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Terrorismus in Bosnien

Marina Martinović20. November 2015

Fünf Tage nach den Anschlägen von Paris wurde in Bosnien-Herzegowina ebenfalls ein terroristischer Anschlag verübt. Ein bewaffneter Mann tötete zwei Soldaten. Die Gefahr von den Islamisten aus Bosnien bleibt aber gering.

Bosnien Herzegowina Sicherheitskräfte in Sarajewo wo die Soldaten umgebracht wurden (Foto: picture-alliance/epa/F. Demir)
Bild: picture-alliance/epa/F. Demir

Die Fahnen in Bosnien-Herzegowina sind am heutigen Freitag auf Halbmast gesetzt. Das Land gedenkt der zwei Opfer des terroristischen Anschlags vom Mittwochabend in Sarajevo. Enes Omeragić, ein bosnischer Sympathisant des sogenannten "Islamischen Staates", erschoss gezielt zwei Soldaten der bosnischen Streitkräfte. Die Soldaten befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Wettbüro am Rande Sarajevos, wie die zuständigen Ermittler mitgeteilt haben. Nach der Tat am späten Mittwochabend beging der Täter im Haus seiner Familie dann Selbstmord. Laut der Staatsanwaltschaft von Bosnien-Herzegowina handele sich hierbei um einen "terroristischen Akt".

Kampf der Extremisten für einen Scharia-Staat

Obwohl darüber spekuliert wird, dass Omeragić womöglich nur ein Nachahmer der islamistischen Attentäter von Paris sei, Fakt ist, dass ein terroristischer Anschlag in Bosnien-Herzegowina über die Internetkanäle des "Islamischen Staates" angekündigt wurde. Das in der USA angesiedelte Internetportal "Vijesti ummeta" (Nachrichten aller Muslime), nach eigenen Angaben "ein Portal des IS in bosnischer Sprache", verherrlichte die Attentate von vergangenem Freitag in Paris und schrieb im gleichen Text, dass nun auch in Bosnien-Herzegowina Blut vergossen werde. "Ihr Narren, Bosnien ist übergossen mit dem Blut der Mudschaheddin, die dafür gekämpft haben, einen Scharia-Staat zu errichten. Bei Allah, dieses Blut wurde nicht umsonst vergossen, dieses Blut hat bereits seine Früchte getragen und diese Früchte werden bald eure Köpfe von den Hälsen rollen lassen“, heißt es auf dieser Extremisten-Seite.

Screenshot des Online-Portals "Vijesti ummeta"

Als Mudschaheddine werden islamistische paramilitärische Kämpfer bezeichnet, die vorwiegend aus den muslimisch geprägten Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas während des Bosnienkrieges in den neunziger Jahren kamen um dort an der Seite der bosnischen Muslime zu kämpfen. Rund 2.000 von ihnen sind auch nach dem Krieg im Land geblieben. Viele haben dort geheiratet und in den meisten Fällen auf dieser Grundlage die Staatsbürgerschaft erlangt. In den Jahren nach dem Krieg war es still um sie geworden, bis vor etwa zehn Jahren, als die Anhänger der Wahhabiten anfingen im liberalen Bosnien negative Schlagzeile zu machen.

Es wurde immer öfter von dem kleinen Dorf Gornja Maoča in Zentralbosnien berichtet. Dort liefen Frauen in Burkas umher. Dort gelte die Scharia, hieß es. Und es häuften sich Berichte über die bärtigen Männer mit den etwas kürzeren Hosen, die junge Paare beschimpften, wenn sie sich öffentlich küssten oder Händchen hielten. Solche Aktionen riefen bei der Mehrheit der Muslime Bosnien-Herzegowinas große Abneigung hervor, denn hier überwiegt traditionell eine sehr weltoffene und liberale Auffassung des Islam. Es gab sogar Fälle, in denen die Wahhabiten aus den Moscheen vertrieben wurden, weil die bosnischen Muslime eine radikale Ansicht des Islam vehement ablehnen.

Flagge des Islamischen Staats in Gornja MaocaBild: Ruben Neugebauer

Armut fördert die Radikalisierung

Doch trotz dieser Abneigung und obwohl die Islamische Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina stets ihre Zugehörigkeit zu einem europäischen, toleranten und friedlichen Islam betont, gibt es dennoch Faktoren, die die Radikalisierung mancher jungen Menschen im Land begünstigen, betonte in einem Interview mit der DW der bosnische Politiker Dennis Gratz. Vor allem Armut und schlechte wirtschaftliche Perspektiven würden in einem der ärmsten Länder Europas einen negativen Beitrag leisten, so Gratz.

Einige terroristische Anschläge mit islamistischem Hintergrund gab es bereits in Bosnien-Herzegowina in den letzten Jahren. So explodierte 2010 eine Bombe in der Polizeistation im zentralbosnischen Bugojno. Ein Polizist starb, sechs weitere wurden verletzt. Verurteilt wurde ein islamistischer Terrorist, der sich für die Einführung der Scharia in Bosnien-Herzegowina eingesetzt hatte und den bosnischen Muslimen, die sich "vom Islam entfernt haben" den Kampf angesagt hatte.

Ein Jahr später schoss ein von den Polizeibehörden als Wahhabit identifizierter Mann mitten am Tag auf das Gebäude der US-Botschaft in Sarajevo. Die Behörden bestätigten, dass der Mann davor öfters im Dorf Gornja Maoča gewesen war. Er wurde zu 15 Jahre Haft verurteilt. Sein angeblicher Komplize wurde freigesprochen, ging danach nach Syrien und sprengte sich im Irak als Selbstmordattentäter in die Luft. Und im April dieses Jahres wurde wieder ein terroristischer Angriff auf eine Polizeistation verübt, diesmal im ostbosnischen Zvornik. Ein Polizist wurde getötet, zwei weitere verwundet. Der Attentäter selbst kam im Feuergefecht mit der Polizei ums Leben.

Gerichtsprozesse gegen Terroristen

Inzwischen wurde in Bosnien und Herzegowina ein Gesetz verabschiedet, das mehrjährige Haftstrafen für diejenigen vorsieht, die sich als islamistische Kämpfer nach Syrien oder in den Irak auf dem Weg machen. Zudem werden terroristische Aktivitäten, wie etwa die Anwerbung junger Muslime für den Krieg in Syrien, ebenfalls geahndet. So wurde Anfang November der salafistische Hassprediger Husein Bosnić, genannt Bilal, zu sieben Jahren Haft verurteilt - wegen "öffentlicher Anstiftung zu terroristischen Aktivitäten", der Rekrutierung von Dschihadisten für den Kampf des IS und der "Gründung einer Terrorgruppe".

Laut Schätzungen des bosnischen Geheimdienstes sind allein in diesem Jahr etwa 200 Bosnier nach Syrien oder in den Irak gegangen, um für den IS zu kämpfen. Seitens der bosnischen Muslime wird aber immer wieder die Ablehnung solcher Ideologien hervorgehoben. Der Großmufti von Bosnien-Herzegowina, Husein Kavazović, sagte über die Anschläge von Paris, sie seien eine "Sünde gegenüber Gott" und dass "Terrorismus mit nichts zu rechtfertigen ist, weder moralisch, noch vom Glauben her oder politisch".

Beim terroristischen Angrif in Zvornik im April wurde ein Polizist ermordetBild: DW/E. Musli

Experten, wie Armin Kržalić vom Zentrum für Sicherheitsstudien in Sarajevo, betonen deshalb, dass die Präsenz von gewissen radikalen Gruppen in Bosnien-Herzegowina kein allzu großes Problem darstelle. "Das, was wir mithilfe unserer Studien festgestellt haben, und was auch die Angaben der Polizei und der Sicherheitsbehörden belegen, ist, dass es in Bosnien-Herzegowina keine islamistischen Ausbildungscamps gibt, so wie das einige Medien berichtet hatten. Es gibt gewisse Gruppen, die die Sicherheitsbehörden beschatten, und ich denke, dass mithilfe zusätzlicher Maßnahmen, insbesondere der des Geheimdienstsektors, diese Gruppen unter Kontrolle bleiben können", sagt Kržalić. Bisher gibt es keine offiziellen Angaben über die Zahl der Salafisten im Land, in der Öffentlichkeit ist zurzeit von rund fünf Tausend in Bosnien-Herzegowina die Rede.

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