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Der Aufstand für die Einheit

Andreas Noll16. Juni 2003

Die Bilder des ungleichen Kampfes vom 17. Juni 1953 gingen um die Welt: Mutige Demonstranten, nur mit Steinen bewaffnet, versuchen auf der Leipziger Straße in Ost-Berlin sowjetische Panzer zu stoppen.

Panzer gegen Demonstranten in der Leipziger Straße in BerlinBild: AP

Der Einsatz der Demonstranten bleibt vergeblich. Sowjetische Truppen und die Volkspolizisten der DDR können die Lage mit Waffeneinsatz unter Kontrolle bringen. Der Aufstand, der landesweit mehr als eine Million Demonstranten gegen das SED-Regime auf die Straße treibt, fällt in sich zusammen. Die SED-Führung ist angeschlagen, überlebt aber dank sowjetischer Unterstützung. Die bittere Bilanz: über 50 Tote und noch mehrere Hundert Verletzte.

Erhöhung der Arbeitsnorm

Auslöser der schweren Unruhen waren die von der Regierung angekündigte zehnprozentige Erhöhung der Arbeitsnorm in der Industrie und die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise. Die SED-Politik des "planmäßigen Aufbaues des Sozialismus" hatte die DDR im Spätherbst 1952 in eine tiefe Krise geführt. Die Kollektivierung der Landwirtschaft, der beschleunigte Aufbau der Schwerindustrie sowie die Reparationsverpflichtungen schwächten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Systems.

In den Monaten vor dem 17. Juni hatte sich in der gesamten DDR die Versorgungslage deutlich verschlechtert. Die Führung der DDR ordnete drastischen Sparmaßnahmen in allen Lebensbereichen an. Immer mehr Bürger der DDR kehrten aus politischen und wirtschaftlichen Erwägungen dem Land den Rücken und versuchten ihr Glück im Westen. Im Frühjahr 1953 waren das monatlich rund 30.000 Menschen.

Generalstreik

In den letzten Mai- und den ersten Junitagen legten die ersten Unzufriedenen ihre Arbeit nieder. Die große Protestwelle begann schließlich, als am 16. Juni tausende Bauarbeiter der Stalinallee gegen die faktischen Lohnkürzungen protestierten und einen langen Demonstrationszug durch Ost-Berlin formierten. Über 10.000 Menschen forderten vor dem Haus der Ministerien die Rücknahme der Normerhöhung und riefen für den nächsten Tag zum Generalstreik und einer allgemeinen Arbeiterversammlung auf. An diesem Nachmittag löste sich die Demonstration der Bauarbeiter noch friedlich auf.

Am 17. Juni versammelten sich mehr als eine Million Menschen in über 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Neben friedlichen Protestmärschen wurden vereinzelt auch Parteibüros und
Gefängnisse gestürmt und Gefangene freigelassen. Aus dem Aufstand für bessere Löhne wude schnell ein Aufstand für Freiheit, Demokratie und Einheit in Deutschland. Auf Transparenten forderten die Arbeiter neben einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen nun auch den Rücktritt der DDR-Regierung, freie und geheime Wahlen sowie die Wiedervereinigung.

Gewaltsame Niederschlagung

In Ost-Berlin, Zentrum der Unruhen, eskalierte die Situation. Die DDR-Führung verlor die Kontrolle über die Stadt und rief die im Land stationierten sowjetischen Soldaten zu Hilfe. Jahrelang herrschte Unsicherheit über die Rolle der DDR-Führung bei der Niederschlagung des Aufstandes. Neu zugänglich gemachte Dokumente legen nahe, dass Otto Grotewohl und Walter Ulbricht die Sowjets in der Nacht zum 17. Juni ausdrücklich um den Einsatz sowjetischer Truppen in der Hauptstadt gebeten haben. Die sowjetischen Militärs gingen am 17. Juni mit Panzern gegen die unbewaffneten Demonstranten vor. In der Friedrichstraße und am Potsdamer Platz wurde auf die Arbeiter geschossen, so dass die Menschen in Panik auseinander liefen.

In den Folgetagen wurden rund 10.000 Demonstranten und Mitglieder der Streikkomitees verhaftet. Nachweislich vollstreckt wurden mindestens zwei Todesurteile. Mehr als 1600 Teilnehmer verbüßten teilweise hohe Freiheitsstrafen. Walter Ulbricht, im Politbüro und bei der sowjetischen Führung heftig umstritten, konnte seine Macht festigen.

Nationaler Gedenktag

Wenige Wochen nach dem Aufstand erklärte der Deutsche Bundestag in Bonn den 17. Juni als "Tag der Deutschen Einheit" zum nationalen Feiertag. Spätestens seit der 17. Juni als Gedenktag vom 3. Oktober ersetzt wurde, ist es allerdings ruhiger geworden um den Volksaufstand von 1953.

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