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Decoding China: "Jahr des Drachen" unter Deflationsdruck

Yuchen Li
9. Februar 2024

Am Samstag hat in China das Jahr des Drachen begonnen. Zu Neujahr mehren sich die Anzeichen, dass die künftige Konjunkturentwicklung wenig Anlass zur Freude geben wird. Und es gibt Zweifel an den offiziellen Statistiken.

China Frühlingsfestival 2024 Drache
Bild: picture alliance/CFOTO

In den chinesischen Tierkreiszeichen ist das Jahr des Drachen ein Symbol für "Glück, Weisheit und Erfolg". Ob die chinesische Konjunktur auch im neuen Jahr erfolgreich sein wird, ist allerdings noch mit einem Fragezeichen zu versehen. Viele Experten gehen derzeit von einem Abschwung aus.

Als erstes Indiz dafür sank der Konsum von Schweinefleisch, mit dem viele traditionelle Gerichte zubereitet werden. Dieser Indikator ist deswegen interessant, weil jedes zweite Kilo Schweinefleisch auf der Welt in China konsumiert wird. Bloomberg zitiert einen Metzger in der Hauptstadt Peking, der ein Drittel weniger Umsatz im Vergleich zu normalen Feiertagen beklagte, obwohl das Kilo Schweinefleisch im Schnitt um 20 Prozent günstiger ist als vor einem Jahr.

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Zum ausbleibenden Binnenkonsum kommt erschwerend hinzu, dass diese Woche die Börsenaufsicht Chinas eine Reihe von Maßnahmen beschloss, die den anhaltenden Einbruch des chinesischen Aktienmarktes eindämmen sollen. Viele Börsianer und Wertpapierhändler sehen darin ein schlechtes Omen für das Jahr des Drachen. Was in den staatlich kontrollierten Börsen passiert, gilt immer als Vorzeichen für die Entwicklung der Konjunktur. Der Shanghaier SSE Index ist in den letzten zwölf Monaten um knapp 13 Prozent eingebrochen.

"Wenn das Jahr nicht gut anläuft und die Verbraucher das Geld nicht ausgeben, wird China lange in der Deflation bleiben", sagte Wang Guo-Chen, Ökonom am Chung-Hua Institut für Wirtschaftsforschung (CIER) in Taiwan, gegenüber DW. Eine Deflation entsteht, wenn auf dem Markt die Angebote größer sind als die Nachfrage. Und wenn die Konsumenten nicht mehr genug Geld haben, um die Waren zu kaufen. Das führt dazu, dass die Preise fallen. Ökonomen halten die Deflation für noch schlimmer als das Gegenteil, die Inflation, wenn die Preise steigen.

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Low-Budget-Urlauber

Wie Weihnachten in Ländern mit christlich geprägter Tradition ist das Neujahrsfest in China für den Einzelhandel und Dienstleistungssektor die konsumstärkste Zeit. Zu Jahresbeginn werden gerne neue Haushaltsgeräte angeschafft und den Freunden und Familien Geschenke gemacht. Auch die Gastronomie freut sich auf große Partygesellschaften.  "Es ist das wichtigste Fest für Chinesen", sagt die 31-jährige Kong, die in Shanghai lebt. "Es ist sicherlich notwendig, eine Menge Geld für ein Festmahl und eine Vielzahl von Geschenken vorzuhalten", so die Mutter eines Kleinkindes.

Anstatt das Fest zu Hause zu feiern, entschied sich Kong dieses Jahr, mit ihrer Familie den Beginn des Frühlings im Süden zu feiern. Diese Option wird in immer mehr Haushalten beliebter. Man feiert und macht gleichzeitig Urlaub. "Vor vier Wochen wollte ich ein Familienzimmer buchen. Das war kaum noch möglich", sagt sie. Allerdings gibt Kong nur Geld aus, das sie ausgeben muss. Viele Chinesen bevorzugen nun Reisen mit einem "festen Budget"

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Im Dezember berichtete die staatsnahe Zeitung "Global Times", dass die Buchungen für Auslandsreisen nach Singapur, Malaysia und Thailand im Vergleich zum Vorjahr um das 15-Fache gestiegen seien. Die Zahlen scheinen beeindruckend zu sein. Aber es gilt auch zu bedenken: Im vorangegangenen Corona-Jahr 2022 war es überhaupt schwierig, internationale Reisen zu unternehmen - wegen der Infektionsschutzmaßnahmen.

Nun wird im Zeitraum von sechs Wochen rund um das Frühlingsfest 2024 ein rekordverdächtiges Volumen von neun Milliarden Einzelbuchungen erwartet - inklusive Kurztrips in die nähere Umgebung zum Wohnort. Doch eine Inlandstouristin, die gerade in der Nähe von Peking Skiurlaub macht, berichtet von gesunkenen Preisen bei Hotelbuchungen im Vergleich zu den letzten Jahren. Hou, die verbeamtete Lehrerin einer städtischen Schule, sagt der DW, sie habe selbst nichts vom wirtschaftlichen Abschwung mitbekommen. "Aber ich habe in meinem Freundeskreis gehört, dass viele unter Arbeitslosigkeit und Gehaltskürzungen leiden. Sie kaufen weniger Kleidung und Geschenke zum Fest."

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Falsche Zahlen?

Im Januar gab Chinas Premierminister Li Qiang auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die erste Hochrechnung für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 2023 bekannt.  Nach einer Aufholjagd zum Jahresende hat die chinesische Wirtschaft mit 5,2 Prozent das offizielle Wachstumsziel der Regierung erreicht. Nach Angaben des chinesischen Amts für Statistik stieg 2023 der gesamte Umsatz von Konsumgütern um 7,2 Prozent auf umgerechnet 6,3 Billionen Euro. Allein die Einnahmen der Gastronomie wuchsen um 20,4 Prozent, der Einzelhandel um 5,8 Prozent.

Diese Zahlen werfen jedoch Fragen auf, sagt Wirtschaftsexperte Wang. "Eine Abweichung von der Realität ist hier möglich", denn während die Einnahmen der Gastronomiebetriebe stiegen, sanken die Preise für Lebensmittel wie Schweinefleisch im Laufe des Jahres unter Deflationsdruck. Das sei nicht plausibel. 2023 war die Inflationsrate in China so niedrig wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr.

"Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Wie viel Geld haben die Chinesen 2023 fürs Essen ausgegeben? Entweder gibt es ein Problem mit den Einnahmen der Restaurants. Die Zahlen sind nicht so stark gestiegen. Oder die Lebensmittelpreise sind nicht so niedrig."

Widersprüche in der chinesischen Statistik sieht nicht nur Wang. "Ein Großteil der Ökonomen betrachtet die offiziellen Wirtschaftsdaten Pekings nur noch als 'Bezugspunkt'", schrieb die Fachzeitung Financial Times in einem Leitartikel. "Wenn der Jahresauftakt nicht gelingt, wird sich das natürlich negativ auf das ganze Jahr auswirken", sagt Wang.

Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

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