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PolitikPeru

Der "Demokrator": Perus Ex-Präsident Fujimori ist tot

12. September 2024

Er war Präsident und Perus prominentester Häftling. Er wurde verurteilt, begnadigt und wieder inhaftiert. Alberto Fujimori war skrupellos, korrupt und beliebt - und doch ein ganz untypischer Politiker für Lateinamerika.

Alberto Fujimori (2007)
Bild: Sergio Urday/EPA/dpa/picture-alliance

Schon seine Staatsangehörigkeit war ein Kuriosum, denn Alberto Fujimori hatte zwei Geburtsländer: Peru und Japan. Wäre er nicht in Peru geboren worden, hätte er nie Präsident werden können. Und laut seinem peruanischen Pass erblickte er 1938 als Sohn japanischer Einwanderer in Lima das Licht der Welt. Allerdings ergaben journalistische Recherchen 1997, dass sein Vater ihn auch in ein japanisches Geburtenregister mit Geburtsort Japan hatte eingetragen lassen.

Genau darauf beruft sich Alberto Fujimori auch, als er im Jahr 2000 dorthin ins Exil flieht und per Fax seinen Rücktritt von der Staatsspitze erklärt. Zu dem Zeitpunkt liegen zehn Jahren Herrschaft hinter "El Chino" ("Der Chinese"), wie ihn die Peruaner nannten. Gerade hatte er in einer mutmaßlich verschobenen Wahl seine dritte Präsidentschaft errungen, als schwere Korruptionsvorwürfe gegen ihn - und seinen Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos - laut wurden.

Ein lateinamerikanischer Traum

Ähnlich spektakulär wie sein Abgang ist auch Fujimoris Aufstieg an die Staatsspitze. Als Sohn von Baumwollpflückern einer ethnischen Minderheit war ihm eine große Karriere nicht gerade in die Wiege gelegt. Doch Alberto Fujimori schafft es an eine Universität und legt eine beachtliche akademische Laufbahn hin. Er studiert Agraringenieurwesen, Mathematik und Physik in Peru, Frankreich und den USA und wird schließlich Dekan und Präsident der Kommission der Universitätsrektoren in Peru.

Die politische Bühne betritt er Ende der 1980er-Jahre. Als krasser Außenseiter kandidiert er 1990 für die Protestpartei Cambio 90 ("Wechsel 90") für die Präsidentschaft und schafft es dank des verbreiteten Frusts über die etablierte politische Klasse in die Stichwahl gegen den rechts-liberalen Kandidaten, den späteren Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa.

Dass Fujimori das Intellektuellen-Duell gewinnt, wird eher der Abneigung der Linken gegen Vargas Llosa zugeschrieben als Fujimoris Charisma. Der zierliche Professor mit dem stechenden Zeigefinger am Rednerpult wirkte wie ein Gegenentwurf zum südamerikanischen Caudillo, der das Volk mit markigem Machismo mitreißt.

Der Weg zum "Demokrator"

Aber seine energische Art, seine kurzen, prägnanten Sätze, sprechen viele Menschen einfacher Herkunft an. Und sein Motto "Ehrlichkeit, Technologie, Arbeit" verfängt, weil es überzeugend klingt aus dem Mund des fleißigen Emporkömmlings. Deshalb applaudiert die Mehrheit der Bevölkerung auch, als der Präsident die Macht in Lima zentralisiert und 1992 den Kongress auflöst, dessen Abgeordnete in ihren Augen durch und durch korrupt sind.

Mit einer neuen Verfassung ersetzt er 1993 das Zwei-Kammer-System durch ein neugewähltes Ein-Kammer-Parlament, in dem er nunmehr eine Mehrheit hat. Dieser "Selbstputsch" bringt Fujimori zwar den Titel "Demokrator" ein. Er ist aber nicht der Grund, aus dem er Jahre später in Haft muss.

Sieg über Inflation und Terrorismus

Neben dem politischen Umbau Perus geht Fujimori die beiden Hauptprobleme des Landes an: die Wirtschaft und den Bürgerkrieg. In den 1990er Jahren war das Land in eine tiefe Wirtschafts- und Schuldenkrise mit Hyperinflation geraten. Mit einer Währungsreform und dem "Fujishock", einer neo-liberalen Rosskur, stutzt er die Inflation auf ein verträgliches Maß und bringt Peru einige der wirtschaftlich erfolgreichsten Jahre seiner Geschichte.

Von seinen Anhängern wurde Alberto Fujimori bis zuletzt gefeiert.Bild: Klebher Vasquez/Anadolu/picture alliance

Siegreich ist er auch im Kampf gegen die seit den 1960er Jahren aktive maoistische Guerillagruppe Sendero Luminoso und die Terrororganisation Tupac Amaru. Unter Fujimori wechselt das Militär im Bürgerkrieg seine Strategie: Statt auch mutmaßliche Kollaborateure und deren Angehörige zu massakrieren, überlässt man derartige Vergeltung weitgehend den Rebellen und setzt auf gezieltere Schläge gegen die Terroristen.

Bei der leidgeplagten Landbevölkerung wirbt man hingegen um Vertrauen, um den Guerillas deren Unterstützung zu entziehen. Mit einer Reihe von Amnestie-Gesetzen bringt Fujimori bis 1997 schließlich beide Gruppen dazu, ihre Waffen abzugeben und sich aufzulösen.

Flucht und Rückkehr

Seine weiterhin zahlreichen Anhänger feiern Fujimori dafür bis heute. Dabei blenden sie gerne die Schattenseiten seiner Herrschaft aus: mordende Todesschwadrone, Korruption, Vetternwirtschaft, massenhafte Zwangssterilisationen von indigenen Frauen und außergerichtliche Erschießungen.Dank einer 2001 eingesetzten Wahrheitskommission ist all das gut dokumentiert.

Obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten zulässt, tritt er 2000 für eine dritte an. Kurz nach seiner höchst umstrittenen Wiederwahl im Jahr 2000 werden die schwelenden Korruptionsvorwürfe manifest: Videos von Fujimoris rechter Hand Montesinos zeigen, wie der Geheimdienstchef Oppositionspolitiker besticht.

Der Präsident ergreift die Flucht ins Land seiner Vorfahren. Doch der Ehrgeiz lockt ihn zurück: Von Perus Nachbarland Chile aus will er den Wahlkampf seiner Partei 2006 leiten und erwägt sogar, selbst zu kandidieren. Doch Chile kommt dem Gesuch der peruanischen Justiz nach, nimmt Fujimori fest und liefert ihn 2007 aus.

Verurteilt zu mehr als 50 Jahren Freiheitsstrafe

Schon einen Tag nach Prozessauftakt verurteilt das Gericht Alberto Fujimori zu sechs Jahren Gefängnis wegen der illegalen Anordnung einer Hausdurchsuchung. In der Folge sprechen ihn die Richter auch wegen Hausfriedensbruch, Bestechung, Unterschlagung, versuchter Strafvereitelung und Menschenrechtsverletzungen schuldig. Insgesamt verurteilen sie ihn zu mehr als 50 Jahren Freiheitsstrafe, die letztlich eine Haft von 25 Jahren bedeutet hätten.

Doch der Gesundheitszustand des nunmehr 69-Jährigen ist schon damals schlecht. Jahrelang kämpft er mit diesem Argument vergeblich darum, seine Strafe zumindest in Hausarrest absitzen zu dürfen. In einer Umfrage im Jahr 2012 sprechen sich 59 Prozent der Befragten für Fujimoris Begnadigung aus.

Alberto Fujimori will noch einmal Präsident werden

Die erhält er im 2017 von Präsident Pedro Pablo Kuczynski. Die Begnadigung spaltet die Gesellschaft - auch weil sie vermutlich Teil eines politischen Deals zwischen Fujimoris Partei, die mittlerweile von seiner Tochter Keiko angeführt wird, und Kuczynski ist. Kaum weniger umstritten ist die Annullierung der Begnadigung 2018: Fujimori muss zurück ins Gefängnis von Barbadillo am Stadtrand von Lima.

Bei seiner Haftentlassung im Dezember 2023 ist Alberto Fujimori bereits schwer gezeichnet.Bild: Mariana Bazo/Getty Images

In der Folge versuchen Keiko und ihr Bruder Kenji Fujimori ein Gesetz durchs Parlament zu bringen, nach dem Gefangene ab dem 80. Lebensjahr frühzeitig entlassen werden können. Im Dezember 2023 wird Alberto Fujimori schließlich auf Anweisung des peruanischen Verfassungsgerichts im Alter von 85 Jahren aus der Haft entlassen. Sieben Monate später kündigt Keiko Fujimori an, dass ihr Vater 2026 erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren werde.

Dazu wird es nun nicht mehr kommen: Am 12. September 2024 starb Alberto Fujimori im Alter von 86 Jahren. "Nach einem langen Kampf gegen den Krebs ist unser Vater nach Hause gegangen, um Gott zu begegnen", teilte seine Tochter Keiko Fujimori auf Kurznachrichtenportal X mit. Bis zum Schluss beteuerte Alberto Fujimori seine Unschuld: Er habe Peru Wohlstand und Frieden gebracht, nicht Mord und Todschlag.

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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