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PolitikAfrika

Kongo: Neue Regierung, alte Gewalt

Antonio Cascais
15. April 2021

Mit seiner neuen Regierung hat Kongos Präsident Tshisekedi einen Punktsieg im Machtkampf mit Vorgänger Kabila erreicht. Als Priorität nannte er die Sicherheit im Osten des Landes, wo neue Gewalt aufflammt.

DRC-Präsident Félix Tshisekedi  und Jean-Michel Sama Lukunde
Bild: Giscard Kusema

In den Städten Goma, Beni und Butembo, im Osten der Demokratischen Republik Kongo, ist wieder einmal die Gewalt eskaliert. Jugendliche zerstörten Häuser und Geschäfte und setzten Autoreifen in Brand. Sie sind wütend auf die UN-Blauhelme der Friedensmission MONUSCO , auf die kongolesische Armee und auf die Polizei. Die Sicherheitskräfte hätten sich allesamt als unfähig erwiesen, die Bevölkerung vor den marodierenden Banden und Milizen zu schützen. In den vergangenen Wochen sind Rebellenangriffe in der von Gewalt geplagten Region stark angestiegen. Allein die mit dem Islamischen Staat (IS) verbundene Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces) hat nach UN-Angaben seit Beginn des Jahres mehr als 200 Menschen getötet und 40.000 in die Flucht getrieben. Das wollen die Jugendlichen nicht länger hinnehmen. Sie rufen Slogans wie "Ihr habt kläglich versagt", "Ihr schützt die Zivilbevölkerung nicht" oder "Ihr seid Komplizen des Feindes".

Überfälle von ADF-Rebellen schüren die Angst in der Region um BeniBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

"Die Blauhelme von der MONUSCO tun praktisch nichts. Sie müssen schleunigst raus aus unserem Land", sagt Clovis Mutshuva von der "Bewegung für den Wandel" dem DW-Reporter in Beni. Der Aktivist kündigt an, die Proteste fortzusetzen, bis der Abzug aller Soldaten erreicht sei. Die Demonstrationen hatten bereits vor gut einer Woche begonnen und verliefen zunächst hauptsächlich friedlich. Am Montag schlugen sie jedoch in Gewalt um. Mindestens zehn Menschen wurden getötet, mehr als 20 weitere verletzt.

Der Gouverneur der Unruheprovinz Nordkivu, Carly Nzanzu Kasivita, verurteilt die Proteste: "Junge, zumeist bewaffnete Demonstranten gehen immer wieder auf die Polizei los", sagt er dem DW-Reporter in der Hauptstadt Goma. Die Provinzregierung habe deshalb angeordnet, weitere Demonstrationen bis auf weiteres zu verbieten. Das sei notwendig, um die restliche Zivilbevölkerung zu schützen, so der Gouverneur.

Auch Kongos reguläre Armee genießt in der Bevölkerung keinen guten RufBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

Doch die Mehrheit der Zivilbevölkerung scheint die Anliegen der jungen Demonstranten zu teilen: "Wir erleben täglich, dass die Feinde, die uns terrorisieren, Uniformen der MONUSCO oder der FARDC, also der offiziellen Streitkräfte, tragen. Deshalb schlagen wir vor, dass sie alle von hier verschwinden", sagt eine Frau in Beni, die anonym bleiben will.

Neue Regierung verspricht Abhilfe

"Die Lage ist angespannt", sagt der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa, Benno Müchler, der sich zurzeit in Goma aufhält, im DW-Gespräch. "Man muss genau beobachten, ob die neue Regierung etwas dazu beitragen kann, dass sich die Lage verbessert."

Tatsächlich hat Präsident Felix Tshisekedi Anfang der Woche, nach einem viermonatigen Machtkampf mit seinem Vorgänger Joseph Kabila, eine neue Regierung vorgestellt, nachdem er bereits im Februar Sylvestre Ilunga, der als Alliierter Joseph Kabilas galt, als Premierminister abgesetzt und durch seinen Vertrauten Jean-Michel Sama Lukonde Kyenge eretzt hatte. Angesichts der aktuellen Spannungen beeilte sich die neue Regierung, die Sicherheit im Osten des Landes zur Priorität zu erklären.

Auch nach der Stabübergabe an Félix Tshisekedi (rechts) im Januar 2019 galt Joseph Kabila (links) als StrippenzieherBild: picture-alliance/AP Photo/J. Delay

Doch was kann die neu gebildete Regierung tun, um die Lage im Ostkongo zu beruhigen? "Sie muss es schaffen, mit allen Parteien im Land ins Gespräch zu kommen. Das war in der Vergangenheit immer schwierig", antwortet Benno Müchler. Tshisekedis neue Regierung ziele in die richtige Richtung: Der Präsident habe in letzter Zeit unter Beweis gestellt, dass er sich um eine Verbesserung der Lage bemühe, und habe diese auch in der Afrikanischen Union auf die politische Agenda gesetzt, deren Vorsitz er seit Februar innehat.

Hat Tshisekedi den Machtkampf für sich entschieden?

Die neue Regierung zählt 57 Mitglieder, darunter 14 Frauen. Während Mitglieder des inneren Kreises von Tshisekedi die Ressorts für Verteidigung, Inneres, Finanzen und Bildung erhalten haben, wurden Persönlichkeiten der Anti-Kabila-Opposition in andere Schlüsselpositionen berufen, darunter die Umweltministerin und stellvertretende Premierministerin Eve Bazaiba von der Bewegung für die Befreiung des Kongo (MLC).

Auch der neue Außenminister Christophe Lutundula wird dem Anti-Kabila-Lager zugeordnet: Er gilt als Unterstützer des ehemaligen Gouverneurs der Provinz Katanga, Moise Katumbi, der selbst bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2018 gegen Kabila kandidiert hatte. Damit scheint Joseph Kabila weitestgehend seinen Einfluss auf die Regierung verloren zu haben.

Die wohl mächtigste Frau im neuen Kabinett ist Eve Bazaiba, eine Weggefährtin des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre BembaBild: Christophe Licoppe/Belga/imago images

Hat Tshisekedi den Machtkampf mit seinem Vorgänger Joseph Kabila nun endgültig für sich entschieden? "Es ist tatsächlich eine neue Situation entstanden", sagt Benno Müchler von der Adenauer-Stiftung. Es sehe so aus, als habe der neue Präsident sich gegenüber dem alten durchgesetzt.

Die Führungskrise in der Demokratischen Republik Kongo lodert seit den Wahlen im Dezember 2018, die zum ersten friedlichen Machtwechsel in der Geschichte der ehemaligen belgischen Kolonie führten: Félix Tshisekedi, Sohn eines erfahrenen Oppositionsführers, wurde zwar zum Sieger erklärt, aber zu einer Regierungskoalition mit Kabila-Anhängern gezwungen, die zu der Zeit eine große Mehrheit im Parlament hatten.

Doch die Spannungen zwischen beiden Lagern waren groß und haben sich im vergangenen Jahr verschärft, als Tshisekedi erklärte, dass die Aufteilung der Macht seine Reformagenda blockiere. Tshisekedi versprach, eine neue Mehrheit im Parlament anzustreben. Tatsächlich konnte er in einer Reihe von Schritten viele ehemalige Kabila-Anhänger im Parlament auf seine Seite ziehen und kann derzeit mit der Unterstützung einer Mehrheit in der Nationalversammlung rechnen. Diese Mehrheit ermöglichte es ihm jetzt, praktisch alle Kabila-Anhänger aus der Regierung zu drängen.

"Die Erwartungen der Menschen an die neue Regierung sind groß", sagt Benno Müchler von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Gegenüber der DW äußern sich die Menschen auf der Straße skeptisch, dass diese Regierung eine Verbesserung der Sicherheitslage im Osten des Landes erreicht. Ein Straßenhändler sagt dem DW-Reporter in Beni: "Wir warten ab, was kommt. Wir sind so zornig, dass wir eine rohe Schlange verschlingen könnten!"

Mitarbeit: John Kanyunyu (Beni), Nety Zaidi Zanem (Goma)

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