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Politik

Demonstranten fürchten die Internet-Zensur

23. Februar 2019

Nicht alle sehen die Zukunft des Internets als solches in Gefahr. Einig sind sie sich dennoch: Die EU darf das Urheberrecht nicht wie geplant reformieren. 2500 Menschen haben protestiert. Aus Köln Jan D. Walter.

Köln Proteste gegen Uploadfilter
Bild: DW/Jan D. Walter

Wie eine Horde von Computerprogrammen sieht sie gar nicht aus, die Protestkundgebung unter dem Motto #saveyourinternet - "Rettet das Internet". Aber wie um sicher zu gehen, skandieren die Demonstranten immer wieder: "Wir sind keine Bots!"

Der Slogan ist eine Anspielung auf einen Tweet des Europaabgeordneten Sven Schulze. Darin bezeichnete der CDU-Mann eine Flut von Protest-E-Mails gegen die geplante Reform des europäischen Urheberrechts als "Fake-Aktion" des Internet-Giganten Google.

Tatsächlich beäugt man im Silicon Valley mit einigem Unbehagen, was vor allem konservative Kräfte in der EU da durchsetzen wollen. Nach dem Leistungsschutzgesetz, das Artikel 11 beschreibt, dürfte Google-News keine Zitate mehr ungefragt aus Online-Zeitungen nutzen. Artikel 13, um den es in Köln vor allem geht, würde Videoplattformen wie Dailymotion, Vimeo oder eben Youtube, das ebenfalls zum Google-Imperium gehört, erhebliche Verantwortung und damit Kosten auferlegen.

Aber die - nach Polizeiangaben - 2500 Demonstranten in Köln wollen klarstellen, dass nicht nur Google ein Problem damit hätte: "Wir sind kein instrumentalisierter Mob amerikanischer Großkonzerne, und wir wurden nicht geschickt", ruft ein Redner unter zustimmendem Gejohle und Applaus.

Jenseits des technisch Machbaren

Nach dem aktuellen Entwurf würde Artikel 13 des Gesetzes große "Diensteanbieter der Informationsgesellschaft" verpflichten, "durch angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zu gewährleisten", dass - kurzgesagt - die Urheberrechte gewahrt bleiben. Wie sie das machen, steht nicht darin, aber die einzige irgendwie gangbare Möglichkeit, daran besteht wenig Zweifel, wären automatisierte Uploadfilter, die verdächtige Inhalte automatisch aussortieren und verhindern, dass sie überhaupt öffentlich zugänglich werden. Dienstleister, die (geistiges) Eigentum aufbewahren, sollen verpflichtet werden, dieses zu schützen: Klingt doch eigentlich plausibel. Oder?

Emily Müller und Kristijan Canak fürchten, dass es noch komplizierter wird, legale Youtube-Videos zu machenBild: DW/Jan D. Walter

Jein, meint Emily Müller. Die 34-Jährige veröffentlicht selbst Videos in ihrem Youtube-Channel "einfach emmi". Urheberrechtlich geschütztes Fremdmaterial benutzt sie kaum. Dennoch sagt sie: "Es ist schon schwierig genug, unterwegs Videos mit Umgebungsbildern zu machen, mit Artikel 13 würde das fast unmöglich." Dazu muss man wissen, dass es schon ein Verstoß gegen das Urheberrecht sein kann, wenn im Hintergrund zufällig Fernsehen oder Musik laufen.

Theoretisch, räumt Müller ein, könnten Uploadfilter Künstlerinnen wie ihr die Sicherheit geben, dass sie gar keine Copyright-Verstöße mehr begehen können. Praktisch aber überwiegt die Sorge, dass auch völlig legale Inhalte aussortiert werden.

Die technische Umsetzung ist ein grobes Werkzeug

Genau damit hadert auch Viktor Roth: "Wir haben überhaupt kein Problem damit, dass gegen Urheberrechtsverletzungen vorgegangen wird. Unsere Kritik richtet sich ausdrücklich gegen die Umsetzung." Roth, alias VIK, alias Ali, ist einer der Wortführer der Kundgebung und gehört zur deutschen Youtube-Prominenz. Mit 2,6 Millionen Followern auf seinem Kanal iBlali spielt der 26-Jährige in einer Liga mit LeFloid, der 2015 durch sein Merkel-Interview auch dem analogen Publikum bekannt wurde.

Im Gegensatz zu seiner Kollegin Müller nutzt Roth auf seinen diversen Kanälen häufig fremde Inhalte - zum Beispiel als Zitate, um zu dokumentieren, was er kommentiert, oder um sie zu persiflieren. Und das ist - nicht nur in Deutschland - von der Kunstfreiheit gedeckt und damit völlig legal. Genau das, sagt Roth, können automatische Uploadfilter aber überhaupt nicht unterscheiden: "Technisch ist das nicht umsetzbar, und das wissen auch die Digitalexperten der CDU."

Dass es zumindest einigen Demonstranten darum gehen könnte, auch illegal eingestellte Kinofilme oder Sportveranstaltungen kostenlos im Internet sehen zu können, schließt Roth nicht kategorisch aus. Aber das, sagt er, sei heutzutage auch eigentlich nicht der Punkt: "Das ist ja schon viel schwieriger geworden, diese Inhalte werden ja sofort wieder gelöscht."

Ein Herzstück des Internets in Gefahr?

Roths Kritik wirkt handfest, wenig ideologisch. An Horrorszenarien wie, dass es Youtube bald nur noch in den USA geben werde, glaubt er nicht. Aber er sieht durchaus Jobs und die Kreativität seiner Zunft in Gefahr. Vor allem für nicht so bekannte Kollegen könne die Luft dünn werden, schließlich könnten sie in die Pflicht geraten nachzuweisen, dass ihre Beiträge legal sind.

Damit liefert er - gewollt oder nicht - ein Argument für Fundamentalkritik. Denn manche sehen nicht weniger als die Freiheit des Internets an sich bedroht. Sie sehen ein elementares Ideal schwinden: dass das Internet nämlich praktisch jedem eine Bühne gibt, eine Chance, seine Meinung zu äußern. Wer aber würde sich schon auf einen Rechtsstreit mit Google einlassen, nur um ein Video zu posten?

Das Wort der Zensur macht die Runde. Und damit haben die Demonstranten durchaus einflussreiche Führsprecher: In einem Youtube-Video sprechen sich EU-Abgeordnete der Linken, der Piratenpartei, der Grünen, der SPD und der FDP in seltener Eintracht gegen die "Zensurmaschinen" aus.

Die Hoffnung der Demonstranten: Dass der fraktionsübergreifende Widerstand im EU-Parlament bis zur endgültigen Abstimmung in diesem Frühjahr so weit wächst, dass das Gesetz doch noch kippt. Dafür, kündigen sie an, werden sie noch häufiger auf die Straße gehen, und dann werde es wieder heißen: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut."

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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