Der Chansonnier aus der Fremde
3. Mai 2014"Le métèque" macht Moustaki 1969 berühmt. Das Chanson fing das Lebensgefühl all jener Ausländer ein, die in der Fremde argwöhnisch beäugt und abgelehnt werden. "Mit meiner Kanaken-Fresse, der des umherziehenden Juden, des griechischen Hirten, und meinen in alle vier Windrichtungen sprießenden Haaren, werde ich kommen, meine süße Gefangene", sang Moustaki – und stellte sich selbst als Produkt einer Jahrtausende alten Mischkultur im Mittelmeerraum vor.
Giuseppe Mustacchi wurde am 3. Mai 1934 in die kosmopolitische Welt der uralten ägyptischen Metropole Alexandria hineingeboren, als Sohn jüdisch-griechischer Eltern mit einem italienischen Vornamen. Im Buchladen seines Vaters trafen sich Intellektuelle verschiedenster Kulturen, man hörte Musik und parlierte in mehreren Sprachen. Der kleine Giuseppe besuchte eine französische Schule. 1951, mit dem Abitur in der Tasche hatte, ging er nach Paris. Die Stadt an der Seine verhieß dem 17-Jährigen die Erfüllung all seiner romantischen Träume, und sie war die Wiege des Chansons - seiner neuen Leidenschaft. Ein Chanson sei reine Magie und Poesie, hat er mal gesagt: eben Französisch mit Musik.
In den Cabarets der Bohème
Um sich über Wasser zu halten, schrieb Moustaki für eine ägyptische Zeitung, jobbte als Barmann, verkaufte Bücher und spielte Gitarre in den Cafés von Montparnasse. Dort lernte er den damals schon berühmten Chansonnier Georges Brassens kennen, der sein Freund und Mentor wurde. Ihm zu Ehren nannte sich Giuseppe fortan ebenfalls Georges.
In den Cabarets der Pariser Bohème traf sich in jenen Jahren die Chanson-Szene Frankreichs - und mittendrin Moustaki. Zunächst komponierte er für Kollegen: für den großen Yves Montand oder die unvergleichliche Edith Piaf. Obwohl sie 20 Jahre älter war als der junge Georges und schwer krebskrank, begannen die beiden eine heiße Liebesaffäre. Für seine Edith schrieb Moustaki das Lied "Milord", das 1959 zu einem Welthit wurde.
Meister der leisen Töne
Wenn Moustaki selbst auf die Bühne trat, sang er sanfte Lieder. Er war ein Meister der leisen Töne. Mit "Le métèque", dem Lied über den Fremden, war er in den Olymp der Chansonniers aufgestiegen, man nannte ihn in einem Atemzug mit Juliette Gréco und Jacques Brel. Und trotzdem blieb er immer ein wenig Außenseiter, klangen seine Lieder immer ein wenig mediterraner als die seiner Kollegen. Mehr als 300 Chansons brachte er zu Papier, und meist ging es um unglückliche Liebe, um düstere Gedanken, um Melancholie und Einsamkeit.
Der Inbegriff des Südländers
Er wäre gern ein Hippie geworden, sei aber leider 20 Jahre zu spät geboren, sagte der alternde Beatnick einmal. Doch die lockere Ungezwungenheit entsprach seinem Lebensgefühl. Mit langen wallenden Locken, einem üppigen Vollbart, in flatterndes Leinen gekleidet und Sandalen an den Füßen war Moustaki der Inbegriff des Südländers - der sanfte Macho, dem die Frauen zu Füßen lagen. Und er war der Vorzeigefremde, den das sozial gespaltene Frankreich gern als Musterbeispiel eines Einwanderers vorführte.
Moustaki reicherte seine Chansons zunehmend mit griechischen Bouzouki- und Flötenklängen an; auch der Tango und der Bossa Nova hatten es ihm angetan. Als Brasilien-Fan adaptierte er Lieder aus der Feder Gilberto Gils und Chico Buarques, darunter "Partager les restes".
"Ich werde singen, bis ich sterbe", hatte Moustaki noch 2007 im Alter von 73 Jahren verkündet und ging weiter auf ausgedehnte Tourneen.
Doch eine schwere Atemwegerkrankung vereitelte seine Pläne. 2009 war endgültig Schluss mit der Bühnenkarriere. 2013 starb der singende Poet in Nizza, der am 3. Mai dieses Jahres 80 geworden wäre und Zeit seines Lebens an seine Träume glaubte.