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Der 9. November und die deutsche Geschichte

9. November 2025

In Deutschland gibt es kein Datum, das so zwiespältige Gefühle auslöst wie der 9. November: Die Erinnerung schwankt zwischen Entsetzen und Freude, zwischen Reichspogromnacht 1938 und Fall der Berliner Mauer 1989.

beleuchtetes klassizistisches Tor vor Abendhimmel
Das Brandenburger Tor in Berlin: Wie kein anderes Bauwerk gilt es als deutsches Nationalsymbol Bild: Gerald Matzka/picture alliance/dpa

Seit 1989 erinnert der 9. November an ein Ereignis, das die Welt veränderte: den Fall der Mauer in Berlin. Am 3. Oktober 1990 war Deutschland nach 41 Jahren der Teilung wieder vereint. Mit dem Verschwinden der zweiten Diktatur auf deutschem Boden, dem Ende der DDR, verschwand das komplette realsozialistische Lager in Europa von der politischen Landkarte. Der Ost-West-Konflikt war beendet. Der 9. November 1989 war ein schicksalhafter Tag in der Geschichte Deutschlands und Europas.

Das Ende der Monarchie

Im historischen Kalender der Deutschen ist der 9. November allerdings gleich mehrmals ein bedeutendes Datum. 1918 ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Berliner Reichstags die Republik aus. "Arbeiter und Soldaten, seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewusst. Unerhörtes ist geschehen. Große und unüberschaubare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht. Seid einig, treu und pflichtbewusst! Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!", verkündet Scheidemann. Hiermit besiegelt er das Ende der Monarchie unter Kaiser Wilhelm II.

"Es lebe die deutsche Republik!", ruft 1918 der SPD-Politiker Philipp Scheidemann von einem Fenster des ReichstagsgebäudesBild: akg-images/picture alliance

Die junge Demokratie in Deutschland hat es von Anfang an schwer. Linke und Rechte wollen sie so schnell wie möglich beseitigen. Am 9. November 1923 marschieren in München Nationalsozialisten auf die Feldherrnhalle zu. Anführer ist Adolf Hitler, der zehn Jahre später die Macht in Deutschland übernehmen sollte und die Welt in ihre größte Katastrophe stürzt: den Zweiten Weltkrieg.

Synagogen in Brand gesetzt

Auf dem Weg dorthin werden die Juden in Deutschland schrittweise entrechtet, bevor sie von 1942 an systematisch vernichtet werden. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs brennen im gesamten Deutschen Reich am 9. November 1938 Synagogen. Jüdische Geschäfte werden geplündert. Etwa 100 Juden werden ermordet, 26.000 in Konzentrationslager verschleppt.

Die Pogrome werden in der nationalsozialistischen Propaganda als "Reichskristallnacht" (wegen der überall herumliegenden Glasscherben durch zerstörte Fensterscheiben) verharmlost. Sie sind eine Art früher Probelauf für den Holocaust mit rund sechs Millionen ermordeter Juden in ganz Europa. Robert Ley, Chef der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront, macht damals daraus keinen Hehl: "Juda wird und muss fallen, Juda wird und muss vernichtet werden! Das ist unser heiliger Glaube."

Der Fall der Berliner Mauer

Der 9. November 1938 ist in der Reihe der schicksalhaften Tage das grauenvollste Datum. Ein größerer Kontrast zum 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, ist kaum denkbar. "Wahnsinn" ist das am meisten gehörte Wort in dieser Nacht, als sich für die Menschen in der DDR unverhofft die Grenze öffnet. Schon seit Monaten hat es Proteste gegen die Regierenden im Ost-Berliner Politbüro der Staatspartei SED gegeben.

Mauerfall- und Grenzgeschichten

26:06

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Tausende sind über Ungarn und bundesdeutsche Botschaften in osteuropäischen Ländern geflüchtet. Der Druck, Reiseerleichterungen für alle DDR-Bürger zu gewähren, wächst in jener Zeit von Tag zu Tag. Doch damit hat niemand gerechnet: Als auf einer internationalen Pressekonferenz in Ost-Berlin entsprechende Regelungen verkündet und als "sofort wirksam" bezeichnet werden, gibt es kein Halten mehr.

Die Menschen stürmen die innerstädtischen Grenzübergänge im geteilten Berlin. Der Jubel ist im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos: "Vorhin haben sie noch einzeln durchgelassen, dann haben sie das Tor aufgemacht. Und jetzt konnten wir alle ohne Vorzeigen des Ausweises, ohne alles konnten wir gehen. Ohne Kontrolle. Ich habe nicht mal einen Ausweis dabei", freut sich damals ein DDR-Bürger.

Ein Zurück zu den alten Zeiten und Zuständen kann es nach dieser Nacht nicht mehr geben. Das erste Loch in der Berliner Mauer bringt das marode System schnell zum Einstürzen. Zum dritten Mal wird an einem 9. November in Deutschland Geschichte geschrieben - dieses Mal voller Glück. Daran können auch die vielen Schwierigkeiten nichts ändern, die in Deutschland auf den Mauerfall und die Wiedervereinigung folgen. Denn die innere Einheit herzustellen bedarf mehr Zeit, als die staatliche Einheit zu vollziehen.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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