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Decoding China: Wirtschaftskrise überschattet Volkskongress

Dang Yuan
Veröffentlicht 1. März 2024Zuletzt aktualisiert 1. März 2024

Chinas Wirtschaft schwächelt. Premier Li Qiang wird sich beim Volkskongress kritischen Fragen stellen müssen. Doch er versprüht Optimismus. Auch Deutschland will weiter vom chinesischen Markt profitieren.

China Shanghai | Li Qiang
(Archiv) Chinas Premier Li QiangBild: Lukas Coch/AP/picture alliance

Chinas Premier Li Qiang ist ein Grundoptimist. Wenn er über die Wirtschaft spricht, nutzt er gerne Unwetterszenarien als Metapher dafür, dass am Ende alles gut wird - so zum Beispiel im Juni 2023, als er auf seiner erste Auslandsreise Berlin besuchte und zur deutschen Wirtschaftsvertretern sprach.

"Wenn es stark regnet, ist es schlammig. Wir dürfen den Kopf aber nie hängen lassen", sagte Li, "Kopf hoch! Wenn die Zeit kommt, sehen wir mit Sicherheit den Regenbogen!", warb er Optimismus versprühend. "Die Konjunktur hat naturgemäß ihren Zyklus, so auch in China."

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Als ranghöchster Lenker Chinas will Li die inzwischen zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt neu aufstellen: fair, wettbewerbsfähig und nachhaltig. Aber die internationalen Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert. Beispielhaft sind dafür steigender Protektionismus und mangelnde Nachfrage. Auch die Zeichen im Inland weisen nach unten. Chinas Immobilienbranche steht in den Ruinen. Nach dem gerichtlichen Beschluss, den Baugiganten Evergrande aufzulösen, fehlt im Land der wichtigste Treiber für das Wachstum.

Die Binnennachfrage bleibt aus. Die Konsumenten sparen lieber als Geld auszugeben. Die Preise sind gesunken. Experten sprechen von einer Deflation, die aus volkswirtschaftlicher Perspektive noch gefährlicher ist als steigende Preise. Die Konsumenten verschieben nämlich ihre Kaufentscheidungen in der Hoffnung auf noch weiter sinkende Preise, so dass sie in der Zukunft für das gleiche Geld noch mehr bekommen. Unternehmer investieren weniger, die Arbeitslosigkeit steigt.

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Und ausgerechnet vor dem traditionellen chinesischen Neujahr Mitte Februar sackte der Aktienindex CSI 3000 auf ein Fünfjahrestief. Peking tauschte sofort die Chefetage der Börsenaufsicht aus. Inzwischen hat sich der Index, der die Kursentwicklung an den zwei wichtigsten Börsenplätzen Shanghai und Shenzhen abbildet, in Maßen erholt.

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Dem Nationalen Volkskongress, der Vollversammlung des chinesischen Parlaments, wird Premier Li zum ersten Mal seinen umfassenden Rechenschaftsbericht abgeben. Die knapp 3000 Delegierte im Plenum, das nächste Woche in Peking zusammentritt, wollen von ihm erfahren, welche Maßnahmen er plant, um die Konjunktur in China wieder auf Kurs zu bringen.

Die magische Schwelle: fünf Prozent. Experten versuchen, diese Zahl zu interpretieren: Über fünf Prozent oder um die fünf Prozent - wie wird Lis Prognose lauten? Das Bruttoinlandsprodukt BIP war 2023 in China nach vorläufigen Zahlen um 5,2 Prozent gewachsen.

China steht vor einer Herkulesaufgabe. Schon 2023 konnten 17 der 31 Provinzen die vorgegebenen Wachstumsziele nicht erreichen. Die offiziellen Berichte der amtlichen Volkszeitung Ende Januar versuchen, eine weitere Hiobsbotschaft positiv zu formulieren: "13 Provinzen haben die Wachstumsziele 2024 im Vergleich zur reellen prozentualen Steigerung des BIPs 2023 nach oben geschraubt." Das bedeutet aber, dass 13 weitere Provinzen die Ziele für das laufende Jahr reduziert haben. Fünf Provinzen wollen die Zielmarke von 2023 beibehalten, rund um die fünf Prozent.

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Die Menschen erwarten eine klare Ansage vom neuen Premier Li, der seit einem Jahr im Amt ist. Nach bisheriger Tradition wird der Ministerpräsident am letzten Tag der mehrtägigen Sitzung vor die internationale Presse treten. Zwar ist die Pressebegegnung, die mit englischsprachiger Übersetzung live übertragen wird, bis ins kleinste Detail inszeniert - bis hin zu den Fragestellern. Die Neugierde darauf, was kommuniziert wird, ist aber groß.

Da der Immobilienmarkt kräftig kriselt, müsse der Binnenkonsum der Ausweg sein, sagt Jinny Yan, Chefökonomin für China der ICBC Standard Bank mit Sitz in London. "Allerdings ist das Vertrauen der Konsumenten in China im vierten Quartal 2023 wieder gesunken. Der bemerkenswerte Rückgang der Einzelhandelsumsätze im Dezember verstärkte die Sorgen über die schwache Nachfrage", sagte sie auf einem Symposium in Frankfurt. "Die Wiederbelebung des Konsums bleibt entscheidend für das Wachstum."

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Liest man die Reden der Staatsführung oder die Meldungen der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua, eröffnet sich aber noch eine weitere Perspektive, wie genau der Kurs aussehen könnte, wenn China vom "Ausbau der Öffnung" und "Unterstützung der Globalisierung" spricht. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) sind neben dem Konsum nämlich ein weiterer Treiber für das Wachstum. China braucht nach wie vor ausländisches Kapital und Know-how, vor allem in den Binnenprovinzen.

Dabei kommt auf die deutsche Wirtschaft eine außerordentlich große Rolle zu. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank haben 2023 Unternehmen aus Deutschland mit knapp zwölf Milliarden Euro FDI so viel neu in China einschließlich Hongkong investiert wie nie zuvor. Jeder zehnte Euro der deutschen FDI 2023 war ins Reich der Mitte geflossen.

Schon im Dezember reagierte Peking mit einer einseitigen Abschaffung der Visapflicht für deutsche Staatsbürger, wenn sie nicht länger als 15 Tage nach China reisen. Jens Eskelund, Präsident der europäischen Handelskammer in China, sagte dem Handelsblatt, dieser Schritt sei einer der "konkreten und praktischen Verbesserungen" für Investoren. "China ist wirklich offen für Geschäfte."

Die Visafreiheit gilt bis Ende November 2024 auch für Staatsbürger aus Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Italien und Malaysia. Das sind überwiegend finanzstarke EU-Länder, mit denen China keine grundsätzlichen politischen Konflikte hat.

Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

 

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