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Der Abstieg des "Donor Darling"

Ludger Schadomsky 12. Februar 2009

Es waren die verheerenden Hungersnöte der 70er und 80er Jahre, die Äthiopiens Status als Liebling der westlichen Geber begründete. Doch zur Zeit wächst der Unmut über die "Unterdrückungspolitik" der Regierung.

Deutsche Experten beraten äthiopische FirmenBild: picture-alliance/dpa

Bereits nach den von Blutvergießen überschatteten Wahlen 2005 froren Äthiopiens Geber aus Protest die direkte Budgethilfe für Äthiopien ein. Allerdings flossen unter dem Titel „Protection of Basic Services“ zweckgebundene Mittel für Gesundheits- und Erziehungsprogramme weiter. Nach der Verhaftung der Oppositionsführerin Birtukan Medeksa, die zeitweise in Isolationshaft gehalten wurde und der eine lebenslange Gefängnisstrafe droht, sowie der Verabschiedung des hoch umstrittenen NGO-Gesetzes Anfang diesen Jahres überlegen Äthiopiens Partner nun ernsthaft, auch diese Gelder zu streichen. Dies würde die äthiopische Regierung, die aufgrund eklatanter Devisenknappheit praktisch zahlungsunfähig ist, hart treffen.

Regierung verteidigt Verhaftungen

Vom Westen kritisiert: der äthiopische Premierminister Meles ZenawiBild: AP

Die Regierung in Addis Abeba verteidigt die erneute Verhaftung Frau Birtukans, die im Zuge der Wahlen 2005 verhaftet und erst im vergangenen Jahr freigelassen worden war, mit fortgesetzten verfassungsfeindlichen Aktivitäten. Ato Shimeles Kemal hat als Generalstaatsanwalt 2005 die Verurteilung der Oppositionellen und Menschenrechtler betrieben. Er behauptet, eine Gruppe von Aktivisten habe versucht, die Regierung mit Gewalt zu stürzen und die Verfassung außer Kraft zu setzen. Diese Gewalt habe viele Menschenleben, vor allem von Sicherheitskräften, gekostet. Deshalb seien Oppositionelle wie Birtukan Medeksa schuldig gesprochen und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Andere Version des Westens

Äthiopiens Partner im Westen haben eine andere Version der Ereignisse: Demnach erschossen nach dem Überraschungssieg der Opposition Sicherheitskräfte wahllos Demonstranten, die Verurteilung der Aktivisten betrachten sie als Schauprozess, der nun mit der neuerlichen Verhaftung von Birtukan eine Fortsetzung findet. Die portugiesische Europaabgeordnete Anamaria Gomes führte 2005 die Beobachtermission der EU in Äthiopien an. Sie sagt: "Die Verhaftungen passen genau zur Unterdrückungspolitik des Regimes von Meles Zenawi". Sie wisse, dass die Situation in Äthiopien äußerst angespannt sei: die Pressefreiheit werde vollständig abgewürgt, die Regierung unterdrücke alle Bemühungen der Demokratiebewegung, ihre Botschaft an die Menschen zu bringen.

Kritik auch aus Deutschland

Kritik kommt zum Beispiel von Günter NookeBild: GMF

Als einer der traditionell größten Entwicklungspartner Äthiopiens hat auch die deutsche Regierung ihren Protest kundgetan. Der Menschenrechtsbeauftragte Berlins, Günter Nooke, kritisierte nach seinem jüngsten Besuch in Addis Abeba die äthiopische Regierung ungewohnt heftig – und fordert Konsequenzen:

„Es kann nicht sein, dass man einfach so weitermacht und weder die Verhaftung von Frau Birtukan als Führerin einer neuen großen Oppositionspartei noch das neue NGO-Gesetz ohne Konsequenzen bleibt.“

Vorbereitungen für Wahl 2010?

Die Liste der Vorwürfe von Menschrechtsgruppen und Oppositionsvertretern gegenüber der Regierung von Ministerpräsident Meles Zenawi ist lang: Menschenrechtsvergehen in der Unruheprovinz Ogaden, willkürliche Verhaftungen von Mitgliedern der größten Bevölkerungsgruppe, der Oromos, Drangsalierung der Presse mit einem neuen, restriktiven Mediengesetz. Die internationale Gemeinschaft gibt Äthiopien, wenn auch bislang schweigend, die Schuld an der nach wie vor ungeklärten Grenzfrage mit Eritrea.

Bundespräsident Köhler besucht Leprahilfe in ÄthiopienBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Äthiopien-Beobachter sind sich einig, dass die Maßnahmen auf die Wahlen 2010 abzielen. Am Abend der für die Regierung katastrophal verlaufenen Wahl 2005 hatte Meles den im Land tätigen NGOs eine Mitschuld an dem starken Zulauf zur Opposition gegeben. Seitdem war es nur eine Frage der Zeit gewesen, wann diese ans Gängelband gelegt würden. Das jetzt trotz massiver Geber-Proteste verabschiedete sog. „Charities and Societies Bill“ beschneidet die Arbeit der knapp 5000 im Land registrierten Nichtregierungsorganisationen auf sensiblen Tätigkeitsfeldern wie Menschenrechte, Politikdialog, Demokratieförderung – kein Zufall, meint Günter Nooke: „Es ist ganz klar, dass es hier um eine massive Behinderung der Opposition geht, für mich sind das die Vorbereitungen für die Wahl 2010, und ich glaube, dass es hier noch mehr Protest von verschiedenen Seiten braucht“.