani.

Aufholjagd für deutsche E-Autos in China

03:52

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Peking will nun einen anderen Hebel ansetzen. China droht mit Vergeltungszöllen gegen Schweinefleisch, Milchprodukte und Weinbrand aus der EU und hofft, einige andere "Ja-Sager" in letzter Minute umzustimmen. Das Pekinger Handelsministerium hat nach eigenen Angaben Ende Juli eine Beschwerde vom Dachverband chinesischer Milchproduzenten erhalten. Dieser agiert allerdings nicht unabhängig. Nun hat China eine Untersuchung gegen Agrarsubventionen in der EU eingeleitet.

Kritik zu diesem Vorstoß kommt aber auch von innerhalb des Verbandes. So bezieht die südchinesische Molkerei BRK seit vielen Jahren Milchprodukte aus Europa. "Im Vergleich zu den Jahren vor dem Ausbruch des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine sind europäische Milchprodukte heutzutage in China um 30 bis 40 Prozent teurer geworden, auch ohne die Antisubventionsuntersuchung durch das Handelsministerium", sagt das Unternehmen einem chinesischen Fachmagazin und stellt dabei die rhetorische Frage, "ob diese Produkte doch zu Dumpingpreisen in China angeboten werden".

Würden Deutsche chinesische E-Autos kaufen?

13:58

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Nach Angaben der chinesischen Zollbehörde wurden 2023 Milchprodukte mit einem gesamten Wert von fünf Milliarden US-Dollar aus den EU-Ländern importiert. Nun bemängelt der Verband, mehr als 20 Produkte seien von der EU subventioniert. Die größten EU-Exporteure: Frankreich, Spanien, Irland, Niederlande, Belgien, Dänemark und Deutschland.

Deutschland für politische Lösung

Während dessen konnte sich in Deutschland Handelsminister Wang beim Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Gehör verschaffen. "Wir wollen einen Handelskonflikt mit Zollspirale, der am Ende beiden Seiten schadet, unbedingt vermeiden", sagte Habeck am Dienstag (17.9.) in Berlin. Deutschland scheue den Wettbewerb mit China nicht und nehme ihn an. "Aber er muss zu fairen Bedingungen erfolgen." Habeck forderte "eine politische Lösung".

Wang bedauerte, dass die EU das von den chinesischen Herstellern vorgeschlagene Paket abgelehnt habe. Im Gespräch mit Wolfgang Schmidt, dem Chef des Bundeskanzleramtes, sagte er: "China ist zutiefst enttäuscht, wird aber in seinen Bemühungen nicht nachlassen und bis zur letzten Minute verhandeln. China hofft, dass Deutschland als Kernmitglied der EU eine aktive Rolle übernimmt und die Europäische Kommission dazu drängt, politischen Willen zu zeigen und gemeinsam mit China die Angelegenheit vernünftig zu lösen."

Nio-Geschäftsführer Li: Elektrofahrzeuge sind Konsens

02:44

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Industrie von EU-Kommission unbeeindruckt

Auf der Automesse IAA Transport für Nutzfahrzeuge diese Woche in Hannover ist die anstehende Abstimmung in Brüssel dagegen nicht wirklich ein Thema. Mehr als 460 Unternehmen aus China stellen ihre Produkte und Lösungen in der niedersächsischen Landeshauptstadt aus. Gemessen an der Anzahl der Aussteller auf der IAA steht China auf Platz zwei, direkt hinter Gastgeber Deutschland. Auch der deutsche Branchenverband predigt mehr Zusammenarbeit.

VDA-Präsidentin Hildegard MüllerBild: Dominik Butzmann

"Auf der Ebene der Unternehmen wurden bedeutende Fortschritte erzielt", sagte Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), auf dem China-Tag in Hannover. Deutsche und chinesische Unternehmen hätten durch enge Zusammenarbeit und strategische Partnerschaften gemeinsame industrielle Ökosysteme entwickelt, innovative Technologien gefördert und dynamisch auf die sich ändernden Bedürfnisse des Marktes reagiert, so die ehemalige Staatsministerin im Bundeskanzleramt (2005 bis 2008).

BYD Atto 3 – supersicheres E-Auto aus China

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"Wenn wir in die Zukunft blicken, stehen wir vor komplexen geopolitischen Herausforderungen und Handelskonflikten", so Müller weiter. "In diesen Zeiten wird die Bedeutung starker internationaler Partnerschaften deutlicher denn je. Unsere Partnerschaft geht jedoch über die wirtschaftlichen Möglichkeiten hinaus. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur globalen technologischen Entwicklung und zur Erreichung unserer gemeinsamen Nachhaltigkeitsziele. Deutschland und China sind Schlüsselakteure auf dem Weg zur emissionsfreien und vernetzten Mobilität."

China größter Elektro-Pkw-Markt weltweit

Nach VDA-Angaben war China 2023 der größte Markt für E-Autos. Dort wurde 7,3 Millionen Elektroautos verkauft, damit weltweit jeder zweite Stromer. Jeder dritte neu zugelassene PKW hatte in China einen elektrischen Antrieb.

Chinas BYD will E-Autos in Ungarn bauen

03:57

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China will nach eigenen Angaben den europäischen Konsumenten preiswerte E-Autos anbieten, damit der Kohlenstoffausstoß im Verkehrssektor schnell abgebaut werden könne. Allerdings haben die Autobauer aus dem Fernost bisher keine Montagewerke in Europa. Die EU-Märkte bedienen sie ausschließlich über den Export.

Die EU-Sonderzölle machen die chinesischen E-Autos in Europa teurer. Deswegen trüben sich die Aussichten für die Elektromobilität hier im Lande weiter ein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesregierung im Jahr 2023 die Kaufprämie von E-Autos bis zu 4.500 Euro aus Haushaltsgründen auslaufen ließ. Danach sank die Verkaufszahl. Im August wurden nach Angaben des Bundeskraftfahrtamts nur noch 27.024 neue Pkw mit batterieelektrischem Antrieb zugelassen. Das waren 68,8 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bis 2030 will die Bundesregierung 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen sehen. Zum Stichtag 1.1.2024 waren es lediglich 1,4 Millionen.

Gespräche hinter verschlossenen Türen - China und EU verhandelten am Donnerstag (19.09.) in Brüssel über die drohenden Strafzölle.Bild: EU/Christophe Licoppe

Wohin geht die Reise?

Kurz vor dem Treffen zwischen Minister Wang und dem scheidenden Handelskommissar Valdis Dombrovskis berichtete das Politmagazin Politico, dass die Abstimmung über die Einführung der Strafzölle gegen Chinas E-Autos verschoben worden sei.  Spätestens soll vor Ende Oktober darüber abgestimmt werden, verraten Insider aus Brüssel. 

Ob beim Treffen eine sachliche Annäherung erreicht wurde, ist bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt. Dombrovskis sagte, das Gespräch sei "konstruktiv" verlaufen. "Beide Seiten kamen überein, die Bemühungen um eine wirksame, durchsetzbare und mit den WTO-Regeln kompatible Lösung zu intensivieren." Das habe allerdings keine Auswirkung auf das laufende Verfahren und die Fristen. 

 

Dombrovskis selbst wird in der EU-Kommission das Wirtschaftsressort unter Kommissionspräsidentin von Ursula von der Leyen übernehmen. Der neue Handelskommissar soll Maroš Šefčovič werden. Der sozialdemokratische Berufsdiplomat der slowakischen Partei SMER kennt sich ausgesprochen gut darin aus, wie kommunistische Parteien funktionieren. Er studierte in Moskau internationale Beziehungen und war 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gewesen. Er müsste also das nötige Fingerspitzengefühl haben, wenn er weiter mit der Regierung in Peking verhandelt.

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

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