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Politik

Neuer Brexit-Aufschub - mit Bedingungen

11. April 2019

Fast hätte Frankreich eine Einigung mit Großbritannien verhindert und einen Chaos-Brexit provoziert. Doch jetzt hat London bis Ende Oktober Zeit, um den Austritt zu ordnen. Christoph Hasselbach berichtet aus Brüssel.

Belgien Brexit-Gipfel in Brüssel
Bild: Reuters/S. Vera

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen hat die EU den Austritt Großbritanniens verschoben und damit einen drohenden Chaos-Brexit verhindert. Der wäre sonst an diesem Freitag um Mitternacht automatisch eingetreten und hätte schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft und die Bürger auf beiden Seiten des Ärmelkanals gehabt. Dreimal schon hat das Parlament den Brexit-Deal, wie ihn Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hat, verworfen. Eine Alternative ist aber im Unterhaus auch nicht absehbar.

Zwar sind alle genervt, dass man sich seit Monaten fast nur noch mit einem einzigen Thema beschäftigt. Doch es steht für beide Seiten einfach zuviel auf dem Spiel. Bundeskanzlerin Angela sprach von einer "historischen Verantwortung" und dass ein geordneter Ausstieg auch im europäischen Interesse liege. Darüber immerhin besteht Konsens.

Übereinstimmung auch in der Farbwahl: Theresa May und Angela MerkelBild: Reuters/K. Tribouillard

Damit man sich nicht alle paar Wochen neu treffen und die Frist verlängern muss, soll es jetzt eine flexible Lösung geben. Bis Ende Oktober hat Großbritannien nun Zeit, eine parlamentarische Mehrheit für eine Brexit-Lösung zu finden und dann auszusteigen. Am 31. Oktober endet auch das Mandat der jetzigen Kommission. Beim EU-Gipfel Ende Juni soll die Lage noch einmal überprüft werden. Käme ein britischer Kompromiss noch vor den Europawahlen Ende Mai zustande, wäre es umso besser, dann müsste Großbritannien nicht daran teilnehmen. Das bleibt auch Mays Wunsch. Ihre Regierung trifft aber vorsichtshalber alle Vorbereitungen für die Teilnahme an der Wahl.

Macron sieht Gefahren für die EU

Die übrigen 27 Regierungschefs haben jedoch Bedingungen im Zusammenhang mit der Europawahl gestellt. Dahinter steht vor allem der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Auch ein ungeregelter Brexit sei für ihn eine Option, soll er während der Verhandlungen gedroht haben. Das Veto eines einzigen Staates hätte ausgereicht, um die Vereinbarung scheitern zu lassen, ein ungeregelter Brexit noch diese Woche wäre unausweichlich gewesen. Doch dann wäre Macron für die wirtschaftlichen Folgen verantwortlich gemacht worden. Diplomaten sagen, sein hartes Auftreten sei vor allem ein innenpolitisches Signal gewesen.

Macron steht mit seinem wichtigsten Argument aber nicht allein: Nimmt Großbritannien an der Wahl teil, würde es, wie bisher, Abgeordnete ins Parlament schicken und hätte, wie alle anderen Mitglieder auch, Einfluss auf die neue Kommission, auf den mehrjährigen EU-Haushalt und andere wichtige Fragen, obwohl es bald danach ausscheidet. Es hätte damit auch die Möglichkeit, die Arbeit der EU zu sabotieren. Die Sorge ist nicht aus der Luft gegriffen. Mehrere Hardliner von Mays Konservativen Partei haben bereits angekündigt, der EU in dem Fall als "trojanisches Pferd" (Mark Francois) das Leben "so schwierig wie möglich" (Jacob Rees-Mogg) zu machen.

Mays Verhandlungsspielraum ist minimal

Bedingung für den Brexit-Aufschub ist deshalb, dass sich London bis zum Austritt "konstruktiv" und "verantwortungsvoll" verhält und die Ziele der EU nicht konterkariert. Es soll sich in Zukunftsfragen nicht einmischen, obwohl es das eigentlich dürfte. Großbritannien dürfe nicht in die Lage versetzt werden, "die europäischen Institutionen als Geiseln zu nehmen", warnte der belgische Ministerpräsident Charles Michel.

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Die Frage ist allerdings, ob May, selbst wenn sie sich persönlich an die Abmachung mit der EU gebunden fühlt, einen solchen negativen Einfluss verhindern kann. Mit der oppositionellen Labour-Partei sucht sie gerade einen parteiübergreifenden Brexit-Kompromiss, sie steht aber unter großem Druck des rechten Flügels ihrer Partei. Lässt sie sich etwa auf den Labour-Wunsch nach einem weichen Brexit mit einer dauerhaften Zollunion ein, wäre das für Boris Johnson und andere Hardliner ein Verrat am Brexit-Referendum vor drei Jahren. Auch Außenminister Jeremy Hunt sagt jetzt, eine Zollunion würde für das Vereinigte Königreich "nicht funktionieren".

Ihr Spielraum ist also minimal, und manche ihrer innerparteilichen Kritiker würden sie lieber heute als morgen loswerden. Gestürzt werden kann sie nicht bis Ende des Jahres, weil sie vor wenigen Wochen ein Misstrauensvotum überstanden hat. Aber falls May von sich aus zurücktritt, und ein Nachfolger wie Boris Johnson würde Premierminister, wäre die heutige Abmachung mit der EU wohl nicht viel wert. Emmanuel Macron würde sich bestätigt fühlen.

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