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PolitikChina

Decoding China: Streben nach neuer Weltordnung

Dang Yuan
5. Juli 2024

Beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Astana will Peking mit anderen Autokratien eine neue Weltordnung schaffen und die bestehende herausfordern.

Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew empfängt Chinas Staatschef Xi Jinping am Flughafen von Astana
Abholung am Flughafen: Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew (r.) empfängt Chinas Staatschef Xi Jinping (M.) persönlichBild: Xie Huanchi/Xinhua News Agency/picture alliance

"Ni hao, huan ying!", so begrüßte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew seinen Amtskollegen Xi Jinping am Flughafen in der Hauptstadt Astana. Der 71-jährige Tokajew ist nur einen Monat älter als Xi und spricht fließend Chinesisch. Von 1985 bis 1991 hatte er als sowjetischer Diplomat in Peking gelebt.

Nicht nur sprachlich verstehen sich beide blendend. Auch inhaltlich haben beide Staatsoberhäupter gemeinsame Interessen. In Astana fand diese Woche das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation/SCO) statt.

Der SCO gehören neben Gastgeber Kasachstan auch China und Russland an. Weitere autoritär regierte Länder in Zentralasien sind ebenfalls Mitglieder wie Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Indien und Pakistan sind der SCO ebenfalls beigetreten. Die Präsidentschaft hat aktuell Kasachstan.

Zwei Begegnungen in sechs Wochen: Xi und Putin in AstanaBild: Sergei Guneev/Pool/Sputnik/REUTERS

Erste multilaterale Initiative Chinas

Die ursprünglichen Ideen für die Gründung der SCO waren Vertrauensbildung und Abbau der Militärpräsenz in den Grenzregionen nach dem Zerfall der Sowjetunion. "Die SCO war im Jahre 1996 die erste multilaterale Initiative Chinas", sagt Eberhard Sandschneider, Partner der Denkfabrik Berlin Global Advisor.  "Als man merkte, dass das damals mit drei zentralasiatischen Staaten und der Russischen Föderation gut funktionierte, hat man es institutionalisiert als SCO im Jahr 2001."

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Später wurde sie unter Federführung von China und Russland zu einem Antiterrornetzwerk ausgebaut. So will zum Beispiel Peking in der westlichen Flächenprovinz Xinjiang mit den Nachbarländern zusammen "Terrorismus, Extremismus und Separatismus" als drei "böse Kräfte" bekämpfen. Dort lebt überwiegend die muslimisch geprägte Minderheit der Uiguren, die Peking für viele Terroranschläge im Lande verantwortlich macht.

Für China ist das Thema aktuell denn je. Die Zentralregierung sieht eine große Gefahr, dass die Islamische Turkestan-Partei (TIP) für einen unabhängigen Staat "Ostturkestan" in Xinjiang agiert. Die UN und die EU stuften die TIP 2002 als "Terrororganisation" ein. Die Dschihadisten sind auch in Zentralasien, Afghanistan und Pakistan aktiv, wo viele andere extremistische Organisationen ihre Rückzugsgebiete finden. Die Grenzen dort gelten aufgrund gebirgiger Landschaft als schwer zu überwachen.

Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew (2.v.l.) leitete am Donnerstag die SCO-SitzungBild: Turar Kazangapov/REUTERS

Gegen "Einmischung von außen"

Aber China will mehr. Schon beim Treffen zwischen Putin und Xi am Mittwochabend, die zweite persönliche Begegnung innerhalb von sechs Wochen, wurde klar, dass China noch mehr von der SCO erwartet. "Angesichts der sich ständig verändernden internationalen Großwetterlage müssen wir uns bemühen, die legitimen Rechte und Interessen der Länder zu schützen und die grundlegenden Normen der internationalen Beziehungen zu wahren", sagte Xi.

Am Donnerstag wurde Xi im Plenum noch deutlicher: "Wir sollten uns gemeinsam gegen die Einmischung von außen wehren, uns gegenseitig unterstützen, uns um die Belange des anderen kümmern und die Zukunft und das Schicksal unserer Länder sowie den Frieden und die Entwicklung in der Region fest in unsere Hände nehmen." Xi will eine regionale Allianz, die sich für mehr Themen einsetzt. Im Abschlusskommuniqué wurden Konjunktur, Sicherung der Lieferketten, Digitalwirtschaft und Energiesicherheit erwähnt, bis hin zu kulturell-gesellschaftlichen Austausch und Künstliche Intelligenz.

Allerdings will die SCO den Eindruck vermeiden, eine neue Blockbildung geopolitischer Natur zu betreiben. Es hieß im Kommuniqué, die SCO sei blockfrei und richte sich gegen keine Dritten. "SCO sucht sachliche Zusammenarbeit. Je stärker die Einflüsse der SCO, desto repräsentativer und sichtbarer ist sie im Globalen Süden. Dabei nutzt China seine Vorbilderfunktionen und zeigt den zentralasiatischen Ländern, wirtschaftlichen Konsens trotz politischen Dissens zu erreichen", sagt Liu Qingbin von der japanischen Yohohama-Universität.

"Verein der Autokraten": Die SCO will unter Chinas Führung eine neue WeltordnungBild: Sergei Savostyanov/Tass/dpa/picture alliance

SCO plus

Zum ersten Mal traf der Gipfel - bei Abwesenheit des indischen Premiers Narendra Modi - in einem erweiterten Format zusammen. Es kamen der türkische Präsident Tayyip Recep Erdogan und UN-Generalsekretär Antonio Guterres. "In der SOC geht es immer um Sicherheit und Wachstum, beides die wichtigsten Themen beim effizienten Global Governance. Sicherheit garantiert Wachstum, Wachstum fördert Sicherheit", sagt Liu.

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"Die SCO ist aber nur eine von mehreren multilateralen Initiativen, die alle letztendlich, obwohl jetzt Russland im Vordergrund steht, von China getragen sind, wie die Seidenstraßeninitiative, die BRICS plus fünf neue Mitgliedsstaaten ab 2024 und die RCEP, die regionale Freihandelszone im Pazifik", fügt China-Experte Sandschneider im DW-Interview hinzu. "China ist dabei, in großem Stil alternative Institutionen auf globaler Ebene aufzubauen, die befreundete Nationen ansprechen. Das sind in der Regel Autokratien, die alle einen deutlich antiwestlichen Charakter tragen."

Allen Beteiligten, übrigens auch im Westen, sollte klar sein, dass die bestehende Weltordnung sich ein Stückchen weit überholt habe, so Sandschneider weiter. "Das hat nicht nur mit diesen autokratischen Initiativen um China zu tun, sondern auch mit der innenpolitischen Entwicklung in den USA und dem Zustand der Europäischen Union. Deswegen riechen einige den Braten, dass es möglich ist, die lange Zeit als Bevormundung empfundene westliche Dominanz zumindest zu konterkarieren, wenn nicht gänzlich ins Abseits zu drängen."

Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, schickte seinen jüngsten Sohn nach Peking zum StudiumBild: Sergei Savostyanov/SNA/IMAGO

In Astana feiert die SCO ein neues Mitglied. In die Sicherheitsallianz aufgenommen wurde Belarus, ein weiterer Verbündeter von Peking und Moskau vor der Tür der EU. Das Land regiert Präsident Alexander Lukaschenko seit 30 Jahren. Und China freut sich besonders auf die enge Bindung zu Belarus. Der jüngste Präsidentensohn, Nikolai Lukaschenko, geboren 2004, studiert jetzt Biologie in China an der Elitehochschule Peking University.

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.