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Der Apfel des Herzens und der Macht

Ulrich Fischer/pt25. September 2002

Während Kriegsdrohungen gegen Bagdad die Schlagzeilen beherrschen, gastiert in Mülheim das Irakische Nationaltheater. Aufgeführt wurde "Der Apfel des Herzens" - ein Märchen, offen für politische Interpretation.

Wer hat die Macht? Szene aus "Der Apfel des Herzens"Bild: Theater an der Ruhr

"Elend, sehr viel Armut, und was besonders ins Auge fiel, war das tragische Schicksal der Kinder, überhaupt, die Kinder sind die Leidenden heute im Irak", so beschreibt Roberto Ciulli, der Intendant die Eindrücke, die der Intendant des Theaters an der Ruhr beim Besuch seines Theaterensembles im Irak gewann.

Nun erwidert das Irakische Nationaltheater den Besuch mit einem Gastspiel: "Der Apfel des Herzens", ein modernes Märchen von Fallah Schaker. Die Geschichte: Es war einmal ein König, der alt und krank war und an einer Herzkrankheit leidet. Er heiratet eine junge Frau und will sie zunächst überreden, ihm ihr Herz zu schenken, nicht nur im übertragenen, sondern auch im ganz wörtlichen Sinn. Dann kommt es anders: Die beiden verlieben sich ineinander, die junge Frau ist bereit, sich zu opfern, der König lehnt großmütig ab. Gespielt wird auf arabisch.

In der kurzen Inhaltsangabe heißt es, der König und seine Geliebte beugten sich der Staatsräson, das Herz werde transplantiert. Die letzten Szenen in Mülheim legen etwas anderes nahe: Der König reicht seiner Freundin einen Apfel, sie beißt hinein und stirbt. Der König lacht, begibt sich triumphierend auf den Thorn, wo ihn kurz darauf der Tod ereilt. Als ob der König, ein betrogener Betrüger, erst seine Geliebte umbringt, um ihre Kraft zu rauben, sein Wunsch, seine Hoffnung aber nicht in Erfüllung geht.

Harmloses Märchen als politisches Stück

Die Geschichte von Fallah Schaker kann vielseitig gedeutet werden. Eine kleine Liebesgeschichte, ein Märchen über die wundersame Liebe zwischen einem Alten und einer Jungen. Niemand könne auf den Gedanken kommen, eine so harmlose Geschichte politisch zu interpretieren. Vieldeutigkeit war schon immer eine gute Camouflage, ein Schutz für die Künstler und eine Möglichkeit, sich mit dem Publikum in Zeiten der Zensur zu verständigen.

Roberto Ciulli wandte sich, bevor die Aufführung begann, an das Publikum und schlug vor, nicht vom eigenen Standpunkt aus das Stück zu betrachten, sondern sich zu überlegen, wie das Stück auf das Publikum in Bagdad wirken könnte. Die Möglichkeit, das Stück politisch zu deuten, liegt nahe: Die Macht lebt auf Kosten der Jungen, der Unschuldigen - sterben sie aber, so ist es auch mit den Machthabern vorbei.

Plädoyer für die irakische Kultur

Ästhetisch keine Inszenierung, die Aufhebens verdient. Die Szene ist bis auf wenige Versatzstücke wie Tische oder Bänke und den Thron des Herrschers leer. Das Licht spielt die Hauptrolle, und das ist mit starken, farbigen Filtern so vieldeutig wie die Fabel. Es ist die kulturpolitische Brisanz, die das Stück bemerkenswert macht. Ein Gastspiel aus Irak in Zeiten starker politischer Spannung und Kriegsgefahr ein Stückchen Normalität. Die Iraker genießen es sichtlich, dass die Isolation, unter der sie wegen der UNO-Sanktionen seit Jahren leiden, ein wenig aufgehoben wird. Als würden sie für wertvolle Augenblicke nicht in Haft genommen für ihr Regime. "Wir sind für den Dialog, nicht für den Krieg. Wir halten den Krieg grundsätzlich für eine Maßnahme, die das Ende des Dialoges ist," so bezieht Roberto Ciulli Stellung. "Es ist immer der Fehler, zu glauben, es gibt in Irak nur Saddam Hussein. Gott sei Dank gibt es in Irak außer Saddam Hussein auch andere Menschen. Genau diese Menschen haben wir getroffen."

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