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Demokratisierung der arabischen Literatur

Werner Bloch

Die Frankfurter Buchmesse wird die bisher größter Schau arabischer Literatur. Allen Unterschieden zum Trotz treten die Teilnehmer-Staaten gemeinsam auf. Dieser Erfolg ist auch Ibrahim al-Moallem zu verdanken.

Ibrahim al-Moallem:<br>Der rebellische PatriarchBild: Frankfurter Buchmesse / Peters

Es sieht nicht gut aus für die arabische Literatur: In Ländern wie Ägypten und Mauretanien leben 50 bis 60 Prozent Analphabeten. Der Markt für die 275 Millionen potenziellen Leser ist noch gar nicht erschlossen. Es fehlen genügend moderne Verlage, und publiziert wird in vielen Ländern nur das, was der Regierung gefällt - vor allem Werke über den Islam. Dafür, dass das anders wird, kämpft der wohl mächtigste Verleger des Nahen Ostens: Ibrahim al-Moallem. Er ist Präsident der Arabischen Verlegerunion - und er ist ein Rebell. "Vor vielen Jahren wurde ich einmal gekidnappt, und mein Vater, der auch ein Verleger war, wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Aber heute wäre das nicht mehr möglich. Jetzt kann ich sagen, was ich will, und man gibt mir sogar Preise dafür wie den arabischen Verlegerpreis. Wir sind demokratisch, offen und tolerant. Wir wollen Reformen, und wir wollen sie jetzt."

Kultur, nicht Staat

Ibrahim al-Moallem will die arabische Literaturwelt aus ihrer Rückständigkeit holen. Der 60-jährige Verleger aus Alexandria hat keine Angst, sich mit den arabischen Regierungen und auch mit seiner eigenen Regierung anzulegen. Er publiziert die widerspenstigen und radikalen Autoren, den Literatur-Nobelpreisträger Machfus, aber auch den von den Regierungen gefürchteten Hamad Hassani Heikel.

Das Logo des Ehrengastes auf der Frankfurter Buchmesse 2004


Ohne seine Reisediplomatie - seine Mischung aus Diplomatie und Peitsche - wäre die gemeinsame arabische Präsentation bei der Frankfurter Buchmesse vom 6. bis 10. Oktober 2004 niemals zustande gekommen. "Wir stellen uns einer großen Herausforderung. Wir wollen zum ersten Mal die gesamte arabische Kultur präsentieren. Nicht etwa ein Land, das wäre viel einfacher, sondern wir wollen das Gemeinsame zeigen, das allen arabischen Ländern zugrunde liegt, nämlich unsere Kultur." Vor allem aber gehe es darum, eine Vision für die Zukunft zu zeigen. Dass die arabische Kultur etwas ganz anderes ist als das, was Al-Kaida vermittelt.

Schwierige Rahmenbedingungen

Die arabischen Staaten sind hoffnungslos zerstritten. Einzelpersonen und Staaten zanken sich in endlosen Animositäten miteinander herum. Die beiden wichtigsten Länder der arabischen Buchwelt, Ägypten und der Libanon, rivalisieren um die Vorherrschaft. Und der Libanon ist zudem innerlich zerrissen zwischen einem christlichen und einem muslimisch orientierten Verlegerverband.

Andererseits gibt es auch Hoffnung. Ibrahim al-Moallem hat etwas geschafft, was noch nie in der Geschichte der Arabischen Liga gelang: Die Politik zu entmachten - mit den Mitteln der Kultur. "Die Arabische Liga repräsentiert die arabischen Regierungen. Die Buchmesse möchte aber, dass die arabische Kultur vertreten wird und nicht die Regierungen. Deshalb spielt die Arabische Verlegerunion eine so wichtige Rolle. Wir sind unabhängig, wir vertreten die Kultur und die Zivilgesellschaft."

Die bessere Autoren-Auswahl

Die Arabische Verlegerunion hat die Koordination der Buchmesse übernommen und darum lange und hart mit der Arabischen Liga gerungen. "Und wir haben uns durchgesetzt: Wir haben die Autoren für die Buchmesse ausgesucht – und wir haben auch viele Oppositionelle dabei, die zum Beispiel in Europa leben."

Den arabischen Regierungen wäre es lieb gewesen, nur staatstreue Dichter einzuladen. Oppositionelle, kritische Geister oder gar Rebellen hätten so keine Chance gehabt. Ibrahim Al-Moallem und sein Verlegerverband haben durchgesetzt, dass die unterschiedlichsten Strömungen vertreten sind. So hat die Buchmesse schon im Vorfeld zu viel politischer Bewegung in der arabischen Welt geführt, weil Kompromisse geschlossen und Einigungen erzielt werden mussten.

Nicht immer hat das geklappt. Fünf Länder sind aus dem gemeinsamen Programm ausgeschert: Algerien, Marokko, Libyen, Kuweit und der Irak. Dennoch werden auch aus diesen Ländern Autoren vertreten sein. Dass weiterhin Probleme bestehen, leugnet Al-Moellem nicht: "Wir haben in unseren Ländern Zensur, wir haben nicht genug Leser. Aber wir haben immerhin den Mut, die Probleme auszusprechen. Und wir machen Fortschritte." In Europa gibt es den Buchdruck seit dem 15. Jahrhundert, in einigen arabischen Ländern dagegen erst seit 20 Jahren. Da könne man nicht erwarten, dass alles auf demselben Stand ist.

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