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Politik

Der Datenklau und die Folgen

10. Januar 2019

Die Passwörter sind geändert, der Datendieb gefasst, aber noch ist der Hacking-Skandal um deutsche Politiker nicht abgeschlossen. Im Innenausschuss fordert die Opposition besseren Schutz - und warnt vor mehr Überwachung.

Deutschland | Bundestag Innenausschuss | Datendiebstahl
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Sondersitzung des Innenausschusses zum Datenklau - das ist gleichzeitig eine Runde persönlich Betroffener. Denn unter den Politikern und Prominenten, deren private Daten ein junger Mann aus Hessen sammelte und veröffentlichte, waren zahlreiche Bundestagsabgeordnete. So auch Konstantin von Notz von den Grünen. Als Mitglied des Innenausschusses hatte er am Donnerstag in nicht-öffentlicher Sitzung Gelegenheit, Innenminister Seehofer zu fragen, warum er und andere erst aus den Medien davon erfuhren.

Fordert Standards für die Daten-Verschlüsselung: Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz nach der AusschusssitzungBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Herr Seehofer und die Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik sowie des Bundeskriminalamtes sagen, die Meldewege sind schwierig", so von Notz nach der Sondersitzung im DW-Gespräch. "Sie haben keine Anzeige über diesen Leak bekommen. Nun ist das objektiv nicht trivial, aber wenn man sieht, wie wichtig die IT-Sicherheit ist, dann müssen wir dringend an Verbesserungen arbeiten." Von Notz fordert unter anderem das Verbot des Handels mit Sicherheitslücken. Kritisch sieht er die Idee, mit sogenannten Hackbacks Hacker und ihre Geräte anzugreifen. Außerdem müsse man darüber reden, ob Abgeordnete ihre eigenen Kommunikationsgeräte nutzen dürfen oder eine speziell geschützte Infrastruktur.

Daten im Darknet gekauft?

Für einige Tage hatte der Datendieb das gesamte politische Leben in Deutschland in Atem gehalten. Kein Top-Hacker, kein ausländischer Geheimdienst, sondern ein junger Mann, 20 Jahre alt, wohnhaft noch bei seinen Eltern in Homberg in Hessen. Weil er sich über die Äußerungen einiger Politiker geärgert habe, stellte er Daten von rund 1000 Politikern und anderen Prominenten, auch von Ministern und sogar von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ins Netz.

Zumindest einen Teil davon habe der junge Mann im Internet gekauft, schreibt am Donnerstag die "Bild-Zeitung". Dort heißt es, der Mann habe Zugangsdaten zu Konten der Betroffenen bei sozialen Medien und weitere Daten im sogenannten Darknet erworben.  Deshalb ermittle die zuständige Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main auch wegen Datenhehlerei. Das zumindest hat die Behörde schon bestätigt. Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamts, konnte den Bericht der "Bild-Zeitung" nicht bestätigen. Die Information stamme jedenfalls nicht aus Ermittlerkreisen seiner Behörde, sagte Münch nach der Sondersitzung in Berlin. Die Ermittlungen liefen "noch auf Hochtouren", so Münch weiter.

Der junge Hesse mit Hass auf Politiker war am vergangenen Sonntag festgenommen worden. Weil er aber geständig ist und der Polizei sogar bei den Ermittlungen half, ist er vorerst auf freiem Fuß. Ob er angeklagt wird, ist noch offen. Juristisch - so viel steht fest - gilt er als Heranwachsender. Neben dem Vorwurf der Datenhehlerei wird gegen ihn wegen des Verdachts der Ausspähung von Daten ermittelt. Und wegen der unberechtigten Veröffentlichung.

Stolz und Vorsichtigkeit

Fast alle Politiker waren über den Vorfall empört und forderten Konsequenzen. Die Bürgermeisterin des Heimatortes des Beschuldigten sieht das jedoch anders. Claudia Blum, Mitglied der SPD, Stadtoberhaupt des 14.000-Einwohner-Ortes Homberg, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Für mich ist das Ganze kein Skandal. Wir müssen uns nicht schämen. Es geht ja nicht um Mord und Totschlag." Und die Bürgermeisterin setzt noch hinzu: "Es gibt einen gewissen Stolz, dass es jemand war, der von hier kommt. Er hat der Republik den Spiegel vorgehalten. Das sollte uns alle wachrütteln, besser mit unseren Daten umzugehen."

Manuel Höferlin von der FDP warnt vor mehr staatlicher ÜberwachungBild: imago/J. Jeske

Letztgenanntes dürfte Konsens sein. Umstritten ist jedoch die Rolle staatlicher Behörden beim Schutz vor Hackern und Datendieben. Innenminister Seehofer hatte bei der Sondersitzung des Innenausschusses nach Angaben von Teilnehmern mehr Befugnisse für seine Behörden gefordert. Sie sollten etwa Anbieter wie Twitter zum Löschen von Inhalten zwingen können. "Wir werden darauf achten, dass es jetzt nicht wieder nur darum geht, neue Eingriffsbefugnisse für den Staat zu schaffen", sagt dazu FDP-Digitalexperte Manuel Höferlin im Gespräch mit der DW. Stattdessen sollten die Behörden viel mehr "digital Streife gehen", wünscht sich Höferlin, um schnell erkennen zu können, wenn sensible Daten veröffentlicht werden.

"Sehr im Internet unterwegs"

Für Spott sorgt nach wie vor, dass Innenminister Horst Seehofer am Dienstag erklärt hatte, seit den 1980er Jahren "sehr im Internet unterwegs zu sein" - einer Zeit also, als es das Internet noch nicht gab. Für Kritiker verkörpert Seehofer damit die mangelnde Professionalität deutscher Politik im Umgang mit dem Netz und seinen Gefahren.

Innenminister Seehofer (links) begrüßt Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamt für IT-Sicherheit BSI. Rechts daneben neben Holger Münch, Präsident des BundeskriminalamtsBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Dieser Polemik will sich Höferlin zwar nicht anschließen, aber "ich habe nicht den Eindruck, dass Innenminister Seehofer das Thema mit der notwendigen Energie verfolgt hat", so der FDP-Abgeordnete." Das Thema Cybersicherheit werde im Vergleich zu sonstigen Sicherheitsthemen nicht ernst genug genommen. "Das muss sich dringend ändern. Vielleicht tritt da jetzt ein Einsichtsprozess ein bei Herrn Seehofer."

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