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Der asymmetrische Krieg

Marcus Bösch15. November 2004

Aufständische im Irak töten Zivilisten und Soldaten, entführen Ausländer, zünden Bomben und treiben die Kosten in ungeahnte Höhen. Aber wer genau ist da aktiv? Mit welchen Zielen? Und wie lange noch?

Irak: Destabilisierung mit Bomben und AnschlägenBild: AP

Früher hatten Kriege eine eindeutige Front. An dieser kämpften Soldaten gegen einen klar definierten Gegner. Im Irakkonflikt ist die Front überall - da wo die nächste selbstgebaute Bombe explodiert, da wo der nächste Ausländer entführt wird und da wo sich ein weiterer Selbstmordattentäter in die Luft sprengt.

Schon im Sommer 2004 betrug die Zahl der im Irak getöteten US-Soldaten mehr als 1000. Fast täglich kommen welche hinzu. Beispielsweise Ende Oktober, als ein amerikanischer GI bei einem Sprengstoffanschlag auf eine US-Militärpatrouille in Süd-Bagdad starb. Zwei weitere Soldaten seien durch die Explosion leicht verletzt worden, teilte die US-Armee mit. Aufständische hatten den Sprengsatz wahrscheinlich in einem Fahrzeug versteckt. In der Nacht hatte die US-Armee erneut die Stadt Falludscha bombardiert. Dabei starben laut Augenzeugen zwei Zivilisten.

Buntes Begriffsbündel

Sunnitische Kämpfer in FalludschaBild: AP

Nicht nur das amerikanische Verteidigungsministerium rätselte lange, wem seine rund 130.000 Soldaten seit dem "Ende der Hauptkriegshandlungen" am 1. Mai 2003 im Irak da eigentlich gegenüberstehen. Die Kriegsberichterstatter probierten derweil ein buntes Begriffsbündel, um die Widerständler zu betiteln: mal waren es "Untergrundkämpfer", dann wieder "Terroristen", später häufig "Islamisten". Inzwischen liest und hört man meist pauschal von "den Aufständischen". Wer aber genau ist da aktiv? Mit welchen Zielen? Und wie lange können diese Gruppierungen ihren Guerillakrieg noch aufrechterhalten?

Gemeinsame Gegnerschaft

Herfried Münkler, deutscher Politologe und BuchautorBild: dpa

"Die Aufständischen bilden eine in sich heterogene Gruppe. Sie reicht von alten Anhängern der Baath-Partei bis hin zu religiös motivierten Gruppen", erklärt der Politologe Herfried Münkler: "Was sie zusammenbringt ist die Gegnerschaft gegen die USA, gegen den Westen." Nach Erkenntnissen der Militärexperten von "Globalsecurity.org" kristallisieren sich vier größere Gruppen heraus: Neben den ehemalige Mitgliedern von Saddam Husseins Regime sind das sunnitische Araber und Nationalisten, strenggläubige Schiiten um den Geistlichen Muktada al-Sadr und einheimische wie zugewanderte islamische Extremisten.

Ziel: Destabilisierung

"Die Einschätzung der Amerikaner, es handle sich um insgesamt nur 5000 Kämpfer ist sicherlich zu niedrig", sagt Münkler:" Es sind wohl eher an die 30.000. Wobei sich die Zahl natürlich beständig verändern kann." Die Zielsetzungen der unterschiedlichen Gruppierungen variieren dabei ebenso wie die Struktur der einzelnen Organisationen. Während schwächere Gruppen die Destabilisierung der Lage im Irak verstärkten, würden stärkere Gruppierungen wie die Schiiten um al-Sadr sogar nach einer territorialen Kontrolle streben. Ihr Ziel: die Errichtung eines Staates nach ihren Vorstellungen.

Noch drei Jahre Guerillakampf?

Irakische Schiiten außerhalb der Al Kufa Moschee)Bild: AP

Wie lange die Gruppierungen den Widerstand gegen die Koalitionstruppen aufrechterhalten können ist umstritten. Nach Informationen von "Strategicstudies.org" sollen Angehörige des Regimes schon vor Beginn des Krieges Geld, Verpflegung, Waffen und Sprengstoff in versteckten Tunneln bereitgestellt haben. Angeblich sollen die Mengen einen dreijährigen Guerillakampf garantieren können. Münkler hält die Frage der Menge von Waffen und Sprengstoff indes für sekundär: "Es geht hier viel mehr um eine Frage der Opfer- und Leidensbereitschaft."

10.000 Bomben

In einem asymmetrischen Konflikt bedarf es zudem keiner großen Mengen an Material, um die Schwachstellen des Gegners empfindlich zu stören. Allein die knapp 400 Tonnen Sprengstoff, die beim Einmarsch der Koalitionstruppen entwendet wurde, reichen laut Angaben der "New York Times" für mehr als 10.000 Bomben. Und synchron gezündet reicht schon eine Hand voll kleinerer Bomben, um für weitreichende Destabilisierung und viele Opfer zu sorgen.

Anhaltende Ressourcen

Die irakische Grenze - bisweilen nicht genug gesichertBild: AP

"Wenn sie den Verbrauch niedrig halten und weiter über die Grenzen versorgt werden, dann werden die Ressourcen der Kämpfer an keinem Punkt verbraucht sein", sagt Münkler. Allein werden die Amerikaner den Konflikt kaum beenden können, erklärt der Politologe und plädiert für eine Einbeziehung des Irans. Bis zu einer Änderung des Status Quo werden im Irak weiter Bomben explodieren, Ausländer entführt werden und Selbstmordattentäter ihre Sprengwesten zünden.

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