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"Der deutsche Ingenieurs-Ruf ist beschädigt"

Andreas Becker25. September 2015

Für Volkswagen ist der Skandal um manipulierte Abgaswerte ein Desaster. Doch nicht nur das Image des Autokonzerns steht auf dem Spiel, sagt der Werbefachmann Peter John Mahrenholz im DW-Interview.

Deutschland ADAC Skandal beim Gelben Engel
Bild: Reuters/Michael Dalder

Deutsche Welle: Herr Mahrenholz, was bedeutet der Skandal um manipulierte Abgaswerte für das Image von Volkswagen und die Marke VW?

Peter John Mahrenholz: Die Marke VW ist durch diesen Skandal sicherlich beschädigt. Volkswagen war eine Marke, die sehr stark von Vertrauen, Gradlinigkeit, Ehrlichkeit und einer seriösen Bodenständigkeit geprägt war. Diese Ehrlichkeit ist natürlich erst einmal hin. Jetzt wird es davon abhängen, wie der Konzern damit umgeht - ob er sehr schnell radikale Maßnahmen trifft, um klarzumachen, dass es hier um das Fehlverhalten Einzelner geht und nicht um eine institutionelle Schwäche des gesamten Konzerns. Im Moment sieht es danach aus, als würde Volkswagen entsprechend hart durchgreifen und versuchen zu retten, was zu retten ist.

Es gibt zurzeit noch keine Belege, dass auch andere Hersteller Abgaswerte manipuliert haben. Trotzdem sorgen sich deutsche Autobauer, dass auch ihre Marken Schaden nehmen könnten. Ist die Sorge begründet?

Niemand wird eine Kaufentscheidung für eine andere deutsche Marke jetzt sofort revidieren. Aber man darf nicht vernachlässigen, dass hier etwas über die Marke Volkswagen hinaus beschädigt worden ist: nicht die deutschen Automobilhersteller, sondern der deutsche Ingenieursmythos.

Die New York Times sieht das gesamte Gütesiegel "Made in Germany" beschädigt.

Ich glaube eher, der deutsche Ingenieur ist hier beschädigt. Dessen besonderer Nimbus war für Deutschland und seine Technologiekonzerne sehr wichtig. Deutsche Ingenieursethik bedeutet: es geht nicht um Oberflächlichkeit, es geht um Substanz. Es geht um echte Innovation, nicht um schillernde neue Marketing-Oberflächen. Diese Form von Ernsthaftigkeit und Integrität ist jetzt in Frage gestellt, und darin liegt für mich der eigentliche Schaden. Dieser Schaden bezieht sich eben nicht nur auf die Automobilindustrie, sondern auf alle Marken, die von dieser Ingenieursethik leben.

Peter John Mahrenholz, Berlin Strategy LabBild: Verlag Der Tagesspiegel/Foto: A. Babic

Also auch die Maschinenbauer?

Sicherlich auch Maschinenbauer. Aber auch technologische Güter im Konsumbereich: Haushaltsgeräte aus Deutschland sind weltweit beliebt. Das zieht weitere Kreise - nicht unmittelbar, nicht sofort messbar. Aber eine Erosion dieser Ingenieurssubstanz ist sicherlich da. Man muss überlegen, wie man nun gegensteuert. Das ist das eigentliche Problem - und das geht weit über die Autobranche hinaus.

Viele deutsche Marken leben davon, dass sie Produkte mit "German Engineering" anbieten. Sie müssen sich überlegen, ob sie in ihrer Vermarktung vielleicht weniger über "made in Germany" und Deutschland reden.

Peter John Mahrenholz ist seit August 2015 Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Berlin Strategy Lab. Davor war er mehr als 20 Jahre lang in der Werbeindustrie tätig, zuletzt bei der Agentur Jung von Matt. Ende der 1990er Jahre verantwortete er bei der Agentur DBB International die globale Strategie für den Kunden Volkswagen.

Die Fragen stellte Andreas Becker.

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