Decoding China: Peking will mehr Einfluss in Afrika
19. Januar 2024Es ist nicht nur eine Tradition, es ist eine Botschaft. Seit 34 Jahren führt die erste Auslandsreise des Jahres den chinesischen Außenminister nach Afrika.
Diese Woche besuchte Wang Yi Ägypten, Tunesien, Togo und die Republik Elfenbeinküste, bevor er weiter nach Südamerika reiste. Auf seiner Agenda standen neben derKrise im Nahen Osten wirtschaftliche Kooperation und Austausch der Zivilgesellschaft.
Für das energie- und rohstoffhungrige China spielt Afrika eine immer wichtigere Rolle. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg pflegt das kommunistische China eine intensive Zusammenarbeit mit Afrika. Aus ideologischen Gründen verbrüderte sich Peking mit den Ländern, die heute mit dem Begriffspaar "Globaler Süden" bezeichnet werden, und gab sich als deren Wortführer.
Seit vor 45 Jahren in China die Politik der Reform und Öffnung begann, war Afrika zuverlässiger Zulieferer von Bodenschätzen und Ressourcen. Als Gegenleistung investiert China in die Infrastruktur und in soziale Bereiche wie Bildung und Gesundheitsversorgung.
So finanzierte China schon in den 1970er-Jahren die 1860 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zwischen der tansanischen Hafenstadt Daressalam und der Stadt Kapiri Mposhi in Sambia. Die als TAZARA oder Freiheitslinie (Uhuru Railway) bekannte Strecke führt durch das bedeutendste Kupferbergbaugebiet in Afrika. So erhielt China Kupfer aus Sambia und zwar über das Schienennetz, das es selbst gebaut hatte. Zahlreiche andere Infrastrukturprojekte folgen diesem Muster bis heute.
Win-win, nicht ohne Eigennutzen
China habe andere normative Grundsätze, sagt Philipp Gieg von der Universität Würzburg. "China sagt: 'Wir geben nicht vor, was ihr machen sollt.' Die Hilfe für Afrika ist rational von eigenen Motiven bestimmt. Und das wird auch offen gesagt. Wenn China von 'Win-win' spricht, dann heißt es Win für Afrika, aber auch Win für China", sagt der promovierte Politologe und Soziologe weiter.
Kurz nach den Präsidentschaftswahlen auf Taiwan, das in Chinas Augen eine abtrünnige Provinz ist, erfuhr Außenminister Wang auf seiner Afrikareise politische Solidaritätsbekundungen. "Tunesien bekennt sich ausdrücklich zum Ein-China-Prinzip", sagte Präsident Kais Saied. "Togo unterstützt die Wiedervereinigung Chinas", sagte Premierministerin Victoire Tomegah Dogbé. "Es gibt nur ein China auf der Welt. Taiwan ist ein integraler Bestandteil Chinas", sagte Alassane Ouattara, Präsident der Elfenbeinküste.
Da ist die internationale Unterstützung, die China jetzt dringend braucht. Die Präsidentschaftswahlen am 16. Januar auf Taiwan hatte nämlich der chinakritische Kandidat William Lai Ching-te gewonnen.
Abhängigkeit schaffen
Im Rahmen der von Chinas Präsident Xi Jinping initiierten Seidenstraßeninitiative wird die wirtschaftliche Kooperation mit Afrika intensiviert. Die maritime Seidenstraße führt an die afrikanische Ostküste am Indischen Ozean. In Dschibuti, nördlich des Horns von Afrika, hat China 2016 seine erste Militärbasis in Übersee eingerichtet.
Alle drei Jahre findet ein Gipfeltreffen zwischen den chinesischen und afrikanischen Staatsführungen, das Forum on China-Africa Cooperation, kurz FOCAC, statt, zuletzt 2021 im Senegal. Xi Jinping sagte damals in seiner Videobotschaft, die chinesisch-afrikanischen Beziehungen seien deswegen in der Völkergemeinschaft vorbildhaft, weil "beide Seiten im Kampf gegen Imperialismus und Kolonialismus unzerstörbare brüderliche Freundschaft" geschlossen hätten.
Die chinesisch-afrikanische Kooperation basiere auf Gegenseitigkeit, sagt Marina Rudyak vom Institut für Ostasienwissenschaften an der Universität Heidelberg. "Afrikanische Staaten bekommen von China Unterstützung in Form von Investitionen, Handel und Entwicklungshilfe. Und dafür erhält China politische Unterstützung." Etwa bei Abstimmungen in den Vereinten Nationen, wenn es um Themen geht, die für China von Relevanz sind, so Rudyak.
Demokratie? Mir egal!
Nach einer Studie der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung hat China über 15 Parlamentsgebäude in Afrika gebaut oder renoviert. Durch die langfristige Instandhaltung dieser Parlamentsgebäude erhalte China Zugang zu parteiübergreifenden Entscheidungsträgern in der Gesetzgebung. "China ist zu einem entscheidenden Akteur bei der (Neu-)Gestaltung der politischen Institutionen in Afrika geworden", hieß es weiter.
"Es ist klar, dass es China auch um den Aufbau von politischem Kapital geht", sagt Chinakennerin Rudyak. Zugleich verwehre sich China gegen Kritik aus dem Westen, es verfolge nur eigennützige Ziele. Umgekehrt wirft China dem Westen vor, eigennützig zu handeln und politische Bedingungen wie gute Regierungsführung, Demokratieförderung und Menschenrechte nur vorzuschieben. "China glaubt, dass alles sei nicht das, was Afrika brauche", so Rudyak.
Allerdings würden die afrikanischen Länder selbst keine Konkurrenz zwischen China und dem Westen sehen. China baue Straßen, der Westen bringe andere Entwicklungsgüter, so Rudyak. Und Afrika nimmt sich, was es braucht.
Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.