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PolitikAsien

Decoding China: Xi sucht Augenhöhe mit Biden

Dang Yuan
10. November 2023

Joe Biden und Xi Jinping treffen sich am Rande des APEC-Gipfels in San Francisco. Eine Begegnung mit großer Symbolkraft. Xi sieht China als gleichwertigen Partner der USA.

Indonesien Bali G20-Gipfel | Treffen Xi Jinping, Präsident China & Joe Biden, Präsident USA
Biden und Xi im November 2022 auf Bali beim G20-Summit (Archiv) Bild: Kevin Lamarque/REUTERS

Wer Chinas Staatspräsident Xi Jinping beim anstehenden Besuch in San Francisco mit dem US-Präsident Joe Biden fotografiert, hat eine verantwortungsvolle Aufgabe. Das Foto wird die Beziehungen beider Nationen illustrieren, die wirtschaftlich und sicherheitspolitisch konkurrieren. Es steht viel auf dem Spiel: Ohne deren Zusammenarbeit sind globale Herausforderungen wie der Klimawandel eben nicht zu lösen.

Die Öffentlichkeit und die Medien werden daher aus Mimik, Körperhaltung und dem gesamten Setting ablesen wollen, wie die beiden zueinanderstehen. Und symbolträchtig für China: Biden und Xi begegnen sich - rein physisch - auf Augenhöhe. Biden ist 1,83 Meter groß, Xi vermutlich 1,80 Meter, so genau weiß man es nicht. China hütet derartige Informationen über ihre Spitzenpolitiker wie Staatsgeheimnisse. 

Das letzte Treffen zwischen beiden Staatsoberhäuptern fand im November 2022 auf der indonesischen Insel Bali beim G20-Gipfel statt. Seitdem gab es zwar rege politische Konsultationen, aber Xi und Biden haben sich nicht direkt persönlich ausgetauscht.

"Präsidenten Xi und Biden werden schon über konkrete Themen diskutieren", sagt Helena Legarda, Chefanalystin der Berliner Denkfabrik "Mercator Institute for China Studies" (MERICS). "Unklar ist jedoch, ob sie eine Einigung erzielen. Es ist durchaus denkbar, dass dieser Gipfel nicht wirklich viel bringt."

MERICS-Expertin Helena Legarda: "Es ist durchaus denkbar, dass dieser Gipfel nicht wirklich viel bringt"Bild: Marco Urban/MERICS

Wettstreit um globale Dominanz

Politisch stehen sich zwei Systeme gegenüber. China ist ein autokratisch regierter Einparteienstaat, der zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Erde aufgestiegen ist. Bis 2050 will Peking den "Aufbau zur starken Nation der Welt" abgeschlossen haben. Ein kommunistisches Land, das die westliche Allianz im Kalten Krieg jahrzehntelang hart, aber erfolglos bekämpft hatte, will bis 2050 die USA als globale Supermacht abgelöst haben. Als Demokratie und die größte Volkswirtschaft der Welt wollen die USA ihren Platz im Wettstreit mit China verteidigen.

Ähnlich groß: Xi und Biden in Indonesien auf G20-Gipfel 2022Bild: Kevin Lamarque/REUTERS

Beide Länder führen einen erbitterten Wettbewerb auf vielen Ebenen. Es geht um die Wirtschaft, insbesondere den Hightech-Sektor rund um Halbleiter, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Es geht um geopolitische Interessen, wo China mit den nicht westlichen Ländern eine Allianz schmieden und die von den USA dominierte Weltordnung neu gestalten will. Letztlich geht es um die Frage, ob eine kommunistische Autokratie oder eine kapitalistische Demokratie zum ideologischen Leitbild des 21. Jahrhunderts wird.

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Herausforderung durch Autokratie

Mit China nahmen die USA 1972 unter Präsidentschaft von Richard Nixon diplomatische Beziehungen auf. In den letzten Jahrzehnten, vor allem nach Einführung der sogenannten Reform- und Öffnungspolitik 1978, hat das Reich der Mitte eine rasante Entwicklung genommen.

Mit seiner großen Wirtschaftskraft hat China enge wirtschaftliche Abhängigkeiten geschaffen. Der riesige Markt lockt zahlreiche Investoren aus Europa und den USA. Sie brachten Kapital und technisches Know-how. So erwirtschafteten zum Beispiel die deutschen Automobilhersteller VW, BMW und Mercedes im Schnitt 35 Prozent des jeweiligen Konzernumsatzes 2022 in China.

Zugleich engagiert sich China in Afrika, Zentralasien, Lateinamerika und zuletzt in der arabischen Welt. Prominente Beispiele sind die Seidenstraßeninitiative (Belt and Road Initiative, kurz BRI) mit zwei Handelsrouten über die Ozeane und auf dem euroasiatischen Kontinent sowie die Führungsrolle im Verbund der Schwellenländer "BRICS Plus", die gerade um sechs weitere nicht-westliche Mitgliedsstaaten erweitert wurde. Weitere 40 Länder haben Interesse am Beitritt erklärt.

"China praktiziert eine Staatskunst, die durch den Einsatz ökonomischer Hebel versucht, politische Ziele im Verhältnis zu anderen Staaten durchzusetzen", sagt Markus Taube, Professor an der Universität Duisburg-Essen und Wirtschaftsexperte für China. Auf dem Deutsch-chinesischen Wirtschaftstag in Düsseldorf sagte er letzte Woche: "China will mehr Einfluss im globalen System haben und fordert ihn auch ein. Damit wachsen Antagonismen zur westlichen Welt. Wir erleben die Renaissance der 'Economic Statecraft' als Instrument der Verfolgung höherwertiger nationaler Ziele." Der Begriff "Economic Statecraft", wörtlich übersetzt "wirtschaftliche Staatskunst", steht für das Durchsetzen politischer Ziele mithilfe der Wirtschaft. Mit anderen Worten: Wirtschaft macht Außenpolitik.

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"Wandel durch Handel"

Die Ironie der Geschichte ist, dass es gerade der Westen war, der durch "wirtschaftliche Staatskunst" insbesondere in den 1990er-Jahren einen Wandel initiieren wollte. Das deutsche Schlagwort lautete "Wandel durch Handel". "Deutsche Ordnungstheoretiker meinten, komplexe Ökonomien könnten nicht ohne freiheitliche Gesellschaftsmodelle funktionieren. Mit 'Wandel durch Handel' würde ein Angleichungsprozess in Gang gesetzt. Wir sehen heute, dass es nicht ganz richtig ist", sagt Wirtschaftsprofessor Taube. Denn China hat bewiesen, dass Kapitalismus und Autokratie hervorragend zusammenpassen.

"Die große Herausforderung für die westlichen Länder und die langfristige Sorge bestehen darin, dass China seine Ambitionen zum Ausdruck gebracht hat, die derzeitige globale Ordnung, Regeln, Werte und Prinzipien so zu reformieren, dass sie mit seinen eigenen übereinstimmen", sagt MERICS-Expertin Legarda. 

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Die US-geführte Allianz der G7-Staaten, der auch Deutschland angehört, bot China "bei globalen Herausforderungen und in Bereichen von gemeinsamem Interesse" Zusammenarbeit an. In der Abschlusserklärung des G7-Außenministertreffens am Mittwoch (08.11.) in Japan hieß es: "Wir sind bereit, konstruktive und stabile Beziehungen zu China aufzubauen. Es ist aber genauso wichtig, offen miteinander umzugehen und unsere Anliegen direkt gegenüber China zu äußern."

Kurz vor dem Besuch von Xi wurden in den USA Aufforderungen laut, Präsident Biden möge bitte entschiedener auf chinesische Provokationen reagieren. Um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen, sind aber ein pragmatischer Schulterschluss zwischen China und der USA trotz systemischer Rivalität notwendig. Auch der Westen ringt um gleichgesinnte Weggefährten. "Als Demokratien können wir nur dann im Systemwettstreit mit autokratischen Kräften bestehen, wenn unsere Freunde rund um den Globus spüren, dass wir es ernst meinen", sagt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Tokio.

 

Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

 

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