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Der Brexit und die deutsche Wirtschaft

Brigitte Scholtes
15. Januar 2019

Weicher oder harter Brexit? Die deutsche Wirtschaft wartet gebannt und bereitet sich vor, so gut es geht.

Großbritannien BMW Fabrik für Minis in Cowley
Bild: picture-alliance/empics/A. Devlin

43 Prozent der etwa 1300 Industrie-Unternehmen in Deutschland rechnen mit einem harten Brexit. Das hat eine Umfrage des Münchner ifo-Instituts ergeben. Drei Fünftel der Firmen gaben an, sie wären von eine harten Brexit betroffen - allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Wie stark die Auswirkungen auf die Branchen sind, das hängt auch von der Verflechtung der Produktionen auf der Insel und auf dem Kontinent ab.

Autoindustrie

Weltweit werden etwa 85 Millionen neue Pkw jährlich zugelassen, zwei Millionen davon in Großbritannien. Der Brexit wird den Absatz im Land schwächen, aber nicht so gravierend, meint Ferdinand Dudenhöffer, Branchenexperte von der Universität Duisburg-Essen: "Wenn in England der Autoabsatz um ein Fünftel einbrechen sollte, wird das die deutsche Autoindustrie nicht umhauen." Die Hersteller seien unterschiedlich betroffen. Am stärksten dürfte BMW den Brexit spüren. Denn die Münchner haben auf der britischen Insel ein Produktionswerk für den "Mini" (Artikelbild), außerdem nahe Birmingham das Motorenwerk Hams Hall, in dem nicht nur für den Mini, sondern auch Moteren für die BMW 1er- und 3er-Reihe produziert werden.

Probleme könnte es in der Zulieferung zwischen den einzelnen Werken in Kontinentaleuropa und Großbritannien geben. Das trifft auch die Opel-Schwestermarke Vauxhall, die inzwischen zum französischen PSA-Konzern gehören. PSA hatte das Bochumer Opel-Werk geschlossen, betreibt das Werk in Ellesmere Port nahe Liverpool aber weiter. Außer den wahrscheinlichen Problemen in der Logistik gebe es aber mögliche positive Effekte, sagt Dudenhöffer: Wenn das britische Pfund weiter abwerte, werde man in Großbritannien die Autos kostengünstiger herstellen können als im Euroraum - es sei denn, es würden hohe Zölle fällig.

Was bleibt vom Londoner Finanzzentrum, der "City"? Bild: picture alliance/dpa/D. Kalker

Banken

Die Finanzwirtschaft steht seit der Entscheidung für den Brexit im Fokus: Denn sie ist mit einem Anteil von zwölf Prozent am Bruttoinlandsprodukt einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Vereinigten Königreichs. London ist der Hauptfinanzplatz in Europa, doch außereuropäische Banken, die bisher ihren Sitz in London hatten und von dort aus auch ihr Geschäft in den anderen Ländern der Europäischen Union betreiben wollen, können das nach dem Brexit nicht mehr. Sie müssen dazu einen Sitz in der EU haben.

Davon profitiert etwa auch der Finanzplatz in Frankfurt.

Der Lobbyverband "Frankfurt Main Finance" schätzt, dass die Banken 750 bis 800 Milliarden Euro an Bilanzvolumen nach Frankfurt verlagern könnten, ein Großteil davon im ersten Quartal dieses Jahres. Dadurch würde die Bilanzsumme der deutschen und internationalen Geldhäuser in Frankfurt um ein Fünftel steigen. Bis zu 8000 Arbeitsplätze würden zudem auf Sicht mehrerer Jahre an den Main verlagert, schätzt Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba.

Auf Jobsuche? Theresa May beim Besuch einer Textilfabrik in Ayr, SchottlandBild: Getty Images/R. Cheyne

Chemie/Pharma

Wie stark die Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche vom Brexit betroffen sein werden, das kommt stark auf die Ausgestaltung des Austritts an. Wie in den anderen Wirtschaftszweigen auch würde ein harter Brexit größere Verwerfungen nach sich ziehen. Der Verband der chemischen Industrie (VCI) rechnet dann nicht nur mit Zöllen von bis zu 200 Millionen Euro jährlich. VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann fürchtet vor allem unterschiedliche Regulierungen, denn ohne eine Übergangsvereinbarung hätten nach einem Brexit alle Chemikalien, die in Großbritannien produziert werden, keine Zulassung mehr. Sie müssten neu registriert werden. Das wäre ein erheblicher bürokratischer Aufwand.

Ähnliches gilt auch für die Pharmahersteller: der Handel zwischen der EU und Großbritannien ist intensiv, doch auch die enge Verflechtung der Firmen bereite Sorgen, erklärt Siegfried Throm, Geschäftsführer beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Die gelte bei der Herstellung und beim Vertrieb von Medikamenten, aber auch bei der Durchführung von klinischen Studien innerhalb der EU-Mitgliedstaaten und auch mit dem Vereinigten Königreich.

Müssen sich auf alle Eventualitäten vorbereiten: Airlines, die zwischen Großbritannien und der EU unterwegs sindBild: picture alliance/dpa

Luftverkehr

Regulierung ist auch das wesentliche Problem in der Luftfahrt: Ein harter Brexit würde den Luftverkehr erst einmal lahmlegen. Denn dann würden britische Fluggesellschaften ihr Recht verlieren, Flughäfen in der EU anzusteuern. Denn sie wären dann nicht mehr Teil des Luftverkehrs-Binnenmarkts in der EU. Das träfe nicht nur Fluggesellschaften wie British Airways, Easyjet oder Ryanair, sondern auch deutsche Ferienflieger wie Tuifly und Condor, die mehrheitlich britischen Aktionären gehören. Branchenexperten wie Eric Heymann von der Deutschen Bank geben sich aber zuversichtlich: "Ich glaube, es ist relativ unproblematisch, dieses Thema auch bei einem harten Brexit so zu lösen, dass Flugverbindungen zwischen UK und Kontinentaleuropa weiter bestehen bleiben", meint er.

Maschinenbau

Großbritannien ist für die deutschen Maschinen und Anlagenbauer einer der wichtigsten Exportmärkte mit einem Volumen von gut sieben Milliarden Euro. Schon 2017 sanken die Exporte auf die britische Insel, die Verunsicherung durch den Brexit hatte sich da schon deutlich bemerkbar gemacht. Denn auch die Abwertung des Pfunds macht den deutschen Herstellern zu schaffen: ihre Waren werden dadurch für die britischen Kunden deutlich teurer. Auch hier hoffen die Unternehmen, dass es nicht zu einem ungeregelten Austritt der Briten kommt. Gleichwohl, so meint Thilo Brodtmann Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VDMA, sollten die Unternehmen sich weiter auf einen auf einen "chaotischen Brexit" vorbereiten.

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