Demonstration nach tödlichen Polizeischüssen in Oldenburg
26. April 2025
Nach tödlichen Polizeischüssen auf einen 21-Jährigen im niedersächsischen Oldenburg haben dort Tausende Demonstranten eine Aufklärung des Vorfalls verlangt. Zahlreiche Menschen hielten Plakate in die Höhe mit Aufschriften wie "Gerechtigkeit für Lorenz", "Bin ich der Nächste?" oder "Wer beschützt uns vor den Beschützern?" Auf einer Bühne sprachen Mitglieder der Familie und Freunde des Getöteten.
Zu der Kundgebung hätten sich rund 8000 bis 10.000 Menschen versammelt, teilte die Polizei mit, die nach eigenen Angaben "mit einem starken Kräfteaufgebot" vor Ort war. Während des Protestzugs sei es "lediglich vereinzelt" zu verbalen Provokationen und Beleidigungen von Beamten gekommen. "Der Tod von Lorenz A. bewegt viele Menschen zutiefst - auch innerhalb der Polizei", erklärte der Einsatzleiter, Polizeivizepräsident Arne Schmidt. "Dass so viele Bürgerinnen und Bürger heute friedlich zusammengekommen sind, um ihre Betroffenheit auszudrücken, verdient Respekt."
Streit mit Türstehern
Lorenz A. hatte laut Polizei am frühen Ostersonntag vor einem Nachtclub Reizgas in Richtung der Türsteher gesprüht, nachdem ihm der Zutritt verwehrt worden war, und dadurch mehrere Personen leicht verletzt. Auf der Flucht habe er Menschen mit einem Messer bedroht und sei "bedrohlich" auf die Besatzung eines Streifenwagens zugegangen, in deren Richtung er ebenfalls Reizgas gesprüht habe, heißt es in einer Pressemitteilung. Daraufhin habe ein 27-jähriger Beamter von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Lorenz A. sei im Krankenhaus den dabei erlittenen Verletzungen erlegen.
Laut Obduktionsbericht wurde der schwarze Deutsche von mindestens drei Schüssen getroffen. Verletzungen fanden sich demnach an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Alle drei Geschosse drangen demnach von hinten in den Körper des Getöteten ein. Eine vierte Kugel soll ihn am Oberschenkel gestreift haben.
Bodycams waren ausgeschaltet
"Anhaltspunkte dafür, dass er in der konkreten Situation vor der Schussabgabe auch den Polizisten mit dem Messer gedroht hätte, gibt es derzeit nicht", heißt es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Oldenburg. Sogenannte Bodycams der Beamten, also Kameras, die an deren Uniform befestigt waren, seien nicht eingeschaltet gewesen. Gegen den Polizisten, der geschossen hatte, wird wegen Verdachts auf Totschlag ermittelt. Er wurde vom Dienst suspendiert. Beides ist in solchen Fällen üblich.
"Mehrere Schüsse von hinten, das ist für uns nicht zu rechtfertigen", sagte Suraj Mailitafi, Sprecher der Oldenburger Initiative "Gerechtigkeit für Lorenz". "Das Vertrauen in eine Institution, die eigentlich uns schützen soll, steht auf dem Spiel", erklärte er. Daher müsse der Fall lückenlos aufgeklärt werden.
Blumen, Herzen, persönliche Botschaften
Am Ort des Geschehens in der Oldenburger Innenstadt wurden viele Blumen, Herzen und persönliche Botschaften abgelegt. Aber auch in anderen Städten, etwa in Berlin, Bochum, Braunschweig, Düsseldorf, Frankfurt, München, Stuttgart und Wien, wurde des Getöteten bei Mahnwachen gedacht.
In sozialen Netzwerken finden sich unter den Hashtags #gerechtigkeitfürlorenz und #justiceforlorenz Stimmen gegen Polizeigewalt und Rassismus. Viele der Menschen, die sich dort äußern, fürchten, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen rassistischen Hintergrund haben könnten.
Zahl tödlicher Polizeischüsse 2024 auf Höchststand
In Deutschland stieg die Zahl tödlicher Polizeischüsse im Jahr 2024 auf einen Höchststand: Nach einer Auswertung von Polizeiberichten durch die Deutsche Presse-Agentur starben auf diese Weise bundesweit 22 Menschen. Die Innenministerkonferenz der Bundesländer veröffentlicht jedes Jahr eine Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch des Vorjahres. Die Fachzeitschrift "CILIP - Bürgerrechte & Polizei" dokumentiert die Todesfälle und Hintergründe ab dem Jahr 1976 und gleicht diese mit den Statistiken der Innenministerkonferenz ab.
In früheren Jahren lag die Zahl der Menschen, die ihr Leben durch Polizeischüsse verloren, demnach deutlich niedriger: 2023 waren es zehn, 2022 elf und 2021 acht Tote. Insgesamt starben seit 2015 141 Menschen an tödlichen Polizeischüssen.
jj/pg (dpa, afp, epd)
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