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Politik

"Deniz Yücel sitzt in Isolationshaft"

Başak Demir
8. März 2017

Der Abgeordnete der türkischen Oppositionspartei CHP, Tanrıkulu, hat den "Welt"-Reporter im Gefängnis von Silivri besucht. Mit Yücels Inhaftierung will Erdoğan seine Wähler ansprechen, sagt Tanrıkulu im DW-Interview.

Türkei Sezgin Tanrikulu
Oppositionspolitiker Sezgin Tanrıkulu vor der Redaktion der türkischen Zeitung CumhuriyetBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Die beiden Abgeordneten der türkischen sozialdemokratische Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) Sezgin Tanrıkulu und Utku Çakırözer besuchten am Montag die im Gefängnis von Silivri inhaftierten Journalisten. Neben den Redakteuren der Tageszeitung Cumhuriyet haben sich die beiden Abgeordneten auch mit Deniz Yücel unterhalten. Tanrıkulu beantwortete die Fragen der DW.

Deutsche Welle: Sie haben inhaftierte Journalisten im Gefängnis von Silivri besucht. Mit welchen Journalisten konnten Sie sprechen?

Sezgin Tanrıkulu: Utku Çakırözer und ich haben 15 Journalisten besucht. Wir sprachen mit Murat Sabuncu, Ahmet Şık und allen anderen inhaftierten Journalisten der Tageszeitung Cumhuriyet. Wir haben auch mit Deniz Yücel gesprochen. Wir mussten uns mit allen Journalisten einzeln unterhalten, denn es ist untersagt, mit allen gemeinsam zu sprechen.

Was hat Ihnen Deniz Yücel bei dem Gespräch erzählt?

Ich habe den Inhaftierungsprozess von Deniz Yücel mitverfolgt. Yücel blieb 13 Tage in Gewahrsam. In der Türkei beträgt die Höchstdauer 15 Tage. Das heißt, Deniz Yücel wurde beinahe die maximale Frist ausgeschöpft. Diese lange Zeit ist schon bedenklich, böswillig und die reinste Folter. Denn Deniz Yücel ist kein Terrorist, kein Selbstmordattentäter und kein Mitglied einer Terrororganisation. Er wurde wegen seiner Artikel in Gewahrsam genommen und auch während des Verhörs nur zu seinen Artikeln befragt.

Als Inhaftierungsgrund wurde angegeben, Deniz Yücel habe Terrorpropaganda verbreitet und das Volk zu Hass und Feindschaft angestachelt. Ob sich diese Anschuldigungen auf seine Einträge in den sozialen Medien oder seine Artikel beziehen, ist noch ungeklärt. Wissen Sie mehr?

Ich habe das Verhör-Protokoll gelesen und keine Fragen zu seinen Einträgen in den sozialen Medien gesehen, wohl aber zu seinen Artikeln. Erstens hat er Analysen zu Rojava, Nordirak, Mosul, Kobane, Syrien, Irak und zur Kurdenpolitik der Türkei veröffentlicht. Zweitens gibt es Interviews, die er zur Kurdenfrage geführt hat. Dazu wurde er befragt. Das sind alles Artikel, die in der Zeitung "Die Welt” erschienen sind.

Wie sind seine Haftbedingungen?

Deniz Yücel schrieb am 1. März einen Brief über seine Haftbedingungen Bild: picture-alliance/dpa/WeltN24

Bevor er inhaftiert wurde, war er im Gefängnis Metris, dann wurde er, wenn ich mich nicht irre, am vergangenen Freitag in das Gefängnis Silivri gebracht. Jetzt ist er in einer Einzelzelle in einem Gefängnis, in dem normalerweise immer drei Inhaftierte einen fünf bis sechs Quatratmeter großen gemeinsamen Raum nutzen können. Er hat zu niemandem Kontakt. Die Gefängniswärter behandeln ihn nicht schlecht, aber die Bedingungen entsprechen einer Isolationshaft.

Weshalb sitzt er in Isolationshaft?

Es gibt keine Begründung dafür. Vom ersten Augenblick an war er alleine.

Was hat er Ihnen noch berichtet?

Ich kenne die Bedingungen des Gefängnis. Zum einen durch meine 25-jährige Erfahrung als Anwalt. Zum anderen durch meine eigenen Besuche im Gefängnis. Deniz Yücel ist zu unrecht im Gefängnis. Alles, was er getan hat, war Artikel und Kommentare zu schreiben. Als Anwalt und Experte für Fragen Menschenrechte sage ich: Es gibt zurzeit keinen einzigen Grund, weshalb Deniz Yücel inhaftiert sein sollte. Aber unser Staatspräsident hat ihn im Stile eines Richters inhaftiert. Deniz Yücel ist nicht nur wegen seiner Artikel im Gefängnis, sondern auch aus anderen Gründen. Das muss man wissen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für seine Inhaftierung?

Für mich ist das alles  – kurz vor dem Referendum - Teil einer medienwirksamen Strategie. Denn wer reagiert in Deutschland auf die Inhaftierung Deniz Yücels? Zunächst die Regierung, denn er ist deutscher Staatsbürger. Kann die türkische Regierung davon ausgehen, dass Deutschland tatenlos zusieht, wenn ein Journalist unrechtmäßig inhaftiert wird? Kann sie nicht. Wer wird im Umkehrschluss darauf reagieren? Der Ministerpräsident und der Staatspräsident der Türkei. Was haben wir dann? Eine neue Spannung. Und was ist jetzt geschehen? Die Regierung benutzt das Ganze als Propagandainstrument und als Grundlage für ihre permanente Opferhaltung. Wie nutzt sie das? Indem sie Deniz Yücel inhaftiert. Deutschland hat darauf reagiert. Diese Eskalation, die letzten Endes auf den Artikeln eines Journalisten fußt, ist nicht ethisch, und schon gar nicht legal.

Autokorso für Yücel in Berlin - Der inhaftierte Journalist bekommt wenig davon mitBild: picture-alliance/dpa/P.Zinken

In Deutschland wurde einiges unternommen, um Deniz Yücel zu befreien. Zum Beispiel fuhren Autokorsos durch deutsche Städte. Erreichen diese Proteste Deniz Yücel überhaupt?

Das ist eher unwahrscheinlich, denn in seiner Zelle gibt es keinen Fernseher. Von diesem Samstag an hat er jedoch das Recht zwei, drei Zeitungen seiner Wahl zu lesen. Er erfährt also nur davon, wenn es in den Zeitungen erscheint. Außerdem informiert ihn natürlich noch sein Anwalt. Es ist essentiell, dass seine Gesundheit und seine Stimmung gut bleiben. Ich habe gesehen, dass er sich sehr bemüht, seine Gesundheit zu schützen. Trotz der schlechten Bedingungen.

Hatte Deniz Yücel eine Nachricht nach draußen?

Als Anwalt und Menschenrechtsaktivist kenne ich die Bedingungen im Gefängnis. Ich weiß, dass die Solidarität sehr wichtig ist. Ich weiß, dass es sehr wichtig ist, die Menschen, die im Gefängnis sind, zu besuchen und sie nicht alleine zu lassen.

Das Interview führte Başak Demir.

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