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PolitikAsien

Decoding China: Wie umgehen mit den Huthi?

26. Januar 2024

Zu den Attacken der Huthi im Roten Meer fand Peking immer deutlichere Worte. Zwar werden chinesische Schiffe nicht angegriffen, aber die steigenden Kosten belasten das ohnehin schwache heimische Wachstum.

Huthi-Milizen attackieren mit einem Helikopter ein Schiff im Roten Meer
Bedrohung der internationalen Seefahrt: Angriffe der Huthi-Milizen auf Schiff im Roten MeerBild: Houthi Military Media Center/picture alliance/dpa

Lange hatte China versucht, sich mit den Huthi-Milizen zu arrangieren. Nun verliert Peking offenbar die Geduld. Ein Pekinger Regierungsvertreter soll der Nachrichtenagentur Reuters zufolge den Iran unmissverständlich aufgefordert haben, die Angriffe der Huthi-Miliz auf die Schifffahrt im Roten Meer einzustellen. 

"Werden unsere Interessen in irgendeiner Weise verletzt, wird sich das auf unsere Geschäfte mit Teheran auswirken", zitiert Reuters eine anonyme Quelle im chinesischen Regierungskreis. Der Iran solle die Huthi auffordern, die internationalen Warenflüsse nicht zu gefährden. Chinas Premierminister Li Qiang unterstrich auf dem Weltwirtschaftsforum Mitte Januar in Davos, China sei auf "stabile und geschmeidige" internationale Lieferketten angewiesen. 

"Wir fordern ein Ende der Bedrohungen ziviler Schiffe, um den reibungslosen Ablauf der globalen Produktions- und Lieferketten und die internationale Handelsordnung aufrechtzuerhalten", erklärte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning. Oberste Priorität sei es, den Krieg im Gazastreifen so schnell wie möglich zu beenden. Auch das Handelsministerium in Peking forderte die Wiederherstellung der Sicherheit im Roten Meer.

Am Freitag (26.1.) fügte Chinas Regierungssprecher Wang Wenbin hinzu, der UN-Sicherheitsrat habe keinem Drittstaat das Mandat zur Waffengewalt erteilt. Die Interessen der Anrainerstaaten am Roten Meer müssten respektiert werden. 

Militärisch zeigt sich China den militant-islamistischen Huthi gegenüber zurückhaltend. Im Gegensatz zu den USA und ihren Verbündeten, die wiederholt Stellungen der Milizen im Jemen beschossen, verzichtet China auf ein militärisches Engagement. Als Gegenleistung erhalten chinesische Handelsschiffe freie und sichere Fahrt durch das Rote Meer. Das hat ein Sprecher der Huthi-Miliz im Jemen gegenüber der dpa bestätigt. Der Grund: Schiffe aus China liefen nicht die Häfen vom "verfeindeten Israel" an. Sämtlichen Schiffen aber, die eine Verbindung zu Israel hätten oder das Land ansteuerten, sei die Durchfahrt "verboten". 

Plädoyer für "stabile und geschmeidige" Handelsketten: Chinas Premier Li Qiang auf dem Weltwirtschaftsforum in DavosBild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Massive Beeinträchtigung der Konjunktur

Auch wenn chinesische Schiffe nicht direkt angegriffen werden, spürt die heimische Produktion die wachsende Spannung in tausende Kilometer Entfernung. Ein Großteil des chinesischen Exportes wird über ausländische Reedereien abgewickelt. Rund 60 Prozent aller chinesischen Exporte nach Europa wird durch das Rote Meer und den Suezkanal transportiert, berichtet die Denkfabrik Middle East Institute.
Fällt dieser Transportweg aus, müssen auch die chinesischen Schiffe eine Ausweichroute um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas nehmen. Das würde die üblichen Versandzeiten um zwei bis drei Wochen verlängern, die globale Verfügbarkeit der Container aufgrund längerer Durchlaufzeit beeinträchtigen, geschweige von steigenden Kosten.

Angriffe der Huthi: Eskaliert der Krieg im Nahen Osten?

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So habe der Beschuss durch die Huthi-Milizen für China eine enorme wirtschaftliche Dimension, sagt Johann Fuhrmann, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking, im DW-Interview. "Mit Blick auf die Lieferketten und den globalen Handel sieht sich Peking enormen Herausforderungen gegenüber. So verlängert sich nicht nur die Route um das Kap der Guten Hoffnung. Auch die Preise für Container steigen rasant. All dies fällt in eine Zeit, in der China stark auf Exporte setzt."

Die Immobiliengeschäfte galten zwar Jahrzehnte lange als Wachstumstreiber. Aber in jüngste Zeit sind die großen börsennotierten Immobilienentwickler in Schwierigkeit geraten. Um die Konjunktur anzukurbeln, setzt Chinas Regierung auf den Export. So verkündete zum Beispiel SAIC, einer der größten Autobauer in China, er wolle 14 Containerschiffe für die Exportgeschäfte kaufen.

Zudem sei China auf Energielieferungen aus dem Nahen Osten und Afrika angewiesen, sagt Nora Kürzdörfer, China-Expertin am German Institute for Global and Area Studies in Hamburg, gegenüber der DW. Nach dem Ausbruch der Krise seien die Transportkosten und Versicherungsprämien für chinesische Reedereien deutlich gestiegen.

Nach Agenturberichten haben sich allein die Versandkosten eines Standardcontainers von China nach Europa seit den ersten Angriffen der Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Dezember auf derzeit etwa 7.000 US-Dollar mehr als verdoppelt.

Vorbereitung für militärische Auseinandersetzung: US-Kriegsschiff USS Philippine Sea durchquerte den Suez-Kanal im November 2023Bild: U.S. Navy/abaca/picture alliance

China will keine Einmischung 

Um seine wirtschaftlichen und diplomatischen Interessen in der Region nicht zu gefährden, setze China auf eine Politik der Nicht-Einmischung und betone traditionell die nationale Souveränität der einzelnen Staaten, sagt Expertin Kürzdörfer. Aber die Regierung in Peking weise dauernd auf die Mitverantwortung der USA an der vorherrschenden Instabilität hin. "Das verstärkt Partnerschaften mit lokalen Partnern und Verbündeten wie dem Iran." 

Generell gehe es Peking politisch darum, sich als neue Ordnungsmacht in der Region zu etablieren, sagt Johann Fuhrmann von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Das habe sich etwa gezeigt, als Peking eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran vermittelte. Beide große Rivalen im Nahen Osten hatten im Frühjahr 2023 die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen, nach sieben Jahren Eiszeit.

Inside Gaza - Der Krieg und seine Folgen

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Zugleich betone Peking immer wieder die Souveränität anderer Staaten und inszeniere sich als Friedensmacht. "Peking hat erklärt, dass der Einsatz der USA und ihrer Verbündeten nicht nur im Jemen, sondern in der gesamten Region destabilisierend sei." Generell sehe sich China als Anwalt des globalen Südens. "Damit steht ja auch die bekundete Solidarität mit den Palästinensern in Einklang", so Fuhrmann weiter.

Ende November hatte die chinesische Regierung ein Positionspapier zum Krieg in Gaza veröffentlicht. Darin fordert sie "eine umfassende Waffenruhe und ein Ende der Kampfhandlungen", einen "effektiven Schutz von Zivilisten" und humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza. Unerwähnt bleibt der Angriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober mit rund 1200 Todesopfern und über 200 Entführungen. Im Gegensatz zu Deutschland, der EU und den USA hat China die Hamas nicht als Terrororganisation eingestuft.

Entführt: Das von den Huthi-Milizen beschlagnahmte Frachtschiff Galaxy LeaderBild: AFP via Getty Images

Militärisch unerfahren im Ausland

"In dieser Hinsicht ist bemerkenswert, dass Israel ja grundsätzlich gute Beziehungen zu China hat, dort zugleich aber als Verbündeter der USA wahrgenommen wird", so Fuhrmann. Das sieht auch Nora Kürzdörfer so. "Während China seine Handelsbeziehungen zu Israel aufrechterhält, schlägt es sich rhetorisch und diplomatisch eher auf die Seite der Palästinenser, auch um ein Gegengewicht zu den USA zu stellen." Allerdings spielten für die Regierung in Peking auch ganz praktische Erwägungen eine Rolle, deutet Kürzdörfer an. "China plädiert auch für ein schnelles Ende des Krieges in Gaza, um eine weitere Eskalation der Situation im Roten Meer zu vermeiden."

Auf dieses Szenario sei China nur bedingt vorbereitet. "Peking verfügt über vergleichsweise geringe operative Militärerfahrungen im Ausland und gibt sich wohl auch darum zurückhaltend", sagt Johann Fuhrmann. "Stattdessen zieht es vor, anderen Staaten von der Seitenlinie aus bei ihrem militärischen Engagement zuzuschauen und dieses dann zu kritisieren. Ob sich diese Kalkulation langfristig hält, ist allerdings offen."

Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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