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Schutzbedürftiger Erdboden

Karin Jäger8. Januar 2015

Die Vereinten Nationen haben 2015 zum UN-Jahr des Bodens erklärt. Regierungen sowie Umwelt- und Agrarverbände wollen auf die Gefährdung von "Mutter Erde" aufmerksam machen.

Humus Erde
Bild: picture alliance/WILDLIFE/D. Harms

Schwarzer Bildschirm. Dramatische Musik. Plötzlich ertönt eine mahnende Männerstimme, während große Füße über Schotterboden schreiten: "Wir übersehen ihn, gehen über ihn hinweg. Wir treten ihn mit Füßen. Tagtäglich. Dabei brauchen wir ihn". So beginnt der Imagefilm im Zeichentrickformat zum Schutz des Erdbodens. Auf gut fünf Minuten – und in vielen Sprachversionen verfügbar - gibt der Streifen einen anschaulichen Überblick über den Zustand der Schutzhülle der Erde. Daran beteiligt ist das Potsdamer Forschungsinstitut IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies). Agrarökonom Jes Weigelt vermittelt zwischen Wissenschaft und Politik und arbeitet an Lösungen für eine nachhaltige Bodenentwicklung: "Der Zustand unserer Böden weltweit ist besorgniserregend. Allein in Deutschland werden gut 70 Hektar Fläche pro Tag bebaut oder für den Straßenbau versiegelt." Der Umfang entspricht der Umwandlung einer Fläche von täglich 100 Fußballfeldern. Damit gehen Wasserspeicherkapazität, Kohlenstoffspeicherboden und organische Bodensubstanzen (Humus) verloren.

Wirbt für gute Bodenqualität: Dr. Jes WeigeltBild: IASS

"Wie groß sind die Anreize für ein nachhaltiges Bodenmanagement?", fragt IASS-Forscher Weigelt und "kann man es einem Landwirt verübeln, wenn er durch die Umwandlung seiner Agrarflächen in Bauland viel mehr Geld verdient als durch Ackerbau und Viehzucht?". Es sei eine regulative Aufgabe der Politik festzulegen, wie viel Land umgewandelt werden dürfe.

Weigelt bemängelt, dass die Zuständigkeiten zum Schutz der Böden auf verschiedene Ministerien für Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft, aber auch Verkehr, Bau und Stadtentwicklung verteilt seien. Ähnlich verhält es sich im internationalen Umfeld. Bei verantwortlichen Behörden und Organisationen finde zu wenig Dialog statt. Weigelt fordert daher ein größeres Netzwerk zum Schutz der Böden. Außerdem müsse der Bodenschutz gesetzlich geregelt werden.

Verwüstung - ein zunehmendes Problem des KlimawandelsBild: picture-alliance/chromorange

Auch Reinhild Benning, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sieht den Gesetzgeber in der Pflicht. Auch sie äußert Besorgnis angesichts des Bodenzustands. "Auf 35 Prozent der europäischen landwirtschaftlichen Böden sind Verdichtungen festzustellen."Ursachen sind oft das Befahren mit schweren Bewirtschaftungs- und Erntemaschinen. Mikroorganismen können durch die komprimierten Schichten nicht mehr den Boden auflockern, der Luft- und Wärmehaushalt gerät aus dem Gleichgewicht.

Die Bedeutung der Humusschicht

Organische Substanzen wie Blätter, Zweige und Nadeln, können nicht mehr zersetzt werden, die so wichtig sind für die Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen wie Stickstoff oder Phosphor. "Der Humusgehalt ist ein langfristiges Kriterium für die Bodenfruchtbarkeit", hebt Reinhild Bennig hervor. "17 Prozent der europäischen Böden sind degradiert, 45 Prozent haben nur eine sehr dünne Humusschicht. Die Agrarwirtschaft realisiere nur einige Jahre Höchsterträge mit Dünge- und Spritzmitteln, statt Humus und damit langfristig die Fruchtbarkeit zu erhalten." Diese Strategie führte vielerorts zur Resistenz der Pflanzen gegenüber Herbiziden. Die Wasserspeicherfähigkeit und auch die Ertragszuwächse haben abgenommen. Auch ein Verlust der Artenvielfalt ist die Folge von Humusmangel. "Es bedarf dringend Änderungen in der Agrarpolitik für bodenschonende Landnutzung", so die BUND-Agrarexpertin.

Reinhild Benning: "Die Politik in die Pflicht nehmen"Bild: BUND

Die derzeit 300 Euro pro Hektar, die von der Europäischen Union an Agrarsubventionen ausbezahlt werden, müssten an Bodenschutzmaßnahmen wie ein Verbot von Monokulturen gebunden werden. Die EU habe unter anderem mit der letzten Agrarreform längst Optionen für einen besseren Bodenschutz angeboten. Diese umzusetzen, habe die Bunderegierung bisher versäumt. Für das Jahr 2015 hat die EU-Kommission eine Strategie "Ressource Boden" angekündigt, und im 7. EU-Umweltaktionsplan spielt Bodenschutz ebenfalls eine Rolle. Benning: "Das sind neue Chancen für die Bundesregierung, Boden wieder gut zu machen."

Die Entstehung des Bodens

Nachholbedarf: Autobahnbau zwischen Kabul und Mazar in AfghanistanBild: DW/A. Sharif

Der Boden, aus Gestein entstanden, wurde durch Einwirkung von Sonne, Wind, Regen, Kleinstlebewesen und Wurzelwerk langsam zu Ton, Sand, Mineralien zersetzt. An manchen Stellen ist die äußerste Schicht der Erde nur wenige Zentimeter dick. Zur Entstehung von nur zehn Zentimeter Boden braucht es oft mehr als zweitausend Jahre. Vernichtet wird er in nur kurzer Zeit - durch Rodung von 13 Millionen Hektar Regenwald pro Jahr, durch Versiegelung mit Asphalt oder Beton, durch Überdüngung und Monokulturen in der Landwirtschaft. Auch Ackerbau an Steilhängen wirkt sich schädlich auf den Boden aus, besonders wenn er nach der Ernte ungeschützt ist. "Dies beschleunigt die Erosion", so Reinhild Benning, "weil Wind die Erde angreifen kann, Wasser den ganzen Hang zum Abrutschen bringen und ihn wegspülen kann." Laut wissenschaftlichen Berechnungen entstehen durch Erosionen weltweit Kosten von 420 Milliarden Euro pro Jahr.

Deutschland benötigt Anbaufläche im Ausland

Boden wird zunehmend zweckentfremdet. In Europa wird jedes Jahr eine Fläche der Größe Berlins bebaut und versiegelt. Auf dem Boden wächst kein Baum, kein Gemüse mehr. Dadurch ist Europa zunehmend abhängig von Lebensmittelimporten. Benning fordert strengere Regeln, "um die Flächenversiegelung auf eine Netto-Null zu senken". Umgekehrt müssten Flächen entsiegelt werden - als adäquaten Ausgleich für den Naturschutz. Benning denkt dabei an Industriebrachen in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet. Bisher wird die Hälfte der Fläche Deutschlands für den Lebensmittelanbau genutzt. Dies aber reicht angesichts des hohen Konsumniveaus hierzulande nicht aus. "Je mehr Fläche wir versiegeln oder benötigen, um etwa Pflanzen in Fleisch zu wandeln, desto größer wird auch der Bedarf an Flächen im Ausland", so Benning. Derzeit beanspruchen Konsum, Produktion und Exportwirtschaft in Deutschland insgesamt 80 Millionen Hektar - vor allem in Länden des Südens.

Aufklärung durch den Bodenatlas

Der Bodenatlas, den unter anderem das Potsdamer IASS, der BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung an diesem Donnerstag (08.01.2015) herausgegeben haben, soll die breite Öffentlichkeit ansprechen und die Bürger über die Bodenproblematik informieren und sensibilisieren. 56 Seiten geben Aufschluss über Zusammensetzung des Bodens, Nutzung und Auswirkung von Klima, Intensivfeldbau, Düngemitteln und Landnahme, dem Landgrabbing, auf die Erde.

Humus bringt Rosen zum blühenBild: picture alliance/ZB/W. Grubitzsch

"Man sieht die Bodenprobleme nicht so wie einen brennenden Urwald oder sterbende Arten", begründet Jes Weigelt die Entstehung des Bodenatlas, der auf deutsch und englisch übers Internet (http://www.iass-potsdam.de/de/publikationen/bodenatlas) zu beziehen ist. Durch das Werk und den Imagefilm wollen die Initiatoren den Dialog mit der Gesellschaft fördern und die Bedeutung des Bodens veranschaulichen.

"Wir können es uns nicht leisten, unsere Lebensgrundlage unter Asphalt zu begraben. Damit wir nicht eines Tages den Boden unter den Füßen verlieren", heißt es im Imagefilm am Ende. Weigelt und Benning hoffen, dass am Ende des UN-Jahres des Bodens viel mehr Menschen zu würdigen wissen, auf welch kostbares Grund sie bei jedem Schritt treten.

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