1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Der 18. März - Gedenktag der Demokratie?

17. März 2019

Bundespräsident Steinmeier plädiert für einen Gedenktag zu Ehren von Freiheit und Demokratie. Infrage dafür käme aus mehreren Gründen der 18. März. Ein Bürgerbündnis macht sich seit Jahren für diesen Tag stark.

Kreidelithographie Revolution 1848 in Berlin
Bild: picture-alliance/akg-images

Vielleicht ist der 18. März in der deutschen Geschichte ein unterschätztes Datum. An diesem Tag wurde 1793 in Mainz die erste Republik in Deutschland ausgerufen; feierte 1848 in Berlin die demokratische Revolution ihre Erfolge; und ebenfalls am 18. März 1990 fand die erste freie Volkskammerwahl in der DDR statt. Aus europäischer Perspektive ließe sich die Reihe in Italien um den 18. März 1848 erweitern, als die "Cinque Giornate" ("Fünf Tage"), der fünftägige Aufstand gegen die österreichische Besatzungsmacht, losbrach.

Wenn der 18. März in so vielgestaltiger Form gerade in Europa und vor allem in Deutschland für Aufbruch und Erneuerung, vor allem aber für das Ringen um Freiheit und Selbstbestimmung steht - dann, schreibt in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, bestünde aller Anlass, darüber nachzudenken, diesen Tag zum nationalen Gedenktag zu machen.

"Keine gradlinige Erfolgsgeschichte"

Dies umso mehr, als der Kampf der Deutschen für politische Freiheit zäh und über vielerlei Umwege verlief. "Demokratiegeschichte kann in Deutschland nicht als gradlinige Erfolgsgeschichte erzählt werden", schreibt der Bundespräsident in der "Zeit". Nicht nur die absolutistisch regierenden Landesherren stellten sich den Freiheitskämpfern entgegen. Auch und vor allem die beiden späteren deutschen Diktaturen, die nationalsozialistische der Jahre 1933-45 und die sozialistische in Ostdeutschland von 1949-89, gingen gegen alle vor, die es wagten, andere Vorstellungen zu haben als jene, die in den Machtapparaten das Sagen hatten.

Freiheit nicht nur auf dem Papier: Wahlplakate zur ersten freien Volkskammerwahl im März 1990Bild: Klaus Peter Albrecht

Die Deutschen hätten ihr Gedenken bislang vor allem auf die Opfer der Repression konzentriert, schreibt Steinmeier. Das sei angemessen. Allerdings:  "Nicht nur Diktatur und Verbrechen bieten demokratisches Lernpotenzial, auch der Kampf für Freiheit und Demokratie in unserer Geschichte sollte uns leiten" - beispielsweise durch einen nationalen Gedenktag am 18. März.

Grenzüberschreitender Gedenktag

Für diesen Vorschlag engagiert sich Volker Schröder, Träger des Bundesverdienstkreuzes, seit über 40 Jahren. Im Jahr 1978 gründete er die "Aktion 18. März", die sich seitdem für diesen Tag als einen des nationalen Gedenkens stark macht. Damals, als durch das Land noch eine Mauer lief, waren er und seine Mitstreiter überzeugt, dass sich sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR auf einen gemeinsamen Feiertag am 18. März einigen könnten. Der DW erzählt er: "Wir glaubten, beide deutschen Staaten könnten sich mit Freude und Stolz auf die Märzrevolution berufen. Wir waren überzeugt, ein solcher Schritt könne das nationale Selbstbewusstsein stärken. Die Deutschen, hofften wir, ließen sich nicht in zwei feindliche Lager spalten, sondern würden gemeinsam für einen vereinten demokratischen Staat kämpfen."

"Tag der Deutschen Einheit": Szene von den Feierlichkeiten am 3. Oktober 2018 in BerlinBild: DW/I. Zakrzewska-Lepiarz

"Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold"

Die Hoffnung auf den gemeinsamen Staat erfüllte sich gut zehn Jahre später. Der Feiertag lässt weiter auf sich warten, jedenfalls am 18. März. Nationaler Feiertag ist stattdessen der 10. Oktober, der "Tag der Deutschen Einheit". Er erinnert an den 3. Oktober 1990, als die DDR der Bundesrepublik endgültig beitrat. Der 3. Oktober erinnert an das vielleicht wichtigste Datum der Geschichte Deutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch der Tag erinnert an das Ergebnis der Freiheitsbewegung in der DDR, nicht aber an den Protest selbst. Dieses Manko könnte ein neuer Gedenktag am 18. März ausgleichen. Außerdem weise dieser Tag über die Grenzen Deutschlands hinaus.  "Diese Märzrevolution war nicht national borniert", sagt Schröder. Im Gegenteil: Es war eine europäische Bewegung."

Dichter der Freiheit: Ferdinand FreiligrathBild: picture-alliance/Heritage-Images

Untrennbar verbunden ist die Märzrevolution des Jahres 1848 mit der deutschen Nationalflagge, den Farben Schwarz-Rot-Gold. Groß waren in jenem Jahr die Hoffnungen, unter ihnen die Freiheit zu erkämpfen. "Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold", schrieb am 17. März 1848 der Dichter Ferdinand Freiligrath und erklärte im Refrain seines Gedichts auch, wofür die drei Farben stünden: "Pulver ist schwarz / Blut ist rot / Golden flackert die Flamme!" Um Freiheit, diesen Gedanken variierte er in den folgenden Strophen wieder und wieder, muss man ringen: "Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt! / Der Kampf nur gibt dir Weihe!"

Stolz auf die Nationalflagge

In eben diesem Kampf, als Mahnung und Ermutigung für das freiheitliche Engagement, möchte Volker Schröder den 18. März verstanden wissen. "Wir berufen uns ja auf die Märzrevolution. Das war eine Bewegung für Freiheit und Demokratie und die Farben Schwarz-Rot-Gold stehen für Demokratie und Freiheit."

Entsprechend ist für ihn die deutsche Nationalflagge ein Symbol für alle, die um Freiheit ringen - und nicht für jene, die sie im Namen eines nationalistischen Chauvinismus verachten. "Das Erste was die Nazis gemacht haben war doch, Schwarz-Rot-Gold abzuschaffen. Und deshalb ist mir das unbegreiflich, wie jetzt einige Leute die schwarz-rot-goldene Fahne ablehnen, weil sie von einigen missbraucht wird. Mir scheint, man muss seine Fahne zeigen und sagen, wofür sie sie steht: für Völkerverständigung, für Frieden, Freiheit und Demokratie."

Freiheit und Demokratie aber sind gefährdet, gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine geschmeidige liberale Kultur politisch leicht verhärten kann. Eben darum, sagt Schröder, spreche alles für einen Tag, der an den Kampf, mindestens aber das Engagement für Freiheit und Demokratie erinnert. "Mein Wunsch ist darum, dass ein Gedenktag, wenn er denn käme, "Tag der Märzrevolution" und nicht "Tag der Demokratie" oder "Tag der Freiheit" heißen würde. Ich finde es ganz wichtig, dass Deutschland auch an eine Revolution erinnert. Und der März, das ist der Frühling, ist der Aufbruch.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika