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Der "Essenswächter" von foodwatch

13. Januar 2017

Wer bestimmt, was wir essen? Konzerne und Lobbygruppen, behauptet Thilo Bode. Seit 15 Jahren kämpft der Chef von foodwatch dafür, dass Lebensmittel besser werden. Jetzt wird Bode 70. Ans Aufhören denkt er nicht.

Deutschland Thilo Bode Verbraucherschützer
Thilo Bode: auch mit 70 noch kämpferisch und einsatzbereitBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Wer im Internet die Seite foodwatch.org anklickt, dem kann der Appetit vergehen: Ein Artikel über Acrylamid in Chips und Pommes, das im Verdacht steht, Krebs auszulösen. Eine Info über hochgiftiges Quecksilber im Fisch, Dioxinbelastung in Fleisch, Fisch, Eiern. Und selbst vor beliebten Energydrinks wird gewarnt. Statt Flügel zu verleihen, sollen die zuckersüßen Muntermacher langfristig Herzrhythmusstörungen, Nierenversagen und Krampfanfälle verursachen. In der Europäischen Union greifen zwei Drittel der Jugendlichen zur Dose als Nahrungsergänzung oder Ersatz für eine Mahlzeit. Jeder Vierte soll sogar drei oder mehr dieser Energie-Konzentrate auf einmal wegschlucken, steht da geschrieben.

Krebs durch versteckte Mineralöle in Cornflakes?

"Die Verbraucher sollen wissen, was sie konsumieren", sagt Thilo Bode, foodwatch-Geschäftsführer. Immer wieder lässt die Organisation Tests im Labor durchführen. Zuletzt konnte sie nachweisen, dass Mineralölverbindungen in Verpackungen auf die Nahrungsmittel übertragen werden. Diese können das Erbgut der Zellen verändern und Krebs auslösen. Dazu hatte foodwatch in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland 120 in Kartons verpackte Lebensmittel wie Reis, Nudeln und Cornflakes gekauft und untersuchen lassen. Ein Ergebnis war, dass trockene und lange haltbare Lebensmittel besonders anfällig sind für die Übertragung von Mineralölen aus der Verpackung ins Lebensmittel.

Es gebe im Bundeslandwirtschaftsministerium sogar einen Gesetzentwurf hinsichtlich geänderter Verpackungsvorschriften, doch die Industrie habe sich bislang erfolgreich zur Wehr gesetzt, kritisiert Bode.

Auch die Forderung, Gaststättenbesucher durch Aushänge über die Ergebnisse amtlicher Kontrollen zu informieren und Verstöße gegen Hygiene- und Gesundheitsvorschriften öffentlich zu machen, so wie in Dänemark üblich, konnte foodwatch nicht durchsetzen.

Einsatz für die Lebensmittel-Ampel

Die Nahrungswächter kämpfen ebenso für die Einführung der Nährwert-Kennzeichnung verpackter Lebensmittel. Denn Milliarden-Ausgaben belasten das Gesundheitssystem. Die Kosten für die Behandlung von Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes, die durch falsche Ernährung befördert werden, steigen kontinuierlich. Das Ampelsystem, mit Angaben über Zucker, Fett und Salz, ist seit Jahren in der Diskussion. Grün steht dabei für einen geringen, Gelb für einen mittleren und Rot für einen hohen Gehalt an ungesunden Zutaten.

Aufgerüttelt durch BSE 

Es war der BSE-Skandal, der den damaligen Chef von Greenpeace International im Jahr 2000 aufrüttelte. Zehn Rinder waren in Deutschland mit Bovine Spongiforme Enzephalopathie infiziert, einem Erreger, der die Hirne der Tiere zerfrisst, so dass sie wie im 'Rinderwahn' straucheln und elendig verrecken, werden sie nicht zuvor getötet.

Die Angst griff damals um sich, Menschen könnten sich durch den Verzehr von Fleisch erkrankter Tiere mit der tödlich verlaufenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit infizieren. Der Preis für Rindfleisch sank dramatisch, die Nachfrage nach Rindfleisch tendierte gegen null. 

2002 gründete Thilo Bode foodwatch und kämpft seitdem als "Essenswächter" und Geschäftsführer dafür, dass Verbraucher wissen, was in ihren Einkaufswagen und auf ihren Tellern landet. Foodwatch, sagt Bode, will aufdecken und verhindern, dass Verbraucher in die Irre geführt werden und ihre Gesundheit gefährden.

Trickreich: Hersteller geben Nährstoffwerte für kleine Portionen an, wissend, dass Verbraucher größere Mengen verzehrenBild: Foodwatch

Die logische Folge aus den Ergebnissen wäre für Bode, die Macht der Konzerne durch Gesetze einzuschränken. "Da ist die Bilanz ernüchternd. Sie zeigt klar die Machtverhältnisse auf", bilanziert er seine 15-jährige Tätigkeit.

"Politiker knicken ein vor der Lobby der Konzerne"

Die Konzerne seien mittlerweile sehr einflussreich geworden, beklagt Bode, "sie überweisen den Parteien großzügige Spenden oder drohen mit Abwanderung ins Ausland, so dass die Politik keine entsprechenden Gesetze erlässt und Sanktionen verhängt."

Diese Haltung führe zu einem Ungleichgewicht in der Gesellschaft, verstoße gegen demokratische Gesetze und gegen marktwirtschaftliche Prinzipien. "Der Verbraucher sollte König sein und nicht die Konzerne. Ziel muss es sein, dieses Machtungleichgewicht zu beseitigen." Als seine Aufgabe sieht es Bode an, die Öffentlichkeit aufzurütteln, zu mobilisieren und klarzumachen, "dass die Politik eure Interessen nicht mehr wahrnimmt".

Bei Lebensmitteln sei er genau so ein Opfer des Marktes wie andere Verbraucher, gibt Bode zu. "Ich muss in bestimmten Situationen ein Essen zu mir nehmen, von dem ich nichts über die Herkunft und Qualität weiß und keine Informationen über die Inhaltsstoffe und deren etwaigen Einfluss auf die Gesundheit bekomme." Bode wünscht sich eine transparente Produktion - von der Futtermittelerzeugung bis zur Theke und ins Kühlregal, so wie dies der frühere Landwirtschaftsminister Funke im Jahr 2000 schon im Zuge des BSE-Skandals gefordert hatte. "Die Verbraucher müssen den Weg der Ware zu 100 Prozent nachvollziehen können", so Funke damals. 

Bio nicht unbedingt besser

Auch der Preis sei kein Indiz für Qualität, hat Bode erfahren. "Selbst im Bioladen fehlen klare Herkunftskennzeichnungen bei der Tierhaltung bis hin zur mangelnden Deklarierung von Zusatzstoffen."

Die Früchte der Biomarmelade stammten nicht aus der Region, sondern meist aus Lateinamerika, aber das wisse der Konsument nicht. Doch nicht die Bundesregierung gibt die Regeln vor, sondern die EU-Kommission in Brüssel. Nicht nur der Krümmungsgrad von Bananen und Salatgurken wurden reglementiert, sondern auch die Schriftgröße auf den Verpackungen. Und mit nahezu jeder Erweiterung der Europäischen Union kommt eine neue Sprache hinzu, so dass die Angaben auf vielen Produkten klein geschrieben und kaum lesbar sind.

"Wir haben es immerhin geschafft, Essen zu einem politischen Thema zu machen", freut sich Bode. "Wir arbeiten weiter daran, dass es gelingt, im Supermarkt die Qualität der einzelnen Produkte zu unterscheiden. Der Verbraucher soll sich informieren und vor Täuschung und Gesundheitsgefährdung schützen können. Wir wollen weniger Gesetze, aber effektivere. Und die Kennzeichnung ist ein wichtiges Instrument." 

International engagiert

Thilo Bode, einer der profiliertesten Umweltschützer Deutschlands, klingt kämpferisch, einsatzbereit, obwohl er an diesem Samstag (14.01.2017) 70 Jahre alt wird. Die Tatsache finde er ganz heftig, könne aber nichts daran ändern, gibt er schmunzelnd zu verstehen. An Rückzug denkt der nicht, weil was er tue, so spannend sei. "Natürlich ist es frustrierend, dass es so viele Missstände gibt, aber entweder entscheidet man sich, etwas zu tun und wenn es hin und wieder einen gewissen Erfolg gibt, ist dies sehr befriedigend."

Den Namen foodwatch konnte sich die Organisation bis auf die Länder USA und Australien schützen lassen. Büros in Frankreich und den Niederlanden gibt es. Geht es nach Bode, wird foodwatch das Engagement für Verbraucherschutz ausweiten.

 

 

 

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