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Der Druck auf Friedrich Merz und die Union wächst

3. April 2025

Im ARD-Deutschlandtrend sind 70 Prozent der Wähler mit dem voraussichtlich künftigen Bundeskanzler Merz unzufrieden. Die Stimmung sinkt, noch bevor die neue Regierung steht.

Deutschland Berlin 2025 | CDU-Chef Friedrich Merz steht bei einer Pressekonferenz vor einer blauen Wand, auf der das CDU-Logo zu sehen ist. Vor ihm ist ein Mikrofon zu sehen. Merz guckt angespannt und hat die Lippen zusammengepresst.
Noch nicht Bundeskanzler und schon unter Druck: CDU-Chef Friedrich MerzBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Am 23. Februar wurde in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Die konservativen Parteien CDU und CSU, die zusammen als Union antraten, gewannen die Wahl mit fast 29 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz landete die in Teilen rechtsextreme AfD mit fast 21 Prozent der Stimmen. 

Nur wenige Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen, doch das politische Stimmungsbild auf den beiden vorderen Plätzen hat sich laut dem neuesten ARD-Deutschlandtrend sichtbar verändert. Vom 31. März bis 02. April befragten die Meinungsforscher 1.334 wahlberechtigte Deutsche repräsentativ. CDU/CSU sacken auf 26 Prozent ab, das ist der tiefste Wert seit Oktober 2022. Die AfD erreicht mit 24 Prozent einen neuen Höchststand.

Die SPD käme auf unverändert 16 Prozent. Es war das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Die Partei der Grünen würden bei elf Prozent (-1) landen. Die Linke würde zehn Prozent (+1) erzielen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht und die FDP würden wie schon bei der Bundestagswahl den Einzug ins Parlament mit je vier Prozent der Stimmen verpassen.

Das Schuldenpaket kostet Glaubwürdigkeit 

Die Union erhält nicht nur in der Sonntagsfrage einen Dämpfer. Auch CDU-Chef Friedrich Merz, der die künftige Bundesregierung als Kanzler führen will, verliert weiter an Zustimmung. 70 Prozent der Befragten im ARD-Deutschlandtrend sind mit seiner Arbeit nicht zufrieden. 

Sucht man nach Gründen, landet man schnell bei der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und dem 500 Milliarden Euro schweren Kreditpaket für Infrastruktur und Klimaschutz. Vor der Wahl hatten Merz und die Union neue Schulden noch ausgeschlossen. Nach der Wahl verwiesen sie auf eine geänderte weltpolitische Lage. Die Bundesbürger finden das mehrheitlich nicht glaubwürdig. Selbst jeder dritte Unions-Anhänger meldet Zweifel an.

Schulen und Kindergärten sollen besser finanziert werden

Wofür sollen die Rekordschulden ausgegeben werden? Schon kurz, nachdem Bundestag und Bundesrat ihre Zustimmung zur notwendigen Änderung des Grundgesetzes gegeben hatten, meldete die Deutsche Bahn Ansprüche an. Das Schienennetz ist marode, die Bahn notorisch unpünktlich. Für die in den nächsten Jahren anstehende Sanierung werden dreistelligen Milliardenbeträge gebraucht.

Fragt man die Bundesbürger, dann möchten 38 Prozent, dass das Geld vorrangig in die Sanierung von Verkehrswegen gesteckt sehen. Mit Abstand am häufigsten werden aber Schulen, Kindergärten und Bildung allgemein als bedürftig benannt.

Bevor die neue Bundesregierung damit anfangen kann, das Geld auszugeben, muss sie sich erst einmal bilden. Vor der Bundestagswahl Ende Februar hatte CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt, er könne im Fall eines Wahlsiegs praktisch in Rekordtempo eine Mannschaft auf die Beine stellen. Nun ist bereits April und CDU, CSU und SPD brauchen für ihre Koalitionsverhandlungen offenbar viel mehr Zeit als gedacht. 

Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Doch immer wieder dringen Einzelheiten durch und es ist offensichtlich, dass noch viele Themen strittig sind.

Worauf sollen sich Union und SPD einigen?

Bei den Bürgern fänden eine Steuer auf hohe Vermögen (69 Prozent Zustimmung) und die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten (64 Prozent) große Zustimmung. Jeder zweite Befragte spricht sich für abgesenkte Unternehmenssteuern und ein Tempolimit auf Autobahnen aus. Das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus weiter zu erhöhen, fänden 85 Prozent der Befragten falsch.

Die Meinungsforscher fragten darüber hinaus, was die Bürger davon halten, die Wehrpflicht wieder einzuführen, die 2011 ausgesetzt wurde. Bis dahin konnten Männer ab 18 Jahren für mehrere Monate zum Wehrdienst in der Bundeswehr verpflichtet werden oder als Ersatz zum Zivildienst in sozialen Einrichtungen. Angesichts der geplanten Aufrüstung der Bundeswehr ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein viel diskutiertes Thema in Deutschland.

Über alle Parteipräferenzen hinweg sind nur 22 Prozent der Bürger der Meinung, dass der Wehr- und Zivildienst weiter ausgesetzt bleiben soll. Für seine Wiedereinführung nur für Männer votieren 27 Prozent. 45 Prozent der Befragten sind dafür, einen Wehr- und Zivildienst einzuführen, der auch für Frauen gilt.

Wann hat Deutschland eine neue Bundesregierung?

Vor Ostern wird es mit der Regierungsbildung wahrscheinlich nichts mehr werden. Aber eine deutliche Mehrheit der wahlberechtigten Deutschen ist davon überzeugt, dass sich CDU, CSU und SPD am Ende auf einen Koalitionsvertrag einigen werden. Angesichts der vielen Streitpunkte wird dafür Kompromissfähigkeit gefordert sein. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft ist das nicht mehr selbstverständlich. 

Die Meinungsforscher fragten die Bürger, ob sie Kompromisse gut finden, weil sie zur Koalitionsbildung und zur Demokratie dazugehören? Oder ob sie der Meinung sind, dass Kompromisse schlecht sind, weil Politiker und Parteien damit ihre Prinzipien aufgeben? Insgesamt 82 Prozent der Befragten wertschätzen Kompromisse in der Politik. Selbst in den Reihen der AfD-Anhänger sind es noch 60 Prozent.

Sorgenvolle Blicke in die USA

Die kommende Bundesregierung wird innen- wie außenpolitisch stark gefordert sein. Der Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter. Russland scheint kein Interesse an Friedensverhandlungen mit der Ukraine zu haben. Zwei Drittel der Deutschen haben Sorge, dass Russland weitere Länder in Europa angreifen könnte. Zugleich fürchten fast acht von zehn, dass sich die NATO-Partner derzeit nicht auf den Schutz der USA verlassen könnten.

Zusätzlich trägt die US-Handelspolitik zur Verunsicherung bei. US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle für Handelspartner weltweit verhängt, die in den kommenden Tagen in Kraft treten sollen.  Importe aus der Europäischen Union werden demnach mit Aufschlägen von 20 Prozent belegt, solche aus China sogar mit einem Zoll von 34 Prozent. Als "Mindestsatz" für andere Länder nannte der US-Präsident zehn Prozent. Wie soll nach Ansicht der Bundesbürger darauf reagiert werden?

Sieben von zehn im ARD-Deutschlandtrend Befragten fordern als Gegenreaktion höhere Import-Zölle auch für US-Produkte. Ebenso viele fürchten als Folge der US-Zoll-Politik Schäden für die deutsche Wirtschaft. Berechnungen von Wirtschaftswissenschaftlern stützen die Sorge. Das ifo Institut geht davon aus, dass die neuen Zölle das Wirtschaftswachstum 2025 um 0,3 Prozent reduzieren würden. "Da Deutschlands Wirtschaft bereits stagniert, ist es möglich, dass die US-Zölle das Wirtschaftswachstum in Deutschland unter die Nulllinie drücken", so ifo-Präsident Clemens Fuest.  

Die deutsche Wirtschaft würde dreifach leiden: Erstens, weil Deutschland weniger in die USA exportieren kann. Zweitens, weil Deutschland aufgrund der geringeren Wettbewerbsfähigkeit Chinas weniger nach China exportieren kann. Drittens, weil Länder wie China dann stärker auf andere Exportmärkte ausweichen müssen und damit deutsche Unternehmen zusätzlich unter Druck setzen werden.