Handlanger des Diktators
23. November 2009In nur wenigen ex-kommunistischen Ländern Mittel- und Südosteuropas hat die Elite der Diktatur so gut überlebt wie in Rumänien. Prominentes Beispiel in diesen Tagen: die beiden Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten, die am 6. Dezember in die Stichwahl gehen. Der amtierende Staatspräsident Traian Basescu leitete vor 1989 das Auslandsbüro der staatlichen rumänischen Schifffahrtsgesellschaft in Antwerpen, vergleichbar mit einem wichtigen Botschafterposten. Der zweitplazierte Kandidat, Mircea Geoana, Chef der wendekommunistischen "Sozialdemokratischen Partei", ist der Sohn eines der ranghöchsten Generäle unter Ceausescu, Ioan Geoana, seinerzeit Chef des Oberkommandos für Zivilschutz. Beide, Basescu und Geoana, sollen vor 1989 auch mit der Securitate zusammen gearbeitet haben, dem gefürchteten Repressionsapparat des Diktators Ceausescu.
Doch sie sind nur die vergleichsweise harmlos wirkende Spitze eines Eisberges. Vor allem viele ehemalige Securitate-Offiziere haben sich im postkommunistischen System bestens eingerichtet - in politischen Funktionen, als schwerreiche Unternehmer oder als wohlhabende Rentner.
"Sie sind sogar in der Regierung"
Bukarest, eine Wohnung im Botschaftsviertel der rumänischen Hauptstadt: Dumitru Burlan sitzt auf einem Sofa und plaudert über die Securitate von einst und jetzt. "Ja, es gibt mächtige Firmen, die von ehemaligen Securitate-Offizieren geführt werden", sagt er. Der 70-Jährige war drei Jahrzehnte lang Offizier der Securitate. Er überwachte hochrangige Parteimitglieder, denen Ceausescu misstraute, später wurde er Chef der Leibwache des Diktators, jetzt ist der Oberst a.D. wohlhabender Rentner. Seine ehemaligen Kollegen säßen sogar in der Regierung, sagt er süffisant. "Und wenn der Offizier nicht persönlich in der Regierung ist - dann ist es eben sein Sohn!" Burlan lacht gehässig.
Keine Debatten über Kontinuität
Was der Oberst a.D. erzählt, ist in Rumänien auch kein Geheimnis. Ehemalige Securitate-Offiziere arbeiten nicht nur in den zahlreichen Nachfolgegeheimdiensten des rumänischen Staates. Sie sind auch Abgeordnete des rumänischen oder des Europaparlamentes, Minister oder Führungsmitglieder in Parteien aller Couleur. Sie sind Universitätsrektoren, Manager oder schwerreiche Unternehmer, oft in dubiose oder erwiesenermaßen kriminelle Geschäfte verwickelt. In Rumänien gibt es darüber kaum breite öffentliche Debatten – schließlich kontrollieren ehemalige Securitate-Mitarbeiter auch einen großen Teil der rumänischen Medien. In denen dürfen Ceausescus ehemalige Geheimdienstler sich ausgiebig selbst darstellen und haarsträubende Geschichten über ihre angeblichen menschenfreundlichen Aktivitäten erzählen.
Securitate als Schutzverein für Dissidenten?
Das macht beispielsweise auch Ilie Merce, 70, ebenfalls Oberst a.D. In den 1980er Jahren leitete er Überwachungs- und Zersetzungsoperationen gegen nicht linientreue Intellektuelle und Künstler. Nach 1989 wurde er Politiker der ultranationalistischen Groß-Rumänien-Partei und war bis 2008 Parlamentsabgeordneter. "Zweifellos haben wir die Intellektuellen verfolgt", gibt er zu, "aber nicht um repressive Maßnahmen gegen sie zu ergreifen, sondern zu ihrem Schutz und zur Vorbeugung."
"Dumm, wer nur von Rente lebt"
Eine etwas andere, aber ebenso verblüffende Karriere hat Gheorghe Ratiu gemacht, auch er Oberst a.D. Von 1985 bis 1989 leitete der 77-Jährige die gefürchtete Hauptabteilung I der Securitate. Es war die Abteilung, die Repressionen gegen Oppositionelle organisierte. Nach dem Sturz des Regimes wurde Ratiu Unternehmensberater. Gerüchte, dass er in kriminellen Netzwerken mitarbeitet, die einstiges Securitate-Vermögen übernommen haben, dementiert er. Und an seinem Wandel vom Securitate-Führungsmitglied zum Unternehmensberater kann er nichts Anstößiges finden. "Wer dumm war, lebt von seiner Rente", sagt Ratiu, "wer intelligenter war, hat Geschäfte gemacht und lebt jetzt besser."
Autor: Keno Verseck
Redaktion: Andreas Ziemons