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Terrorismus

Grenzen dicht machen oder mehr Prävention?

20. Dezember 2016

Nach dem Berliner Attentat verschärft sich die Diskussion über Terror-Abwehrmaßnahmen. "Grenzen dicht" fordert die AfD und bestärkt Befürchtungen von Experten, die vor einer Instrumentalisierung des Anschlags warnen.

Menschen in der Nähe vom Anschlagsort in Berlin
Bild: Reuters/P. Kopczynski

Den Anfang machte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen AfD, Marcus Pretzell: "Es sind Merkels Tote", schrieb der Lebensgefährte von AfD-Bundeschefin Frauke Petry kurz nach den ersten Meldungen über den Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt auf Twitter. "Deutschland ist nicht mehr sicher", schrieb dann Petry und forderte, Polizei und die Geheimdienste müssten aufgerüstet und potenzielle Terroristen und Gefährder rigoros abgeschoben werden. "Grenzen sofort dicht machen" und "Re-Migration statt Terror-Import" heißt es von der rechtspopulistischen "Identitären Bewegung". Mittlerweile ist die Liste an ähnlichen Tweets um einiges länger geworden, nicht wenige Menschen stimmen zu, teilen diese und ähnliche Äußerungen.

Tweet von AfD-Mann Marcus Pretzell kurz nach dem AnschlagBild: Twitter/Marcus Pretzel

Warnung vor Generalverdacht gegen Flüchtlinge

Andere wiederum halten dagegen. Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Beispiel warnte vor voreiligen Schuldzuweisungen und dem Ruf nach scheinbar einfachen Lösungen. "Wer solche öffentlichen Erklärungen abgibt, zum Teil nur kurze Zeit nach dem Anschlag, will keinen Beitrag zur Lösung eines Problems leisten, sondern den Anschlag für eigene Zwecke nutzen", sagte Lammert. Grünen-Chef Cem Özdemir warf der AfD vor, den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt zu nutzen, um ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, warnte vor einem Generalverdacht gegenüber Geflüchteten. "Es wäre verheerend, wenn wir jetzt sagen: Aha, jetzt sehen wir es - die Flüchtlinge sind schuld. Wir dürfen diesen Terroristen nicht noch einen nachträglichen Erfolg verschaffen, indem wir gegeneinander lostreten, indem wir nicht zusammenhalten, indem wir unbesonnen und mit Hass im Herzen die Dinge angehen", so Marx.

"Populisten wollen Einfluss nehmen"

Für Gudrun Hentges, Rechtsextremismusforscherin und Professorin für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln, kommen die Forderungen der Rechtspopulisten nicht überraschend. Die Reaktionen zeigten, dass diese nur darauf gewartet hätten, dass sich ein Terroranschlag in einer deutschen Großstadt ereigne, um ihn dann zu instrumentalisierten, sagte sie der Deutschen Welle. "Alle Geflüchteten werden unter Generalverdacht gestellt, es wird versucht, die aktuelle Situation dahin gehend zu interpretieren, dass man sagt, wir leben in einer absoluten Bedrohungslage."

Rechtsextremismusforscherin Hentges: "Geflüchtete werden unter Generalverdacht gestellt"Bild: privat

Damit werde man versuchen, auf Fragen der inneren Sicherheit und auf die Abschiebepolitik Einfluss zu nehmen, befürchtet  Hentges. "Wie sich das in der Großen Koalition entwickeln wird, ist noch offen aber es ist in vielen politischen Auseinandersetzungen so, dass Rechtspopulisten Forderungen stellen, die dann auch von der Regierung aufgegriffen werden. Insofern sehe ich diesen Anschlag als große Gefahr für die Debatte über Geflüchtete."

Minister spricht von "Kriegszustand"

Harsche Worte kamen bereits aus den Unionsparteien. So sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon, nach der Gewalttat von Berlin: "Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten", befand der saarländische Innenminister. Er kündigte an, wo erforderlich, würden Polizeikräfte künftig mit "schwerem Gerät" antreten. "Das heißt: Langwaffen, Kurzwaffen, Maschinenpistolen." Und CSU-Chef Horst Seehofer will die deutsche Flüchtlingspolitik einer Generalüberprüfung unterziehen. "Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Solche Äußerungen lassen laut Politikwissenschaftlerin Hentges befürchten, dass sich der Anschlag auch auf die bevorstehende Bundestagswahl auswirken werde. Dabei seien vielen Forderungen nach mehr Sicherheit rein faktisch Grenzen gesetzt, man könne nicht alle Flüchtlinge rund um die Uhr überwachen.

"Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit"

Da die Gefahr einer Radikalisierung  immer da steige, wo Flüchtlinge auf sich alleine gestellt blieben, seien verstärkte Präventions- und Integrationsmaßnahmen ein besserer Schutz gegen Anschläge, als eine Kontrolle allein, so Hentges. Klar sei aber: "Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, an keinem Ort der Welt." Das müssten die Parteien den Menschen ehrlich sagen, statt Hysterie zu schüren, so die Professorin.

Anschlagsort an der Berliner Gedächtniskirche: Weihnachtsmarkt nur für einen tag geschlossenBild: DW/M. Heuer

Eine ähnliche Sicht auf die neuen Forderungen nach verschärften Sicherheitsmaßnahmen äußerte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Im Bayerischen Rundfunk sagte er, bei 2500 Weihnachtsmärkten könne es "keine hundertprozentige Sicherheit geben".

Grundsätzlich einig sind sich die Innenminister von Bund und Ländern darüber: Weihnachtsmärkte sollen deutschlandweit auch weiterhin stattfinden. Angemessene Maßnahmen um die Sicherheit zu erhöhen, sollten "vor Ort" geplant und ergriffen werden, entschieden die Minister in einer Telefonkonferenz. Laut Berlins Innensenator Andreas Geisel werden die Betreiber der Weihnachtsmärkte in der Hauptstadt nur für einen einzelnen Tag gebeten, die Märkte nicht zu öffnen - aus Rücksichtnahme auf die Opfer und deren Angehörige.

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