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PolitikSlowakei

Slowakei: Alt-neuer Premier Robert Fico sorgt für Unruhe

Stephan Ozsváth
16. November 2023

In der Slowakei regiert zum vierten Mal der Populist Robert Fico in einer Koalition mit einem linken und einem rechtsextremen Partner. Zwei prominente slowakische Schriftsteller warnen vor dem Premier Fico.

Mann im Anzug hinter einem Mikrofon, er breitet die Arme aus und spricht
Der alt-neue slowakische Premier Robert Fico, hier in einer Aufnahme aus dem Wahlkampf im September 2023Bild: Radovan Stoklasa/REUTERS

Robert Fico fackelt nicht lange. Nur zwei Wochen nach seiner erneuten Vereidigung zum Ministerpräsidenten der Slowakei bläst der Mann, der nominell Sozialdemokrat, tatsächlich aber Populist mit Hang zum Nationalismus ist, zum Angriff auf seine Kritiker, vor allem in den Medien. Der Privatsender Markiza TV, die Tageszeitungen Dennik N und SME sowie das Nachrichtenportal Aktuality seien seiner Regierungspartei Smer (Richtung Sozialdemokratie) "feindlich" gesonnen und daher "unerwünscht" im Regierungsgebäude. Das Land könne nicht von Medien oder Nichtregierungsorganisationen gelenkt werden, sagte Fico in seiner Regierungserklärung am Dienstag (14.11.2023).

Im Frühjahr 2018 hatte Robert Fico nach Massenprotesten zurücktreten müssen, auch die Innenministerin und der Polizeichef mussten damals gehen. Auftragsmörder hatten den Investigativjournalisten Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova erschossen. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen Ficos Regierungspartei Smer und der italienischen Mafia recherchiert. Im Zentrum der Mordermittlungen stand der slowakische Geschäftsmann Marian Kocner, Korruption und Einflussnahme in der Justiz kamen dabei ans Licht.

Der slowakische Schriftsteller Pavol RankovBild: Stephan Ozsváth/DW

In der Wahl von Ende September 2023 konnten Fico und seine Partei 23 Prozent der Wähler von sich überzeugen - ein Ergebnis, das nach dreieinhalb Regierungsjahren einer tief zerstrittenen liberal-konservativen Koalition zustande kam. Für den preisgekrönten slowakischen Autor Pavol Rankov ist das Wahlergebnis dennoch unverständlich. "Es scheint, als wäre Fico der unzerstörbare Supermann," sagt er. Sein Kollege, der Schriftsteller und Journalist Michal Hvorecky, wie auch Rankov einer der wichtigsten zeitgenössischen slowakischen Autoren, führt die Wiederkehr Ficos auf die Unzufriedenheit der Slowaken mit den Vorgänger-Regierungen zurück. Davon profitierten Populisten wie Fico, die es schafften, "nicht auf die realen Probleme zu reagieren, sondern den Diskurs zu beherrschen".

Anführer der Wutbürger

Als Beispiel nennt Hvorecky das Thema Migration. Eigentlich habe die Slowakei ein Auswanderungsproblem, aber Fico schüre die Angst vor einem "Bevölkerungsaustausch" durch Zuwanderung. Sein Comeback habe Fico seit zwei Jahren vorbereitet, sagt Hvorecky. Während der Pandemie sei er zum Anführer der Wutbürger geworden, habe sich in der Öffentlichkeit erfolgreich als starker Mann präsentiert. Jetzt regiert Fico mit einer Abspaltung seiner Smer-Partei (Hlas) und einer rechtnationalistischen Partei in einer Dreierkoalition.

Der slowakische Schriftsteller Michal HvoreckyBild: Stephan Ozsváth/DW

Die Ukraine verliert damit einen engen Verbündeten. Denn bereits im Wahlkampf hatte der slowakische Premier einen Kurswechsel in Aussicht gestellt. "Keine Patrone" werde er mehr an die Ukraine liefern, tönte Fico und schreckte damit die EU und die NATO auf. Denn mit dem Ausstieg aus den Waffenlieferungen für die Ukraine schwächt die Slowakei nicht nur ihren östlichen Nachbarn, sondern auch die Europäische Union und das transatlantische Bündnis.

"Der Kreml freut sich"

Zuvor hatte die Slowakei sogar ihr eigenes Luftabwehrsystem an die Ukrainer abgegeben und außerdem Panzer, Flugzeuge und Munition an den Nachbarn geliefert. Jetzt schwenkt Fico auf Orban-Linie ein, manche Beobachter befürchten eine pro-russische Achse Bratislava-Budapest. Ungarns Premier Viktor Orban traf Putin unlängst beim Seidenstraßengipfel in Peking. Er lässt weiter viel russisches Gas und Atom-Zubehör importieren, blockiert EU-Gelder für die Ukraine und Schwedens Nato-Beitritt.

Ungarns Premier Viktor Orban (li.) und sein slowakischer Amtskollege Robert Fico am 26.10.2023 in BrüsselBild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

"Im Kreml hat man sich über das Ergebnis der Wahl in der Slowakei sehr gefreut", sagt Hvorecky. Auf das Wunschergebnis hätten die Russen schließlich auch hingearbeitet, vor allem im Internet. In den sozialen Medien sei der russische Einfluss sehr groß, urteilt der Autor. "Es gibt Video- und Audioaufnahmen, die zeigen, wie ein Vertreter der russischen Botschaft einen sogenannten Journalisten bezahlt, der eine sehr erfolgreiche Desinformationswebsite betreibt." Hvorecky spricht von Bohus Garbar, dem Betreiber des Portals Hlavne spravy, das laut verschiedenen Rankings zwischen Platz 15 und 35 der meistgelesenen slowakischen Webseiten belegt.

Fake-News-Warnseite vom Netz genommen

Die Regierung Fico bekämpfe Desinformation nicht etwa, urteilt Hvorecky, sondern mache Fake News "zur Staatsdoktrin". So habe die neue Regierung in Bratislava bereits eine Abteilung gegen Desinformation bei der Polizei abgeschafft und auch die Fake-News-Warnseite "Hoaxy a podvody" (Falschmeldungen und Betrug) der slowakischen Polizei vom Netz genommen - mit der Begründung die "Freiheit des Wortes" zu verteidigen.

Der slowakische Premier Robert Fico (Mi.) mit seinen Koalitionskollegen Peter Pellegrini (li.) von der sozialdemokratischen Partei Hlas (Stimme) und Andrej Danko (re.) von der rechtsnationalistischen Slowakischen Nationalen Partei (SNS)Bild: Jaroslav Novak/TASR/dpa/picture alliance

Die Zivilgesellschaft müsse jetzt "sehr wachsam sein", sagt Hvorecky. Im Informationskrieg müsse die EU mehr Kampfgeist zeigen, fordert er, die großen Internetkonzerne müssten stärker reguliert, Seiten und Apps geblockt und gelöscht werden, denn "die klauen uns unsere Demokratie vor unseren Augen".

Der Autor Rankov erinnert sich wehmütig an die "Samtene Revolution" seiner Jugend, die Träume von einem Leben ohne Kommunisten und ohne russischen Einfluss. Früher hätte er auch geglaubt, allein die Existenz der EU garantiere Sicherheit und Freiheit. "Meine Wünsche haben sich nicht erfüllt", sagt er bitter, mit zunehmendem Alter müsse er sich "Sorgen um die militärische Zukunft" seiner Heimat machen. Wenn Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinne, "hätten wir diesen neuen Nachbarn direkt an der Ostgrenze". Dass Grenzen sehr durchlässig sein können, zeigt er in seinem dystopischen Roman "Der kleine Donaukrieg", der auch auf Deutsch erschienen ist. Darin beschreibt er, wie Ausschreitungen nach einem Fußballspiel in einen Krieg zwischen den EU-Mitgliedstaaten Slowakei und Ungarn münden.