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Demokratie online

Marc von Lüpke24. Januar 2013

Eine Online-Petition ist eine wichtige Möglichkeit für Bürger, sich persönlich an das Parlament zu wenden, unkompliziert, mit wenigen Klicks. Aber kann sie tatsächlich politische Prozesse beeinflussen?

Auf dem Bild: Screenshot Portal des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags. Quelle: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a02/index.jsp
Screenshot Portal des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags

Sie ist klein, blau und meistens findet man sie nicht, wenn man sie dringend braucht. Die Rede ist von der Parkscheibe. So unscheinbar sie ist, brachte sie es im Dezember 2012 doch zu einiger Bekanntheit in Internetkreisen: Eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag forderte die Aufhebung des offiziell vorgeschrieben Blautons der Parkscheiben.

Auf der Petitions-Website des Deutschen Bundestages finden sich weitere Eingaben, die eher in die Rubrik "Kurioses" fallen. So fordert eine Petition die Abschaffung der Zoos, eine andere das Verbot von "Bubble Teas". Natürlich finden sich auch ernstere Themen auf der Petitions-Homepage – wie die Forderung nach einem dauerhaften Aufenthaltsrecht für diskriminierte Sinti und Roma in Deutschland. Und schließlich möchte eine weitere Petition das Recht der Bevölkerung auf Grundversorgung mit schnellen Internetanschlüssen erreichen.

Auf manchen Parkplätzen muss man mit der Parkscheibe angeben, wie lange man parkt.Bild: picture alliance/dpa/Montage DW

Grundrecht im Internet

Die Petenten, so werden die Einreicher einer Petition genannt, nehmen im Internet ein durch das deutsche Grundgesetz geschütztes Recht war. "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden", lautet der betreffende Artikel 17. Viele in Deutschland kennen die Zettel, auf denen in Fußgängerzonen mühsam Unterschrifen gesammelt werden - meist gegen kommunale Beschlüsse.

Seit 2005 kann man Petitionen online einreichen. Ein Riesenvorteil für Aktivisten und Protestierende: Es kommen sehr schnell sehr viele Unterschrifen zusammen.

Organisationen wie Avaaz.org und Campact setzen sich für Umwelt und Menschenrechte einBild: REUTERS

Von der Möglichkeit sich an einer Online-Petition zu beteiligen hat eine durchaus beeindruckende Zahl von Menschen in Deutschland Gebrauch gemacht: 1,1 Millionen sind bei der Online-Petitionsplattform des deutschen Bundestages registriert. Ein Diskussionsforum bietet zusätzlich die Gelegenheit, Petitionen mit anderen Usern zu diskutieren und zu kommentieren. 50 Millionen Clicks kamen so allein im Jahr 2011auf der Petitionshomepage des Bundestages zusammen.

Erfolgschancen einer Petition

Bevor es nun zu einer Entscheidung im Bundestag kommt, muss die Petition erst einmal am Petitionsausschuss des Bundestages vorbei. Der Petitionsausschuss besteht aus Bundestagsabgeordneten und verfügt über immense Rechte. Er kann sogar Minister einbestellen, um Fragen zu beantworten.

Seine politische Macht ist dagegen geringer, denn er entscheidet nicht selbst über die eingegangenen Forderungen. Aber er kann dem gesamten Bundestag eine Beschlussfassung empfehlen. So kann zum Beispiel die Abschiebung eines Asylbewerbers verhindert werden. Die Chance aber, ein Gesetz durch eine Petition zu Fall zu bringen oder gar ein neues auf den Weg zu bringen, ist sehr gering. Bisher hat das noch keine Petition geschafft.

Politiker haben die Pflicht, sich mit Petitionen auseinander zu setzenBild: picture alliance / dpa

Petitionen können Druck ausüben

Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Pascal Jürgens macht jedoch auf eine interessante Veränderung im Stellenwert der Petition aufmerksam. "Früher spielte die Petition eine kleine Rolle in der Demokratie", so Jürgens. Sie führte vor allem "nicht zwingend zu einer politischen Handlung." Letzteres ist auch heute noch richtig.

Allerdings hat sich die Bedeutung der Petition gerade durch die moderne Medienlandschaft mit dem Internet an der Spitze geändert. Es braucht nur das richtige Thema, wie zum Beispiel Umweltschutz und Klimawandel, sowie die weite Verbreitung über Medien wie das Internet, um Menschen für eine Petition zu begeistern und zur Unterschrift zu bewegen.

Diese Erfahrung musste auch die frühere Familienministerin Ursula von der Leyen machen. Als sie 2009 mit dem sogenannten Zugangserschwernisgesetz den Zugriff auf Internetseiten mit möglichen kinderpornographischen Inhalten erschweren wollte, sammelte eine Online-Petition gegen das Gesetz binnen kurzer Zeit über 130.000 Unterstützer. Alle diese Unterzeichner lehnten eine Zensur im Internet ab.

Bei der Petition gegen drastisch erhöhte Versicherungsprämien für Hebammen war der Erfolg, dass die gesetzlichen Kassen unter anderem durch den gewaltigen öffentlichen Druck Ausgleichszahlungen angeboten haben.

Menschen mobilisieren, Politiker sensibilisieren

Öffentlichkeitswirksame Themen wie zum Beispiel das Verbot von Gentechnik werden seit längerem auch von großen Organisationen zum Gegenstand von Petitionen gemacht. Und erfüllen so vor allem einen Zweck: Öffentlichkeit erzeugen und dadurch möglicherweise auch politische Prozesse in Gang zu setzen (oder zu stoppen). Denn eine Petition, die über 100.000 Menschen unterstützen, lässt auch Politiker nicht kalt.

Proteste gegen Gentechnik sind Gegenstand vieler PetitionenBild: picture-alliance/dpa

An der Akzeptanz der digitalen Petitionen macht Pascal Jürgens ihren eigentlichen Wert für die Demokratie aus: "Hier beteiligen sich auch Menschen, die in der Regel nicht an der Politik teilhaben. Mit der Online-Petition haben wir also ein Instrument, das politisch nicht viel bewirkt, aber durch seine Einfachheit viele Leute zum Mitmachen bringt." Die Bedeutung der Petition hat sich also durch das Internet gewandelt. In diesem Fall allerdings zum Nutzen der Demokratie, die vom Mitmachen lebt.

Allerdings ist die Entwicklung auch paradox: Die Einführung der Online-Variante hat die Gesamtzahl der Petitionen sinken lassen. Wie eine Mitarbeiterin des zuständigen Ausschussdienstes formuliert: "Wir haben gemerkt, dass wir durch das Internet weniger Petitionen haben. Wir hatten das Gegenteil vermutet." Der Grund dafür, so glaubt man dort, liegt darin, dass Leute bei der hohen Anzahl der Petitionen immer irgend etwas finden, das sie unterstützen. Und selber keine eigenen Petitionen mehr einreichen.

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