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Dem Grenzstreit ausgeliefert

Georg Matthes24. September 2015

Seit Ungarn seine Grenze mit Serbien dicht gemacht hat, ist Kroatien zum Haupttransitland für Flüchtlinge auf dem Balkan geworden. Doch auch hier baut Ungarn jetzt einen Zaun. Nur drei Grenzübergänge sind noch offen.

Kroatien Opatovac Busbahnhof
Bild: DW/A. Abboud

Als die Dieselmotoren verstummen, dringt nur das gedämpfte Schreien von zwei Flüchtlingskindern durch die Bussscheiben. Die Atmosphäre an der Grenze zwischen Ungarn und Kroatien ist gespenstisch still. Rund zwanzig Busse mit Flüchtlingen sind aus dem Auffanglager im kroatischen Opatovac angekommen. Als sich die Türen öffnen brüllt ein ungarischer Grenzbeamter mit Mundschutz: "In Zweierreihen aufstellen." Zögerlich verlassen die ersten 50 von rund 1000 Flüchtlingen den Bus und treten in die Mittagshitze. Was sie sehen, kommt einer Militärfestung gleich. Gepanzerte Fahrzeuge, Maschinengewehre und ein einsames Versorgungszelt mit Toilettenhäuschen, so heißt Ungarn die Menschen am Grenzübergang Beremend willkommen.

Wie Häftlinge behandelt

Die Prozedur, die jetzt beginnt, ist eine Schikane. Jede Busladung Flüchtlinge wird einzeln von dutzenden Grenzbeamten durchsucht. Jede Tasche, jeder Rucksack muss ausgepackt werden. Immer wieder brechen Menschen erschöpft zusammen, werden von Sanitätern versorgt. Auf der ungarischen Seite warten bereits Busse.

Flüchtlinge: Warten auf ein WeiterkommenBild: DW/G. Matthes

Dass die Flüchtlinge nun doch nach Ungarn einreisen, überrascht die meisten. Den Umweg über Kroatien hatten sie nur gewählt, weil Ungarn die Grenze zu Serbien vor knapp einer Woche dicht gemacht hat.

"Wir sind im Libanon gestartet und über das Mittelmeer in die Türkei gefahren. Von dort ging es wieder über das Meer weiter nach Griechenland, dann nach Mazedonien, Serbien und Kroatien," sagt ein junger Syrer, der mit einer Gruppe Studenten reist. Zuletzt hätten ihnen vor allem die Landminen im kroatisch-serbischen Grenzgebiet, die noch aus der Zeit des Jugoslawienkriegs stammen, große Sorgen bereitet. Bei Tag sei die Gruppe deshalb über die grüne Grenze nach Kroatien gekommen, um die Warnschilder sehen zu können, erzählt er. Aber er habe keine Wahl, seine Eltern würden für das Assad-Regime arbeiten: “Wenn wir nicht zur Armee gehen, will uns der IS oder die syrische Befreiungsarmee rekrutieren. Aber wir wollen keinen Krieg, wir wollen einfach nur studieren".

Beremend: Grenzübergang wird zur Festung

02:35

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Völlig überfülltes Lager in Kroatien

Über zwei Tage musste die Gruppe mit 4000 Flüchtlingen in dem einzigen Auffanglager, das es derzeit auf kroatischer Seite gibt, warten. Vor dem Lager in Opatowac haben sich riesige Schlangen gebildet und immer neue Flüchtlinge tauchen aus den Maisfeldern der Umgebung auf. Allein in der vergangenen Woche sind 50.000 Flüchtlinge von Serbien nach Kroatien eingereist. Das Land ist völlig überfordert mit dem Ansturm.

Der Grenzübergang Beremend ist zum Nadelöhr geworden, denn über die grüne Grenze kommen kaum noch Flüchtlinge nach Ungarn. Wenige hundert Meter vom Grenzübergang entfernt ist eine Gruppe von ungarischen Soldaten mit schwerem Gerät dabei, Pfähle in den Boden zu rammen. Mit Hochdruck arbeitet das Land daran, die 329 Kilometer lange Grenze zu Kroatien zu versiegeln. Bis zum Wochenende soll der Zaun stehen. Der Bürgermeister von Beremend, Ferenc Theisz ,ist den Soldaten dankbar: "Weil die Grenze zu Serbien in Röszke jetzt dicht ist, vermeiden die Flüchtlinge diese Route und ich hoffe, wenn der Zaun hier einmal fertig gebaut ist, werden sie auch Beremend meiden."

Überfülltes Lager in OpatovacBild: DW/G. Matthes

Ungarische Machtspiele

Auf die Frage warum Ungarn die Flüchtlinge nicht bereits in Serbien einreisen lässt, weicht er aus. Eine junge Ungarin, die an der Grenze wartet, hat eine Erklärung. Sie ist sich sicher, dass hier Innenpolitik auf dem Rücken der Flüchtlinge gemacht wird. Ungarn und Serbien haben national-konservative, Kroatien dagegen eine liberale Regierung. "Mit der Entscheidung, den Flüchtlingsstrom über Kroatien zu lenken, will Ungarn eine politische Krise im Nachbarland auslösen", sagt sie.

Am Grenzübergang Beremend ist es mittlerweile Nacht geworden. Erst nach über sechs Stunden Warten setzt sich die erste Buskolonne, begleitet von gepanzerten Fahrzeugen der Armee, in Bewegung. Es geht zu einem kleinen Bahnhof im ungarischen Magyarboly. Von hier bringen Züge die Menschen an die österreichische Grenze und ihrem Traumziel Westeuropa ein Stück näher.

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