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Herbe Misserfolge

Christina Bergmann, Washington20. Dezember 2007

Als die Demokraten vor einem Jahr in beiden Häusern des US-Kongresses die Mehrheit eroberten, versprachen sie einen politischen Richtungswechsel. Doch viele ihrer Pläne platzten. Jetzt ersehnen sie die nächsten Wahlen.

Nancy Pelosi jubelt mit erhobenen Armen, vor ihr steht eine Tafel mit dem Text: "A new direction for America" (07.11.2006, Quelle: AP)
Wollte die Richtung ändern: Demokratin Nancy PelosiBild: AP
Geplatzer Plan: Abzug der US-Truppen aus dem IrakBild: AP

Dem Verteidigungsetat ein konkretes Abzugsdatum für die Truppen aus dem Irak hinzufügen, die embryonale Stammzellenforschung ausweiten, das staatliche Krankenversicherungsprogramm für bedürftige Kinder erweitern – das alles waren Pläne der Demokraten, von denen sie sich mittlerweile verabschieden mussten. Kurz vor der Weihnachtspause im Kongress gab sich die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, trotzdem optimistisch: "Wir stehen für den Wechsel, wir haben für Änderungen gesorgt, wir können einen Teil in diesem Jahr noch erreichen."

Ohne 60-Stimmen-Mehrheit drohen Endlosdebatten

Um noch mehr durchzusetzen, bräuchten sie jedoch einen demokratischen Präsidenten und eine größere Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat. Denn die Mehrheit der Demokraten im Kongress ist hauchdünn. Im Repräsentantenhaus ist das Verhältnis 232 zu 201. Das reicht, um Gesetze auf die Tagesordnung zu bringen und mit Mehrheit zu verabschieden. Im Senat aber steht es derzeit 51 zu 49. Oder um genau zu sein: 49 zu 49. Zwei Senatoren gelten als unabhängige Kandidaten. Sie werden in der Regel den Demokraten zugerechnet, doch auf ihre Stimmen ist kein Verlass.

Die Mehrheit der Demokraten im US-Kongress ist hauchdünnBild: picture-alliance/dpa

Und selbst wenn die Demokraten im Senat auf 51 Stimmen kommen, reicht das nicht, um ein Gesetz zur Abstimmung zu bringen. Denn laut den Regeln sind 60 Stimmen nötig, um eine Abstimmung zu erzwingen. Gibt es diese Mehrheit nicht, droht eine Endlosdebatte. Die Aussicht darauf verhindert oft schon, dass ein Gesetzesvorschlag überhaupt zur Abstimmung gebracht wird.

Das Problem hat sich ganz konkret an den verschiedenen Gesetzesvorlagen zum Verteidigungshaushalt gezeigt, den die Demokraten an ein Rückzugsdatum der Truppen aus dem Irak gekoppelt sehen wollten. Sie scheiterten alle spätestens im Senat – wenn sie überhaupt zur Abstimmung kamen.

Eine Frage der Taktik

Kritiker werfen Nancy Pelosi deswegen vor, die falsche Taktik gewählt zu haben. Sie hätte wissen müssen, dass sich für ihre Gesetzesvorlagen mit dem Rückzugsdatum im Senat nicht genug Republikaner finden würden, die gegen ihren Präsidenten George W. Bush stimmen. Dr. Michael Haltzel, ehemaliger Berater des demokratischen Senators Joe Biden hingegen hält die gewählte Taktik für richtig – weil sie eine breite Diskussion ausgelöst hat. "Die ständigen Debatten über die Gesetzesinitiativen der Demokraten haben mit dazu beigetragen, dass mittlerweile zwei Drittel der Amerikaner gegen den Krieg sind", meint Haltzel.

Umstritten: Präsidenten-Veto gegen eine Krankenversicherung für arme KinderBild: AP

Die amerikanische Verfassung sei jedoch vor allem auf Kompromissfindung angelegt. "Laut Verfassung hat der amerikanische Präsident dem Kongress gegenüber eine ganz starke Position." Denn er kann sein Veto einlegen – was Bush in letzter Zeit des Öfteren getan hat. Sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat sind dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, um die präsidiale Ablehnung zu überstimmen. Im Senat heißt das: 16 Republikaner müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen. Im Fall des Irak-Krieges sei das derzeit unmöglich, sagt Haltzel. Oft reichte in diesem Jahr allein die Androhung des präsidialen "Neins", um ein Gesetz zu Fall zu bringen.

Wer ist schuld am Misserfolg?

Wenn sie auf die schlechte Bilanz des Jahres zurückblicken, zeigen Demokraten im Repräsentantenhaus und Senat gegenseitig mit dem Finger aufeinander: Die Senatoren fordern vom Repräsentantenhaus kompromissfähigere Vorlagen – und die Abgeordneten dort werfen den Senatoren Feigheit und mangelnde Initiative vor.

Das Verhältnis zwischen beiden Kammern war laut Haltzel noch nie besonders gut. "Im Repräsentantenhaus herrscht eine wesentlich unpersönlichere Atmosphäre als im Senat", erzählt Haltzel. Auch das trage dazu bei, dass ein und dieselbe Taktik nicht zwangsläufig in beiden Häusern zum Erfolg führt. Vor allem nicht, wenn die Mehrheitsverhältnisse so knapp sind.

Warten auf die Wahlen

Republikaner und Demokraten hoffen gleichermaßen auf die WahlenBild: AP GraphicsBank/DW

So bleibt den Demokraten nichts anderes übrig, als auf die Wahlen im nächsten November zu warten. Sie setzen darauf, dass ihnen die Blockadehaltung der Republikaner Stimmen bringen wird. Doppelt so viele Senatsposten der Republikaner werden neu gewählt wie Posten von Demokraten.Die Republikaner dagegen hoffen darauf, dass ihre Wähler zufrieden sind, wenn sie sich den Reformbestrebungen der Demokraten entgegensetzen.

Für beide Seiten ist das ein gewagtes Spiel, denn was leidet, ist das Ansehen des Kongresses. Nach der jüngsten Gallup-Umfrage von Anfang Dezember sind 37 Prozent der Amerikaner mit der Politik ihres Präsidenten zufrieden. Das ist immer noch wenig, aber ein leichter Trend nach oben. Die Zustimmung für den Kongress bleibt in der gleichen Befragung allerdings auf historischem Tiefststand: Sie liegt nach wie vor bei 22 Prozent.

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