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Delere: "Wünsche mir eine offene Debatte"

Stefan Dege4. Oktober 2015

Vor der Familiensynode in Rom haben deutsche Nachwuchswissenschaftler Katholiken weltweit nach ihrer Lebenswirklichkeit befragt. DW-Interview mit Sarah Delere, einer Initiatorin der Studie.

Vatikan Familiensynode Oktober 2014
Bild: picture-alliance/dpa/Fabio Frustaci

DW: Was hat Sie bewogen, Katholiken in aller Welt über ihr Familienbild zu befragen?

Sarah Delere: Der Impuls ging vom Papst aus, der im Vorfeld der Familiensynoden 2014 und jetzt 2015 sagte: Fragt die Gläubigen! Er selbst hat einen Fragenbogen verschicken lassen. Wir fanden diese Idee großartig. Diesen wertvollen Impuls wollten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen. Wir haben dann nur einen anderen Ansatz gewählt. Uns war es wichtig, ländervergleichend zu arbeiten. Dafür mussten wir eine andere Methodik wählen als der Vatikan.

Wie sehen denn die von Ihnen befragten Katholiken das Verhältnis von kirchlicher Lehre und gelebter Praxis?

Auf der einen Seite teilen viele Katholiken das hohe Ideal der Kirche. Es gibt hohe Zustimmungswerte etwa für die Wichtigkeit einer kirchlichen Hochzeit. Die von uns Befragten sind kirchlich sehr aktiv. Sie nehmen am liturgischen Geschehen teil und unterstützen das in ihren Familien. Und zugleich weichen - etwa bei der Zulassung von wiederverheiraten Geschiedenen zum Kommunionempfang - die Meinungen von der momentanen Lehre der katholischen Kirche ab. Bei der künstlichen Empfängnisverhütung ist Kirche kaum noch eine relevante Größe im Entscheidungsprozess.

War das Ergebnis überall gleich?

Es gibt kulturelle Unterschiede. Aber das lässt sich nicht nach Ländern festmachen. Die Bruchlinien verlaufen eher nach den Themen. Wir haben herausgefunden, dass die umstrittenen Themen, um die es in der Debatte vor der Familiensynode geht, keineswegs nur in Westeuropa im Gespräch sind, sondern auch in Brasilien oder in Nordamerika. Überall werden sie kontrovers diskutiert.

Sarah DelereBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

In Polen, Südeuropa, Brasilien – geht es dort konservativer zu? Zum Beispiel bei der Segnung homosexueller Paare?

Es gibt sicherlich einen länderübergreifenden Trend zu einer Nicht-Diskriminierung. In Deutschland zum Beispiel wünschen sich 70 Prozent der Katholiken eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Dagegen positionieren sich polnische Katholiken, Menschen aus Südosteuropa oder Brasilien mehrheitlich gegen eine solche Segnung.

Bei welchem Thema haben Sie den größten Widerspruch zur kirchlichen Lehrmeinung festgestellt?

Sehr deutlich sind die Zahlen beim Thema Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Da wenden sich in Deutschland sogar 90 Prozent der Befragten gegen die Lehre der Kirche. Das ist schon eine sehr klare Aussage. Ein ähnliches Bild fanden wir in den meisten der untersuchten Länder.

Gilt das auch für die künstliche Empfängnisverhütung? Und hängt das mit der wirtschaftlichen Situation der Befragten zusammen?

Das haben wir nicht untersucht. Das hätte den Rahmen unserer Studie gesprengt. Wir können aber sagen, dass sich zum Beispiel in Deutschland 72 Prozent für das Verwenden künstlicher Methoden aussprechen. Wer natürliche Methoden bevorzugt, führt dafür selten kirchliche Gründe an, sondern etwa ökologisches Bewusstsein, Ablehnung einer dauerhaften Hormoneinnahme oder auch medizinische Gründe.

Was fangen Sie jetzt an mit all Ihren Ergebnissen?

Uns war wichtig, einen Einblick in die Lebenswirklichkeit von Gläubigen zu geben. Wir sagen nicht, was mit der Studie jetzt passieren muss.

Womit rechnen Sie?

Wir nehmen nicht an der Synode teil, aber wir wünschen uns, dass sie die Stimmen der Gläubigen ernst nimmt. Schön wäre, wenn Laien, Wissenschaftler, Vertreter institutioneller Kirche und die Synodenväter gemeinsam nach einer Lösung suchten, in der sich die Lebenswirklichkeit der Gläubigen niederschlägt - in einem gemeinsamen Prozess des Hinhörens. Darum ging uns mit unserem Projekt. Was geschehen wird, lässt sich schwer abschätzen.

Nicht eingeladen nach Rom: Die Studierenden Anna Roth, Sarah Delere und Tobias Roth (von links), bei der Vorstellung ihrer Umfrageergebnisse in BerlinBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Was erwarten Sie von der Familiensynode in Rom?

Ich wünsche mir eine offene und ehrliche Debatte. Das Interesse an dem Thema und die Erwartungen sind ja groß. Sicherlich hängt einiges von der Eigendynamik der Synode ab. Vielleicht wissen wir nach der ersten Synodenwoche mehr. Klar ist, wir hoffen auf ein klares Statement. Aber eine Synode ist kein Konzil. Es kann keine Entscheidungen geben. Höchstens diese offene Debatte und Empfehlungen.

Hoffen Sie auf eine Einladung nach Rom?

Wir hätten nichts dagegen. Aber das ist nicht wahrscheinlich. Hoffnung wäre deshalb wohl übertrieben.

Sarah Delere studiert in Berlin. Gemeinsam mit ihren Münsteraner Kommilitonen Anna und Tobias Roth befragte sie Katholiken in 42 Ländern. Von ihren Fragebögen in sieben Sprachen kamen 10.700 zurück.

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