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Politik

"Dem Jemen kann nur noch ein Wunder helfen"

14. Juni 2018

Der Angriff auf Hodeida zeigt der jemenitischen Bloggerin Afrah Nasser: Die Saudisch-geführte Koalition sucht im Jemen die militärische Entscheidung. Sie befürchtet, dass eine blutige Schlacht um Sanaa folgt.

Jemen | bomardierter Hafen von Hodeida
Bild: Reuters/A. Zeyad

DW: Die Saudisch-geführte Koalition hat trotz vieler Warnungen und Bitten - auch von Seiten der Vereinten Nationen - mit der Offensive gegen die Hafenstadt Hodeida im Jemen begonnen. Was bedeutet das für die rund 400.000 Menschen in der Stadt und für den Rest des Landes?

Afrah Nasser: Es ist eine traurige und besorgniserregende Entwicklung. Es zeigt die Verzweiflung von allen, die sich um ein Ende des Jemen-Krieges bemühen, dass sie jetzt die Saudisch-geführte Koalition anflehen, diese Stadt in Ruhe zu lassen und nicht die ohnehin schon verheerende humanitäre Katastrophe weiter zu verschlimmern. Der Hafen von Hodeida ist extrem wichtig. Nahrungsmittellieferungen, Hilfslieferungen, auch die Einreise von humanitären Helfern - all das läuft über den Hafen von Hodeida. Wird dieser Hafen zerstört, kommt die humanitäre Hilfe zum Erliegen.

Ohnehin hatten viele den Eindruck, dass für den Krieg im Jemen kein Ende in Sicht ist. Die Schlacht um Hodeida zeigt erneut, wie hoffnungslos die Lage ist. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen diesen Krieg militärisch gewinnen. Und die Menschen im Jemen bezahlen den Preis dafür.

Die Offensive gegen Hodeida hat sich schon eine Zeit lang angekündigt. Aber es sah so aus, als würde die saudische Koalition tatsächlich aus humanitären - und vielleicht auch militärischen - Gründen davon absehen. Warum hat sie gerade jetzt dennoch den Angriff gestartet?

Es gab immer schon eine enge Verbindung zwischen Hodeida und Sanaa, der von den Huthis besetzten Hauptstadt. Ich glaube, die Schlüsselfigur hier ist der Neffe des früheren Präsidenten Ali Abdualla Saleh, Tariq Saleh. Dieser Brigadegeneral Tariq Saleh hat den Kampf überlebt, bei dem im Dezember 2017 sein Onkel von den Huthis getötet wurde. Tariq Saleh konnte nach Marib entkommen, wo er viele saudische Beamte traf. Ich glaube, er hat den Plan vorgelegt: Wenn man die Schlacht um Sanaa gewinnen und die Huthis zurück in den Norden drängen will, muss man über Hodeida gehen.

Die Journalistin und Bloggerin Afrah Nasser beim Global Media Forum 2018 in BonnBild: DW/P. Böll

Deshalb mache ich mir große Sorgen darüber, was auf die Schlacht von Hodeida folgt. Natürlich schreiben alle Medien zu Recht über die drohende humanitäre Katastrophe, über die Opfer unter der Zivilbevölkerung. Aber wenn sich die saudische Koalition dann tatsächlich nach Sanaa wendet, wird es ein furchtbares Blutbad geben. Dann werden wir eine Schlacht sehen, ebenso furchtbar wie die um Aleppo in Syrien oder um Mossul im Nordirak.   

Könnte die Saudisch-geführte Koalition die Offensive auf Hodeida ohne Rückendeckung aus Washington begonnen haben?

Auf keinen Fall! Die Saudis haben zwar Geld, aber keine militärische Erfahrung. Deshalb sind sie auf die militärische und logistische Unterstützung der USA angewiesen. Und auf deren diplomatische Unterstützung, besonders in den Vereinten Nationen und im Weltsicherheitsrat.

Die Huthis - die Gegner der saudischen Koalition - gelten als vom Iran unterstützt. Und sicherlich gibt es da auch Unterstützung. Aber wie viel Kontrolle hat Teheran tatsächlich über die Huthis?

Sie haben gemeinsame Interessen und es gibt auch religiöse Gemeinsamkeiten. Aber nehmen wir mal die Meldungen über Waffenlieferungen. Der Jemen war schon immer voll von Waffen. Statistisch gibt es hier mehr Waffen als Menschen. Mehr Waffen pro Kopf gibt es sonst nur noch in den USA. Diese Waffen haben also eine lange Geschichte. Die Iraner haben die Medienberichte über ihre Nähe zu den Huthis genutzt, um sich als Gegenmacht zu den Saudis zu präsentieren. Aber wenn man mit den Leuten in Sanaa redet, hört man etwas anderes. Wenn ich etwa mit meiner Mutter rede, einer Frau, die nichts mit Politik zu tun hat, dann fragt die mich: "Sie sagen, sie bekämpfen im Jemen den Iran. Ich verstehe das nicht. Hier gibt es keine Iraner. Warum bombardieren sie denn nicht den Iran?"

Sanaa: Trümmer eines im Mai von der saudisch geführten Koalition zerbombten GebäudesBild: picturea-lliance/H. Al-Ansi

Was, wenn überhaupt, könnte den Jemen dem Frieden näher bringen? 

Ein Wunder, wir brauchen ein Wunder. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass dieser Krieg so wird wie der in Afghanistan, dass wir ein Chaos bekommen wie in Afghanistan. Jedes Jahr Krieg wirft uns um zehn Jahre zurück. Wir brauchen den politischen Willen der mächtigsten Kriegsparteien. Das sind die USA, Großbritannien, Saudi-Arabien, die Emirate. Wenn die nicht den Willen zu einer politischen Lösung haben, werden wird den Lärm der Waffen noch auf Jahre hinaus hören.

Afrah Nasser ist eine jemenitische Journalistin und Bloggerin. Sie lebt zurzeit in Schweden und betreibt einen Blog.

Die Fragen stellte Matthias von Hein.

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