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Politik

Demonstranten im Iran wegen "Tötung" angeklagt

12. November 2022

Wohl zur Abschreckung berichten iranische Staatsmedien über Fälle, in denen Angeklagten die Todesstrafe droht. Aktivisten rufen ungerührt zu neuen Protesten auf.

Anhaltender Protest im Iran
Seit eineinhalb Monaten halten die regierungskritischen Proteste im Iran an (Archivbild)Bild: SalamPix/abaca/picture alliance

Nach der Ankündigung drakonischer Strafen für Demonstranten verschärft die iranische Justiz ihr Vorgehen gegen Regierungskritiker. Zehn Männer und eine Frau seien wegen der Tötung eines Mitglieds der Basidsch-Milizen während einer Kundgebung Anfang November nahe Teheran angeklagt worden, meldet die staatliche Nachrichtenagentur IRNA. Ihnen drohe die Todesstrafe. Die Miliz, die der religiösen Führung der Islamischen Republik untersteht, ist in Versuche der Sicherheitskräfte eingebunden, den Protest niederzuschlagen. 

Aktivisten rufen unterdessen zu einer Großkundgebung in der kommenden Woche auf. Sie soll am dritten Jahrestag der Niederschlagung von Demonstrationen im Jahr 2019 stattfinden. Damals waren laut Amnesty International mehr als 300 Menschen getötet worden. "Lasst uns am 15. November zusammenkommen und eine der Teheraner Autobahnen erobern", heißt es in einem anonymen Aufruf, den die Frauenrechtlerin Negin Schiraghaei auf Twitter veröffentlichte. "Die Straßen gehören uns."

"Geisel-Diplomatie"

Die Regierung in Paris zeigte sich empört angesichts einer "Geisel-Diplomatie" des Irans. Außenministerin Catherine Colonna sagte der Zeitung "Le Parisien", inzwischen seien dort sieben Franzosen inhaftiert. Sie verlangte deren sofortige Freilassung und bis dahin konsularischen Zugang. Bereits Anfang Oktober hatte das Ministerium dem Iran vorgeworfen, ein im Mai festgesetztes französisches Paar als "staatliche Geiseln" zu halten und auf inakzeptable Weise im Fernsehen vorzuführen.

"Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen": Bundeskanzler Olaf Scholz - hier bei einer Diskussion in LeipzigBild: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz übte erneut scharfe Kritik an der iranischen Führung. "Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt? Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen", sagte Scholz in einem Internetvideo. Der Iran sei Mitglied der Vereinten Nationen und habe sich verpflichtet, die Menschenrechte zu wahren. Die EU-Außenminister wollen am Montag neue Sanktionen gegen Teheran verhängen. Wegen des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte sollen mehr als 30 Einzelpersonen und Organisationen mit Einreise- und Vermögenssperren belegt werden.

Schulterschluss mit Russland

Indessen rückt Moskau weiter an die Islamische Republik heran. Der russische Präsident Wladimir Putin vereinbarte mit seinem iranischen Kollegen Ebrahim Raisi eine engere Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt eines gemeinsamen Telefonats hätten die Bereiche Politik und Wirtschaft, einschließlich des Transport- und Logistiksektors, gestanden, teilte der Kreml mit. Erst kürzlich hatte der Iran nach vorangegangenen Dementis zugegeben, auch Kampfdrohnen nach Russland exportiert zu haben. Nach Erkenntnissen der Ukraine und des Westens setzt die russische Armee iranische Schahed-136-Drohnen bei Attacken auf die Infrastruktur im Kriegsgebiet ein.

Gemeinsamer Feind: Irans Präsident Ebrahim Raisi rückt näher an Russland (Archivbild)Bild: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Im Iran wird seit knapp zwei Monaten gegen die Führung des Landes protestiert. Auslöser der anhaltenden Massenkundgebungen war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die strengen islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb Mitte September nach einem vorangegangenen Polizeigewahrsam im Krankenhaus.

Seither protestieren landesweit Zehntausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem. Der Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo zufolge sind im Zuge der aktuellen Protestwelle bislang mindestens 326 Menschen getötet worden, darunter zahlreiche Kinder. Tausende Demonstranten sowie Anwälte, die Festgenommene verteidigen wollten, sitzen in Haft.

jj/kle (dpa, afp, rtr)